Zwängen widerstreben lernen

8 Beiträge in diesem Thema

Empfohlene Beiträge

Gast

Hallo zusammen,

Ich fühl mich zwar etwas unwohl darüber zu schreiben - aber wir sollten ja eine offene gesellschaft sein die ohne filter über alles reden kann.

Und zwar mein problem mit dem ich mich gerade rumschlage: Ich habe materielle verlustängste. Klingt seltsam, ich weiss, aber ich habe also häufig angst, irgendetwas verloren zu haben. Also zum beispiel in der bahn mein smartphone, mein regenschirm, die mütze oder sonstwas liegengelassen zu haben. dann muss ich immer nochmal hinterherschauen, oft auch zweimal. und ja, es kommt ja durchaus mal vor, dass man in der bahn etwas vergisst, sonst gäbe es ja keine fundbüros. ich find es einfach unproduktiv, wenn ich an jedem ort mehr als einmal umsehe ob ich alles dabei habe. bei teuren dingen wie dem notebook/fotokamera usw. ist es ja vielleicht noch angebracht einmal mehr hinzuschauen, aber vermutlich nicht bei der wollmütze.

Das gleiche auch wenn ich wieder zuhause bin. da frage ich mich oft, manchmal sogar 5 minuten lang, ob ich tagsüber wirklich alles noch am start habe, was ich morgens mittgenommen habe.

Ich habe also tiefgründiger formuliert die angst, irgendwelche materiellen dinge zu verlegen/verlieren - beziehungsweise sie zu verlieren und den verlust gar nicht zu bemerken, deshalb checke ich dann auch abends sogar manchmal ob wirklich noch alles in der tasche ist das ich morgens reingetan hab. kann sein, dass es an meiner situation als student lieg, ich nicht übertrieben viel geld habe, und deshalb inzwischen ein viel zu hoher wert auf meine persönlichen materiellen gegenstände lege. was ja prinzipiell auch nicht verkehrt ist, wenn man dafür genügend zeit hätte. aber wenn im umkehrschluss andere dinge zu kurz kommen, ist es ja bekanntlich falsch, den materiellen dingen zu grosse aufmerksamkeit zu schenken.

Ich weiss, klingt alles strange, ist es auch, es ist keine eigenschaft die ein mensch, schon gar nicht als mann haben möchte.

Nun, ich möchte das ganze schon länger abgewöhnen. in geringem masse ist diese eigenschaft sicher ganz nützlich, in der jetzigen intensität möchte ich das verhalten aber nicht behalten. hab mal irgendwo gelesen, es sei am effektivsten, solange nicht mehr regelmässig auf das verlangen nach dem kontrollieren einzugehen, bis die gewohnheit/ zwang auf ein vernünftiges mass reduziert wurde. ob das geht, weiss ich so nicht, vielleicht kennt sich da jemand besser aus.

Wie steht ihr dazu - würdet ihr so eine gewohnheit, wenn sie im übertriebenem masse auftritt, auch als störend empfinden? beziehungsweise hat vielleicht jemand schon eine ähnliche situation gehabt/ kennt sich mit solchen dingen aus und kann tipps dazu geben?

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
Auf anderen Seiten teilen
vor 47 Minuten, Mäniii schrieb:

Wie steht ihr dazu - würdet ihr so eine gewohnheit, wenn sie im übertriebenem masse auftritt, auch als störend empfinden? beziehungsweise hat vielleicht jemand schon eine ähnliche situation gehabt/ kennt sich mit solchen dingen aus und kann tipps dazu geben? 

Klar würde ich das auch als störend empfinden (wobei natürlich die Frage ist, ab wann das Maß "übertrieben" ist). Ist aber letztlich nicht relevant, wie ich oder andere deine Situation empfinden würden. Die einzig relevante Frage lautet: Empfindest DU es als störend (und aufgrund der Tatsache, dass du diesen Thread eröffnet hast, ist es naheliegend, dass deine Antwort darauf "ja" lautet).

Aus eigener Erfahrung kann ich hierüber nicht berichten, aber für mich klingt das alles nach möglichen Anzeichen einer (beginnenden?) Zwangsstörung. Ob die tatsächlich vorliegt, kann dir mit Sicherheit nur ein Psychiater oder ein Psychotherapeut nach einer entsprechenden Diagnostik sagen. Mein Rat wäre daher: Erst mal vom Fachmann abklären lassen, ob ggf. eine Zwangsstörung vorliegt - falls ja, wäre eine Psychotherapie und/oder eine medikamentöse Therapie ratsam, weil du in diesem Fall mit professioneller Unterstützung sicher schneller und effektiver zum Ziel kommst als wenn du es auf eigene Faust probierst.

