Berufsanfänger - Stress und Fehlerbewältigung

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Grüßt euch, 

 

ich melde mich mal wieder. Diesmal ein etwas entferntes Thema, weg von der konkreten Verführung oder Pickup. Es geht hauptsächlich um Persönlichkeitsentwicklung im beruflichen Bereich. 

 

Ich habe mich vor zwei Jahren selbstständig gemacht. Da ich mich getraut habe, dies direkt nach der Ausbildung/Studium zu machen kämpfe ich jetzt aber mit einigen Punkten, die ich vorher nicht bedacht habe:

1. Da ich noch nicht viel praktische Erfahrung gesammelt habe, ist jeder Tag ein neues Lernen und Fehler passieren unvermeidlich. Da ich in einem Bereich arbeite, in dem meinem Berufsstand eher zugesprochen wird, dass er alles weiß und keine Fehler macht, ist es für mich schwierig wie ich mit (auch nur kleinen Fehlern) umgehe. 

Habt ihr Rat, wie ich am besten mit Fehlern umgehe? Das stellt ja insbesondere in Deutschland ein Tabuthema dar. 

 

2. Fehler und Missgeschicke belasten mich und führen zu dauerhaftem Stress. Das Unternehmen läuft grundsätzlich gut und im Wesentlichen unproblematisch. Trotzdem treffen mich Fehler hart und haften sich in mein Gedächtnis. D.h. bei 30 fehlerfreien Aufgaben und einem Fehler habe ich das Gefühl wie wenn ich "alles falsch mache". Dies führt - auch wenn es nur einzelne kleine Fehler sind - zu einem dauernden Gefühl des Misserfolgs. Ich hoffe ihr versteht was ich meine. 

 

3. Auch im Vergleich zu Kollegen Habe ich das Gefühl noch nicht so kompetent zu sein, bzw. auch andere Berufsanfänger wirken auf mich "kompetenter". Das belastet dauerhaft. 

 

Insgesamt ist es etwas ein Widerspruch, da ich - wie gesagt - insgesamt für die kurze Zeit sehr erfolgreich bin und im Wesentlichen alles gut klappt. Leider wird im Berufsstand nicht über Fehler gesprochen, weshalb Austausch hierzu kaum möglich ist. Zumindest auf ehrlicher Basis. 

Für mich selbst klingt es nach nem bösen Innergame Problem. Vielleicht hat der eine oder andere so eine Situation schon gemeistert und Tipps für mich. 

 

Beste Grüße und danke für einen Rat im Voraus 

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Ich frage mich gerade, was das für ein Bereich sein soll, in dem du arbeitest. Ich bin vermutlich ähnlich jung wie du, aber hab schon verschiedene Bereiche erlebt. Journalismus, Ingenieurbüro, Beratung (Inhouse), Sicherheitswesen.

Überall gab es eine relativ offene Fehlerkultur. Ob das jetzt die Redaktionskonferenz ist, in der über die letzte Ausgabe gesprochen wird, der Bauherr, der Korrekturen fordert, das Projektmanagement, dass Fehler anmerkt, die Einsatznachbesprechung, ...

Keine Ahnung, wie das früher war, aber ich erlebe es in 2020 so, dass einem nirgendwo der Kopf abgerissen wird, wenn mal was schief geht. 

Ich glaube eher, dass du unter Perfektionismus leidest. Es lohnt sich auf jeden Fall, dass du dir das mal anschaust. Seitdem ich weniger hart mit mir ins Gericht gehe, lebt es sich viel entspannter und einfacher. Was bei mir extrem geholfen hat, dass ich ganz bewusst darauf geachtet habe, wo andere Menschen Fehler machen. Das war dann z.B. der Chef, der von der Architektin wegen seiner unleserlichen Schrift kritisiert wurde, der Kollege, der zum Meeting zu spät kommt, der Kamerad, der unverantwortlich fährt, ... Nach zwei, drei Monaten hatte ich so eine lange Liste an Fehlern anderer, dass ich meine eigenen als völlig normal und menschlich ansehen konnte. 

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Es ist wichtig, bei der Arbeit das "große Ganze" zu sehen, sprich das Projektziel oder den nächsten Meilenstein (das trifft auf viele Jobs zu, aber natürlich nicht auf Jobs mit "kurzfristigen" Erfolgszielen wie einem Chirurgen). Das bedeutet, wenn auf dem Weg zu diesem Ziel Fehler passieren, ist das meist kein Problem und nach wenigen Tagen bereits vergessen, solange du in der Lage bist das finale Ziel zu erreichen. 

Wichtig ist auch, dem Kunden gegenüber offen und transparent zu handeln - wenn du ohne zu Zögern deine Fehler zugibst und nicht versucht "herumzudrucksen", hast du vielen  etwas voraus und stärkst das Vertrauen deiner Kunden.

