Ein Fieldreport zum Thema Gegenwart

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Gast Daniel Salomon

Ich habe mich eben von meiner Freundin getrennt, niedergeschlagen vom Schicksal und in truebseligen Gedanken vertieft sass ich in der Ubahnstation wartend auf meine Anbindung. Ein rothaariges Maedchen kam die Treppen hinunter gestuppst, lange schlanke Beine in eine wunderschoene sanfte Strumpfhose gehuellt, elegante schwarze Stiefel und ein wunderschoener kurzer Seidenrock mit Blumenmustern. Sie setzte sich neben mich auf die Bank und tippste in ihrem Smartphone umher. Mein erster Gedanke: "Wow, ist das ein schoener Rock." Mein zweiter Gedanke: "Die sieht viel zu arrogant aus, wenn du ihr ein Kompliment machst schluckt sie es einfach hinunter." Ich folgte meinem ersten Impuls, zupfte sanft an ihrem Rock und meinte: "Was fuer ein schoener Rock." Meine Befuerchtung trat ein, sie laechelte leicht, schenkte mir jedoch kaum Beachtung. Mich in meinem negativen Gedanken bestaetigt fuehlend, bemerkte ich jedoch, dass nicht ich der Grund fuer ihre Laune war. Sie war mit ihrem Handy beschaeftigt, tippste umher und sah etwas verlegen aus. Ich fragte sie ob sie aus Buenos Aires kaeme und ob sie ihr lebenlang hier wohnen wuerde. Sie bestaetigte. Eine unglaubliche Trauer lag ueber ihrem Gesicht und ich wusste nicht so genau ob sie bloss meine innere Gefuehle spiegelt, oder ob sie sich gerade in einer aehnlichen Situation befindet. Wir hielten kurzen Smalltalk, sie fing langsam an aufzutauen und ich ebenso, das Handy kam dazwischen. Ich verstand bloss etwas von "serca" wie, "ja, ich bin in der Naehe." Tausende Gedanken gingen mir durch den Kopf und wurden immer wieder in in die hintere Gasse verdraengt von ihrem wunderschoenem Haar, dem blassen Gesicht und der filigranen Kleidung. Die Ubahn kam langsam angepest und ich fragte, ob sie denn schon etwas gegessen haette. Sie antwortete mit einem laechelnden: "Nein, es ist doch viel zu frueh." Spaeter wurde mir bewusst, dass meine Frage eigentlich, "Hast du Lust mit mir einen Kaffe zu trinken", hiess, ich jedoch zu feige mit mir selbst war um direkt aus dem Bauch heraus zu fragen was mir auf dem Herzen liegt. In der Ubahn setzten wir uns etwas voneinander weg, da die meisten Plaetze belegt waren und ich ansonsten direkt neben ihr in Beruehrung sitzen muesste. Eine weitere Luege, wollte ich doch direkt neben ihr in Beruehrung sitzen. Wir fuhren drei Stationen und mein Bauch schrie danach sie doch noch nach dem Kaffe zu fragen, der Kopf jedoch sagt: "Hast du nicht gehoert, sie hat eben mit jemandem telefoniert." Der Bauch sagt: "Ja, aber das nahm sie doch bloss als Vorwand, weil sie ebenso Angst hat vor der Gegenwart wie du." Der Kopf sagt: "Sicherlich ist das ihr Freund." Der Bauch sagt: "Und selbst wenn, sie ist niedergeschlagen und traurig sowie du, sie brauch jemandem zu reden und du ebenso. Ihr seit beide fuer diesen Moment geschaffen." Der Kopf fing an zu stammeln sich um "Kopf und Kragen" fusselig zu reden waehrend mein Bauch nach innerem Drang zur gegenwaertigen Freiheit schrie. "Moreno" Ihre Station wurde angefahren, sie stand auf, griff geschwind mit ihrer Hand nach der eisernen Stange, drehte ihren Kopf zu mir nach rechts und stoesste ein verletztes "Ciao" hervor. "Junge jetzt reiss dich aber am Riemen, steh auf und frag sie einfach. Was hast du schon zu verlieren?" Der Kopf sagt: "Ja, aber du wolltest (Betonung liegt auf WOLLTEST... nicht du WILLST... du WOLLTEST) doch an einer anderen Station aussteigen um dort in dem netten Cafe von gestern Nacht zu Speisen.

Ich haderte mit mir selbst, ich haderte zu Gott und ehe ich zu Ende war, stieg sie aus dem Zug. Die Pointe ist: Das Cafe von gestern nacht hat geschlossen, die schoene Frau mit dem seidernen Rock ist auch nicht da, ich habe hunger habe durst, sitze im Internetcafe und schreibe.

Prost und Mahlzeit.

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