Du kannst dich ja mal ein wenig zu dem Thema informieren und schauen, ob du dich in den beschriebenen Symptomen einer Zwangsstörung wiederfindest. Beispielsweise hier: https://www.onmeda.de/krankheiten/zwangsstoerung.html

Sollte die fachmännische Diagnostik ergeben, dass keine Zwangsstörung vorliegt oder solltest du diesen Schritt nicht gehen wollen (du hast jedoch bei einem diagnostischen Vorgespräch absolut nichts zu verlieren!), würde ich zumindest mal ein Fachbuch zu dem Thema lesen. Eine gewisse Tendenz in Richtung zwanghaftes Kontrollverhalten scheint jedenfalls da zu sein, auch wenn sie möglicherweise noch nicht die Kriterien einer pathologischen Störung erfüllt. In den entsprechenden Büchern kannst du sicher zielgerichtetere Tips finden als sie dir hier im Forum irgendjemand geben kann. Eine Übersicht findest du bspw. hier: http://www.zwaenge.de/betroffene/buchtipp.htm

Unabhängig davon könntest du es auch einmal mit den Ansätzen der Akzeptanz- und Commitmenttherapie versuchen, die dir (in Kurzfassung) Techniken an die Hand gibt, deine eigenen Gedanken und Emotionen (und damit letztlich auch Handlungsimpulse wie das Checken, ob du nichts vergessen hast) zwar achtsam wahrzunehmen (statt zu bekämpfen), aber dich gleichzeitig weniger mit ihnen zu identifizieren und damit dein Handeln (und auch dein Erleben) ein Stückweit von deinen Gedanken und Gefühlen zu "emanzipieren". Mein Standard-Buchtipp dazu wäre Russ Harris - "Wer dem Glück hinterherrennt, läuft daran vorbei".

bearbeitet von tonystark
  • LIKE 1

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
Auf anderen Seiten teilen
Gast

Der mehr oder wenige einzige Weg, solche "Zwänge" loszuwerden, ist ihnen nicht nachzugeben. Dabei ist es erstmal egal welchen Weg Du einschlägst, ob Du Techniken der ACT (siehe Beitrag von tonystark), kognitive Umstrukturierung oder was auch immer machst spielt keine Rolle, denn egal für was Du Dich entscheidest, bist Du erst in der Situation werden unangenehme Gedanken und Gefühle hochkommen. Wichtig ist an dem Punkt, dass Du diese Gefühle aushältst und nicht zurückschaust und auch kein anderes Kontrollverhalten ausführst. Und dann heißt es einfach üben, bis der Kontrolldrang nachlässt.

Für mich klingt das ganze (max. zweimal Kontrollieren) nicht so, als ob Du die Kriterien einer Zwangsstörung erfüllst, aber da sie, wenn sie erstmal richtig ausgeprägt ist, recht hartnäckig sein können, empfehle ich Dir, falls sich Dein Kontrollverhalten nochmal ordentlich verstärkt und entsprechend der Leidensdruck steigt, direkt einen Experten aufzusuchen (keinen Psychiater, sondern einen Psychotherapeuten). Aber wie gesagt, Deine beschriebene Ausprägung sollte gut in den Griff zu kriegen sein, wenn Du es schaffst, Dein Kontrollverhalten abzulegen (und einmal nach hinten schauen wenn man aufsteht ist völlig normal, vergiss das nicht).

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
Auf anderen Seiten teilen
Gast

Merci für eure Antworten.

Naja, wenn man abends teilweise dort sitzt und nachgrübelt, ob man tagsüber irgendwo was liegengelassen hat, finde ich das halt eben störend - ob es bereits als zwangsstörung gilt oder nicht, weiss ich nicht.

Ich habe auf jeden fall die letzten tage bereits versucht, immer weiter loszulassen und meine gedanken an einen anderen ort zu shiften. das hat auch mehrheitlich gut geklappt. die "symptome" sind zwar noch vorhanden, aber ich würde behaupten, es geht schon viel besser als vor einer woche. ich hoffe, dass das ganze die nächsten wochen immer weiter verbessert. Wenn ja, bin ich damit zufrieden - wenn nein, kann ich mir ja immer noch überlegen, ob ich professionelle hilfe in anspruch nehmen möchte.

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
Auf anderen Seiten teilen

Mir war nicht bewusst, dass es sich um eine Zwangsstörung handelt, wenn man zb in der Bahn den Sitzplatz kontrolliert, ob man nix liegen gelassen hat. Mache ich auch, seitdem ich einmal aus Versehen mein Portemonnaie neben statt in die Handtasche gelegt habe und 300 Euro dadurch verloren habe. 

Die Zeit, die ich verwenden müsste um mir ständig neue Sachen kaufen zu müssen (inklusive der Zeit, die ich arbeiten muss um das Geld dafür zu haben) ist doch wesentlich mehr als 2 mal kurz auf und unter den Sitz zu schauen.

Abends nochmal alles zu kontrollieren, finde ich dann schon was übertrieben, wenn man ja sonst schon kontrolliert. 

Wenn du es allerdings selbst als störend, Lebensqualität einschränkend oder krankhaft empfindest, wolltest du dagegen was tun.