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vor 8 Stunden, boardRunner schrieb:

1. Da ich noch nicht viel praktische Erfahrung gesammelt habe, ist jeder Tag ein neues Lernen und Fehler passieren unvermeidlich. Da ich in einem Bereich arbeite, in dem meinem Berufsstand eher zugesprochen wird, dass er alles weiß und keine Fehler macht, ist es für mich schwierig wie ich mit (auch nur kleinen Fehlern) umgehe. 

Habt ihr Rat, wie ich am besten mit Fehlern umgehe? Das stellt ja insbesondere in Deutschland ein Tabuthema dar. 

Ich wüsste gerne, wie man etwas neues lernen kann, ohne Fehler zu machen oder aus den Fehlern von anderen zu lernen? Das bedingt sich, denn sonst würdest du ja nix lernen (können). 

 

Hast recht - ist ein Tabuthema - und es ist völlig widersinnig. 

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vor 10 Minuten, ElCurzo schrieb:

 

Hast recht - ist ein Tabuthema - und es ist völlig widersinnig. 

Nein, ist nicht ohne Grund so! stellt dir vor du kaufst ein Brot beim Bäcker. Zu Hause stellst du fest, dass es Schimmel hat. Sofern der Bäcker nicht dein Nachbar ist und du das Brot empört zurückgibst und ein frisches beanspruchst, fliegt es in den Müll. Wie geneigt bist du, später wieder bei dem Bäcker einzukaufen oder doch einen, der eine Straße weiter ist?

Made in Germany ist oder war zumindest in der Vergangenheit ein Qualitätssiegel. Damit hat man sich qualitativ von der Konkurrenz im In und Ausland abgesetzt: „wir haben höhere Löhne, weil wir bessere Qualität liefern“


Warum soll eine Kunde Geld für etwas ausgeben, was fehlerhaft ist? Was Bitteschön rechtfertigt hier deine Arbeit? Wozu hat man studiert, wenn man nicht den Blick des Kunden versteht und schlechte Qualität liefert?

Ich erlebe es in den letzten Monaten immer mehr, dass Osteuropäische Firmen im Bereich Handwerk, Entwicklung, Konstruktion, Dienstleistungen,...sehr aggressiv sich auf den deutschen Markt drängen und Preise weit unter unseren deutschen Preisen anbieten. Hier haben wir fast keine Chance. Außer durch Qualität und ein paar andere Dinge.

Und dann muss ich hier lesen, dass wir viel besser mit Fehlern umgehen sollen, sie wären ja nicht so schlimm. 

Wann bitte hattet ihr euer letztes Mitarbeitergespräch oder seid ihr noch Studenten?

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vor 57 Minuten, cooperx schrieb:

Warum soll eine Kunde Geld für etwas ausgeben, was fehlerhaft ist?

Hey, ich verstehe was du meinst. 

 

Du sprichst in deinem Beispiel von einem "Produktfehler". Hier könnte man auch von einer Fehlerkette sprechen, da in deinem Beispiel mit dem Brot wahrscheinlich mehrere Personen beteiligt sind. (wie konnte es nicht auffallen, warum bieten wir altes Brot zum Verkauf, etc. )

 

Das hat in meinen Augen aber wenig mit dem Problem zu tun, was der TE hier beschreibt. Hier geht es eher um den Umgang mit Fehlern im Zuge einer Entwicklung/Ausbildung/Lehre innerhalb einer Selbstständigkeit. Er schreibt ja selber, dass die Fehler keinen Einfluss auf seinen Betrieb haben, sehr wohl jedoch auf sein Selbstbewusstsein (warum mache ich so viele Fehler?). Und ich sage - darfst du machen, würde mich eher wundern, wenn du keine Fehler machst. Man lernt nun mal aus Fehlern - das ist unabdingbar für jegliche Entwicklung. 

 

Und das ist eindeutig eine Fehlentwicklung, wenn selbst in der Schule, in der Ausbildung und als Jobstarter keine Fehler mehr gemacht werden sollen/dürfen. Doch - sie müssen gemacht werden! Denn alles andere wäre widersinnig. Wenn ich von einem Schüler erwarten würde, dass er keine Fehler mehr macht, dann wäre er mit dieser Erwartungshaltung automatisch kein Schüler oder Trainee mehr. Was bindet ihn dann noch an diesen Status? Nix!

 

Anders sieht es dann auch, wenn ein fertiger Meister seines Faches fehlerhafte Ware oder Dienstleistungen anbietet. Das ist dann eher das, was du beschrieben hast. 

 

Btw. Im Grunde ist man dann im falschen Job, wenn man keine Fehler mehr macht - damit ist die Entwicklung beendet und die Langeweile und der Burn-Out droht. Ist wohl nicht nur im Bereich der Arbeit so - sondern bezieht sich wohl auf alle Lebensbereiche. 

bearbeitet von ElCurzo

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Um es zu konkretisieren: Ich arbeite im Anwaltsbereich. Hier ist es eher Usus einen Fehler zu bestreiten bzw. es anders darzustellen und zu argumentieren. Dies ändert aber subjektiv nichts. Das Gefühl des Misserfolgs und die hohen Ansprüche bleiben. 

