Dasselbe passiert hier auch gerade. Ich sehe, ich muss mit meinen Prämissen noch weiter zurückgehen, und noch eine viel fundamentalere Unterscheidung treffen. Du hast was von Naturals geschrieben und sagst, PU würde sich nicht von "normaler" Verführung unterscheiden - was auch immer das sei. capitalcat hat diese Unterscheidung wie du ebenfalls schon kritisiert und gesagt: "PU stellt für mich die alltäglichen Dynamiken zwischen Mann und Frau dar." Und da sage ich: Das ist zu einfach gedacht. Um meinen Standpunkt zu verstehen braucht es einen Exkurs in die Wissenschaftstheorie. Dort gibt es eine Position, die sich "struktureller Realismus" (nach Worrall) nennt, und behauptet, dass beim Wandel von Theorien ein struktureller Gehalt erhalten bleibt. (So gibt es etwa ein Beispiel vom Wechsel der Äthertheorie des Lichts zu Maxwells elektromagnetischer Theorie des Lichts, wo dessen "Struktur" als mathematisches Gebilde erhalten blieb.) So kann man für Verführungssituationen eine bestimmte Struktur der Gegebenheiten annehmen (zum Beispiel, dass es einen Mann und eine Frau gibt). Es fehlt aber der Inhalt, und der wird erst durch die jeweilige konkrete Theorie bestimmt. Man könnte hier sagen, "alltägliche" Verführung ist eine unkonkrete, undifferenzierte Betrachtung von Verführung. PU ist jetzt aber keine bloße Abbildung der unreflektiert erlebten Verführungssituation, sondern geht ideologisch darüber hinaus. Frauen werden etwa nach HB Skalen sortiert, es gibt "Bitch Shields", "IOIs", es gibt "Closes", "Buying temperature" und dergleichen mehr. PU ist da durchaus eine "Form", in die die Verführungssituation gegossen wird, und im Grunde handelt es sich um einen mächtigen ideologischen Überbau. Letztlich würde ich sagen: PU entspricht dem klassischen Bild eines wissenschaftlichen Paradigmas nach Kuhn. Kuhn beschreibt, dass es in Wissenschaften Paradigmen gibt, die die "Denkwelt" eines Wissenschaftlers vorgeben, und die letztlich einander abwechseln; also grundsätzlich nicht beständig sind. So etwa der Wechsel von einem geozentrischen zu einem heliozentrischen Weltbild oder von einer behavioristischen zu einer humanistischen Psychologie. Theorien unterliegen dabei einem Wandel, der durch Revolutionen eingeleitet wird; und eine Theorie kann nur dann abgelöst werden, wenn eine andere bereit ist, ihren Platz einzunehmen. Das Paradigma gibt dabei Denkregeln vor und definiert überhaupt erst, was als Gegenstand und was als Problem der Theorie gelten darf. PU ist eine bestimmte Sicht auf Verführung, die definitiv keiner "alltäglichen" Auffassung von Verführung entspricht. Es ist ein eigenes Theoriengebäude mit seinen eigenen Regeln und seinen eigenen Gesetzen. Daher auch meine Bezeichnung als geschlossenes bzw. halb-geschlossenes System - denn die Theorie, dh PU, bestimmt, auf welche Weise eine Verführungssituation in den Blick gerät und die Theorie bestimmt, auf welche Weise Probleme gelöst werden dürfen. PU ist nicht "alltägliche" Verführung. PU ist eine ganz bestimmte Art, Verführungssituationen zu begreifen und entspricht keiner "natürlichen" Veranlagung. PU ist ein künstlich geschaffenes Theoriegebilde. Aus diesem Grund kann ich auch die Kritik an meinen Behauptungen verstehen - denn Menschen, die in einem bestimmten Paradigma denken und leben, tun sich schwer, sich außerhalb dieses Paradigmas zu bewegen bzw. ein Außerhalb überhaupt anzuerkennen. Das passiert meiner Meinung nach auch hier. Es wird geleugnet, dass PU ein Paradigma ist. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Vergleich mit RedPill: Hier stehen mit PU und RP zwei Paradigmen nebeneinander, die um die Vorherrschaft konkurrieren. Genau das haben wir hier im Forum erlebt. Eben nicht.