Mindset eines Verkäufers

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Mindset eines Verkäufers

oder

wie ich lernte fast alles und jeden anzusprechen

Hi Community!

Das letzte Jahr habe ich viel im Bereich Promotion gearbeitet (auch unter Verwendung so mancher PU-Prinzipien). Meine gewonnene Essenz aus dieser Zeit, gerade was das Inner Game betrifft, wollte ich hier einmal vorstellen.

Kurz zu meinen Tätigkeiten: 9 Monate als Interviewer, teilweise Vollzeit, mit über 5000 angesprochenen Personen oder Gruppen (im 5 Minuten Takt); 3 Monate als Verkäufer (u.a. Elektromärkte, Kreditkarten - mit dem besten American Express Verkäufer Deutschlands). Von extremer Massenabfertigung mit 300 Personen an einem Tag bis zum erfolgreichen Verkaufsgespräch über mehrere tausend Euro, von unrasiert bis Businessanzug war fast alles dabei. Für die relativ kurze Zeit in der Branche glaube ich mich nicht schlecht zu schlagen.

Zu den vorgestellten mindsets: sie fußen überwiegend aus eigenen praktischen Erlebnissen, Beobachtungen und Experimenten. Die Sicherheit und „Wahrheit“ für mich gewinne ich aus der hohen Kontaktzahl, wobei der sachliche Maßstab immer meine Quoten oder Umsätze waren. Da diese mindsets in erster Linie motivieren sollen, ähnlich wie Affirmationen, sind sie vereinfachend oder beschönigend formuliert, aber niemals aus der Luft gegriffen.

Die mindsets:

1) Die anderen haben mindestens genauso viel Angst, wenn nicht noch mehr

2) Die Reaktion lässt sich nicht sicher vorhersagen

3) Ich mache Menschen glücklich

4) Ich habe das Recht dazu

zu 1) Die anderen haben mindestens genauso viel Angst, wenn nicht noch mehr

(oder: mir kann nichts passieren, ich hab alles schon erlebt)

Wenn man jemanden anspricht, vorzugsweise souverän und mit hohem Power-Level, hat man immer mit einer gewissen Bandbreite von Reaktionen zu rechnen. Irgendwann findet man raus, dass das Verhalten deines Gegenübers mehr über den anderen als über dich aussagt (spätestens wenn eine über lange Zeit optimierte Routine unter den unterschiedlichsten Umständen alle anderen Faktoren ausschließt). Sehr viele sind eingeschüchtert oder verunsichert, auf der anderen Seite gibt es, gerade unter Jugendlichen, Wichtigtuerei oder Egospielchen. Im seltenen Extremfall (weit unter einem Prozent) gab es „Fluchtversuche“ oder verbale Aggressionen, zu Handgreiflichkeiten ist es nie gekommen.

Souveränes, selbstsicheres Auftreten ist selten. Eher beobachtet man, dass vermeintlich gestandene Männer sich von ihren Frauen bevormunden lassen (selbst bei Reinhold Messner herrscht das Matriarchat). Gerade wenn sich jemand überrascht oder emotional betroffen fühlt zeigen sich Unsicherheiten in Form von Ticks oder ausfallendem Verhalten: wedelnde Hände, groteske Hüpfer, absurd-unlogische Kommentare.

„Aggressives“ Verhalten ist ebenso überspielte Angst oder Unsicherheit, einfach weil es keinen Anlass außerhalb des Aggressors gibt – tausende andere, vergleichbare Menschen hatten solch eine Reaktion in der exakt selben Situation nicht nötig.

Angst ist weit verbreitet und zutiefst menschlich: erst letztens habe ich in einer Talkrunde von einem Coach gehört, wie sehr selbst Spitzenmanager davon betroffen sind und nach außen nur eine Fassade vorhalten. Nach meiner Betrachtungsweise sind selbstsichere Menschen diejenigen, vor denen man sich am wenigsten fürchten muß: sie ruhen in sich selbst, sind unabhängig von der Meinung anderer und reagieren gelassen. Jegliche Ego- oder Versteckspielchen haben sie nicht nötig.

Etwas übertrieben gesagt kann man im Prinzip jede unangenehme Reaktion auf Angst oder Unsicherheit zurückführen. Mehr als ein Körnchen Wahrheit steckt auf jeden Fall drin. Als Grundlage für eine ernsthafte Analyse oder Begründung ist das natürlich zu einfach. Aber als praktisches mindset im Feld funktioniert es wunderbar: „absonderliches Verhalten“ amüsiert mich inzwischen mehr, als dass ich irgendwas persönlich nehme.

Im Gegenteil muss man aufpassen letztlich nicht zu arrogant zu werden oder einem Gefühl der Unverwundbarkeit nachzugehen, weil man sich allem überlegen oder zumindest immun fühlt.

Extremste Erfahrung: ein dutzend Jugendliche, die mich u.a. laut gröhlend runtermachen und sabotieren wollten. Hab seelenruhig mein Ding durchgezogen und vor versammelter Mannschaft erfolgreich drei HBs „gegamed“. Dann war auch Ruhe im Laden.

zu 2) Die Reaktion lässt sich nicht vorhersagen

(oder: lass niemanden aus, oft ist es eine angenehme Überraschung)

Nach meiner Erfahrung kann man die Reaktion auf kaltes Ansprechen zu höchstens 70-80 % vorhersagen. Dafür erlebe ich zu oft die unterschiedlichsten Überraschungen: „asoziale Muskelprotze“ sind die friedfertigsten Familienväter, harmlose Mädels mutieren zu arroganten Schnepfen, und irgendwen unter den vielen packt plötzlich die große Kauflust. Also ja nicht versuchen vorher nach irgend einem „Raster“ vorzusortieren, außer man hat den Luxus einer sehr großen Auswahl. Jeder ist eine potentielle Chance.