Es geht manchmal soweit, dass ich Arbeiten scheue um gerade Fehler zu vermeiden. 

Selbst wenn Fehler noch beseitigt werden können und noch nicht zu einem Schaden geführt haben, belastet es mich sehr und lässt mich extrem selbst zweifeln. 

Grundsätzlich würde ich mich zwar als entspannt und selbstbewusst bezeichnen. Bloß in der Arbeit fehlt dieses Mindset extrem. Zumindest innerlich. Nach außen ist es kein Problem souverän und entspannt aufzutreten. Innerlich hingegen schon.

Um also den roten Faden nicht zu vermeiden: Der Kern des Problems sind die schnellen Selbstzweifel, die hohen Ansprüche an sich selbst und die zu schnelle Selbstkritik, wenn etwas schief läuft und die Ängste zu scheitern. 

Wie bereits gesagt, bisher hat sich kein Fehler ausgewirkt. Trotzdem verstärkt sich mein Gefühl, dass ich im Vergleich zu anderen schlechte Arbeit mache und auf kurz oder lang etwas in die Hose geht. Das belastet mich natürlich. 

Ich glaube nach wie vor, es ist einfach ein schlechtes Mindset: 

Wenn andere Fehler machen denke ich immer "Passiert einfach, Fehler sind normal". Wenn ich hingegen Fehler mache, bin ich erstmal im totalen Stress und zweifle an meinen Fähigkeiten und denke den Fehler bis zum schlimmsten Ende (Fehler gemacht -> Fehler wirkt sich aus -> Kunde unzufrieden -> Keine neuen Kunden -> Bankrott -> Prostitution und tot in der Gosse an ner Überdosis; bisschen Humor muß auch mal rein. 😁😁

Die Frage ist, wie bekomme ich dieses Mindset: alle kochen nur mit Wasser, Fehler passieren, die Welt geht nicht gleich unter usw. in meine Birne. 

Oder andere Frage: Ist mein Problem eher, dass ich nur den Weg meines Business sehe und wenn ich tatsächlich scheitern sollte keine Alternative habe, bzw die Angst zu scheitern und was andere darüber denken? 

Wie ihr merkt bin selbst noch nicht sicher wo das Problem tatsächlich liegt, da es verschiedene Baustellen sind. Deswegen schreibe ich auch aktuell einfach die Gedanken nieder. 

Die Kernpunkte vielleicht mal (auch für mich selbst) zusammengefasst: 

- Selbstzweifel 

- Existenzangst 

- Unrealistische Angst zu scheitern 

- Hohe Ansprüche 

- Selbstkritik (negative) 

Ich hoffe ihr könnt mir trotzdem folgen. 😁😁👍

 

 

bearbeitet von boardRunner
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vor 2 Stunden, boardRunner schrieb:

Wenn andere Fehler machen denke ich immer "Passiert einfach, Fehler sind normal". Wenn ich hingegen Fehler mache, bin ich erstmal im totalen Stress und zweifle an meinen Fähigkeiten und denke den Fehler bis zum schlimmsten Ende (Fehler gemacht -> Fehler wirkt sich aus -> Kunde unzufrieden -> Keine neuen Kunden -> Bankrott -> Prostitution und tot in der Gosse an ner Überdosis; bisschen Humor muß auch mal rein. 😁😁

Also hiernach bin ich bei @lastforever

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Perfektionismus? 

Ich dachte das setzt voraus, dass ich aktiv nach Perfektion strebe. Ich arbeite jedoch nicht perfektionsorientiert. D.h manchmal muss das Ergebnis halt reichen. 

Auch dachte ich, dass ein Perfektionist ein Ordnungsfanatiker bei sich und anderen ist. Das trifft auch mich jedoch auch nicht zu. 

Es gibt Bereiche in meinem Leben in denen ich keinerlei Probleme habe durchschnittlich zu sein. Bspw. Ordnung, Intelligenz, Hobbys usw.

Spricht dies nicht gegen euer Argument? 

Beste Grüße 

bearbeitet von boardRunner

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vor 14 Minuten, boardRunner schrieb:

Ich dachte das setzt voraus, dass ich aktiv nach Perfektion strebe.

Habe ich früher auch gedacht. Entscheidend ist hier aber die Motivation, warum man nach danach strebt und höherer Erwartungen an sich, als an andere hat. Den Mechanismus kannst du dir mal anschauen. Genau diesen hast du nämlich beschrieben. 

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vor einer Stunde, boardRunner schrieb:

Hat dazu jemand gute Literatur? Habe im Internet nicht viel gutes dazu gefunden. Insbesondere wie man sich da ändert. 😁

Suzanne Grieger Langner hat bei Facebook ein kurzes, aber prägnantes Video zum Thema („Fehler bringen dich weiter“). Ich beweihräuchere diese Person jetzt nicht, aber die Haltung dazu ist gut. Und darum geht’s - du entscheidest, an was du festhältst 🤗

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