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
Auf anderen Seiten teilen

Zweimal kontrollieren, denke ich, ist noch keine Zwangsstörung. Immerhin sind die Dinge, auf die du schaust, schon was wert und wenn du das Gefühl hast nachzuschauen, dann tu es halt. Beruhigt ja auch. Wenn dies allerdings öfter vorkommt, täglich evtl. alle 10 Min bis 20 Min, dann würde ich mir wirklich Gedanken machen.

Und zwischendurch solch auftauchender Gedanken, könntest du auch ruhig Mal zu dir selber sagen: "Ich vertraue mir". Und es dann auch so meinen. Schließlich hast du ja wohl noch alle Tassen im Schrank, warum also katastrophisieren?

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
Auf anderen Seiten teilen
Gast

Ich bin immer noch dran, das ganze auf ein sinnvolles Mass herunterzuschrauben. Ich hoffe, dass es auch ohne zwischenfälle so vorangeht. auf jeden fall merci für eure tipps.

bearbeitet von Gast

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
Auf anderen Seiten teilen

Hallo mein Lieber!

Du, ein sehr spannendes Thema!
Und mein Respekt, sehr gut, dass du offen über dein Anliegen sprichst!

Du kannst bei mir in meiner History schauen, da hatte ich glaube ich das Thema auch schon mal.

Ich will jetzt vorerst nicht zu viel Samstag-Wochenende-Zeit :-) darauf setzen, aber hier erst mal kurz meine Tipps:

- Akzeptiere, dass dir die Natur, das Universum, Gott etc. pp. das so mit in die Wiege gelegt hat

- Beschäftige dich viel mit dem Thema, lies darüber, hör die ein Audiobuch dazu an. Hab ich auch schon alles gemacht. Außerdem Youtube Videos zum Thema.
  Es hilft dir mehr und mehr darüber zu verstehen und du kriegst eine ganz neue Perspektive drauf. Wirklich!

- Modelliere normales Verhalten. Beobachte andere Menschen, wie sie sich in den Situationen, wo bei dir der Zwang aufkommt, verhalten.

- Mache konstant Entspannungsübungen. Vermeide Stress in deinem Leben. Atme gut und tief durch.

- Zuallerletzt: KONFRONTATION! Bei aller Theorie, du musst die Angst aushalten und das Zwangsverhalten nicht ausführen, bzw. dem Zwangsgedanken nicht nachgeben. 
Dein Gehirn reagiert darauf regelrecht magisch! Es speichert sich automatisch ab: Ach krass, die befürchtete Situation ist ja gar nicht eingetreten! Alles gut! 
Dein Gehirn ist was wunderbares. Es kann so viel durch neue Erfahrungen zum positiven umlernen! Glaube an die Macht deines unglaublich großen Speichers da oben!

Ich will dir vor allem Mut machen.
Weil es ist wie mit der Angst vor Frauen.
Man muss sie konfrontieren und checken, dass alles halb so wild ist.

Und soll ich dir noch was sagen:
Trotz des Kontrollzwangs, du wirst immer noch Sachen verlieren oder liegen lassen!
Fuck, ja! Das ist ja das bescheuerte! :-D
Also kannst du den Scheiss genau so weglassen, vertrau auf deine Intuition und lass das Leben einfach fließen, es läuft schon, du musst nicht noch extra obendrauf kontrollieren!

Letzter Tipp:
Fang von nun an deine Zwangsimpulse zu beobachten und wenn du sie immer wieder aufs neue siehst, sage zu dir:
"Ach da bist du ja wieder, du Zwang! Ich kenn dich schon, alles gut. Immer das gleiche Muster!"

Noch ein geiler Tipp von Orlando Owen, der sagt sich bei Zwangsimpulsen folgendes:
"Ich kenne meine Neigung dazu. Ich könnte mir jetzt die Hände waschen, aber ich gebe diesem Zwang jetzt nicht nach, damit ich für das nächste mal es loswerde. Und ein bisschen Dreck tut mir gut."

Informiere dich übrigens auch zu Gefahrensituationen und Wahrscheinlichkeiten eines Risikos oder Gefahreneintritts.
Du wirst verstehen, dass du kein Risiko der Welt ganz abschaffen kannst.
Der Sinn des Lebens ist es mit einem gewissen Maß an Risiko zu leben -> No Risk, No Fun ;-)

Alles Gute und viel Gesundheit und viel Freude! :-)

  • LIKE 1

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
Auf anderen Seiten teilen

Erstelle ein Mitgliedskonto, oder melde Dich an, um zu kommentieren

Du musst ein Mitgliedskonto haben, um einen Kommentar verfassen zu können

Mitgliedskonto erstellen

Registriere Dich ganz einfach in unserer Community.

Mitgliedskonto registrieren

Anmelden

Du hast bereits ein Mitgliedskonto? Melde Dich hier an.

Jetzt anmelden

  • Wer ist Online   0 Mitglieder

    Aktuell keine registrierten Mitglieder auf dieser Seite.