Einigermaßen Gewißheit hat man erst, nachdem derjenigen den Mund auftut, also nach 0,5 – 2 Sekunden. Dann heißt es „eher leicht“ oder „eher schwer“. Entsprechend nexten oder dranbleiben.

Extremste Erfahrung: supernetter Typ, obwohl er schon etwas Assi aussah. Erzählt mir hinterher in aller Ruhe wie er im Knast saß, weil er jemandem mit einer Art Fleischerhaken das Auge ausstach, nur weil derjenige seiner Freundin auf die Titten gestarrt hatte. Da wurde selbst mir komisch.

zu 3) Ich mache Menschen glücklich

(oder: es wäre ein Verbrechen, es nicht zu tun)

Eine Erfahrung, die ich immer wieder mache: geht man gut gelaunt / mit hohem Power-Level auf die Menschen zu, lassen sich viele davon anstecken. Selbst wenn ich sie erst hartnäckig dazu überreden musste meine „dummen Fragen“ zu beantworten. In seltenen Fällen gab es eine regelrechte Party oder Menschen sind mir hinterher gelaufen trotz des drögen Inhalts meiner Aktion.

Dieses mindset ist von den bisherigen das am meisten „konstruierte“, weil es im Zweifel nur in den wenigsten Fällen zutrifft. Aber egal, selbst wenn man durch seine Aktion nur 5% „glücklich“ macht, auf diese kommt es an. Jeden den man nicht anspricht nimmt man die Chance, an deiner Power, Mission oder sonstwas teilzuhaben. Also spricht man jeden an, als „Botschafter des Glücks“ hat man gefälligst die Pflicht dazu ;) Egal was du jemanden „andrehst“, der nächste könnte hoch erfreut sein.

Die tatsächlichen Fälle, in denen man andere „beglückte“, muss man sich dazu regelmäßig vergegenwärtigen, damit dieses mindset funktioniert. Wenn es eine Frau gab , die „hard to get“, c&f oder sonst etwas ganz toll fand (oder zumindest lächelte), dann darf man allen anderen dies nicht vorenthalten. Klingt etwas zurechtgedreht, was es auch sein mag. Also seine Ziele etwas realistisch halten. Andererseits: wieviele malen sich unrealistische Lottogewinne aus.

Extremste Erfahrung: normale Frau in gewöhnlichem Verkaufsgespräch. Ohne dass ich irgend was besonderes tue kauft sie 5 der teuersten Geräte im Gesamtwert von fast 3000 Euro ohne mit der Wimper zu zucken. Reiner Glückstreffer (weil das im Prinzip jeder geschafft hätte). Aber meine Ausdauer niemanden auszulassen hat sich hier für mich ausgezahlt. In dem Fall war ausnahmsweise ich sehr glücklich.

zu 4) Ich habe das Recht dazu (hier zu sein / das zu tun)

Darf ich das? Menschen belästigen, sie ungefragt ansprechen? Natürlich! Erstens „belästigen“ wir niemanden (s. 3. mindset). Zweitens sind wir legitimiert: die Befragung ist für eine gute Sache, wir Verkaufen ein gutes Produkt, der Standplatz ist bezahlt. Zum Teil muss man von seinem eigenen Produkt überzeugt sein, und wenn man das „Produkt“ selber ist – klappern gehört ansonsten zum Handwerk, genauso wie die Konkurrenz etwas schlechtzumachen. Selbst wenn man dieses Konkurrenzprodukt am nächsten Tag selber verkauft, das ist nunmal die Ironie. Auf Frauen umgemünzt: sich nichts einreden lassen nach dem Motto: „alle Männer sind Schweine!“ Nein, wir haben das Recht das zu tun, was uns wichtig und richtig erscheint. Das gibt einem die Souveränität auf (im Kopf vorweggenommene) Kritik zu reagieren – wir müssen uns nicht rechtfertigen, und wenn dann nur mit den besten Gründen. Das bringt den inneren Kritiker zum schweigen.

Eigene Erfahrung: Ab und an gibt es welche, die sich wegen allem auf den Schlips getreten fühlen. Wenns nach diesen Menschen ginge würde nichts mehr verkauft und kein Baby mehr geboren werden – unsere Wirtschaft würde brachliegen.

Diese vier selbst entwickelte mindsets in Kombination (oder je nachdem was eher zutrifft) hilft mir immer wider Durststrecken, Pechsträhnen oder schwierige Situationen oder Menschen zu überstehen, selbst unter Quoten- oder Provisionsdruck. Immer wider approachen, zu den extremsten Uhrzeiten, ob es kalt ist, ich Magenkrämpfe habe oder ich schon 252 Nieten an einem Stück gezogen habe: man muss sich motivieren, gerade dann wenn es hart wird. Das kann je nach Job ein enormer Drill sein, weswegen ich Promotionjobs gegen Approach Anxiety generell empfehle.

Wie gesagt sind dies alles gelebte Erfahrungen, und ich kann nicht sagen ob und wie es sich auf euch oder andere übertragen lässt. Gerade wenn man selbst Pech hat oder den Anlauf gar nicht kriegt mögen die „fast wissenschaftliche“ Erkenntnisse eines anderen nicht überzeugend sein. Nichts kann die Praxis und eigene Erfahrungen ersetzen. Aber wenn es nicht diese mindsets sind sollte man etwas anderes finden was einen motiviert. Ansonsten hilft noch Kaffee :)

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