Faktencheck: Wenn Forschung wie Gaslighting wirkt und Verschwörungstheorien verbreitet

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1 EINLEITUNG
Zunehmend werden frauenfeindliche Bilder und Narrative im virtuellen öffentlichen Raum des Internets verbreitet und befeuern eine „Online-Hasskultur“ (Moloney/Love 2018: 2). Online-Misogynie kann viele Formen annehmen, von Hassrede im Netz über sexualisierte Cyber-Belästigung bis hin zu digitaler Gewalt gegen Frauen. Diese frauenfeindlichen Handlungen im virtuellen Raum sind keineswegs trivial und tatsächlich mehr als „nur Worte“ (Ging/Siapera 2018: 520). Online-Hass und Morddrohungen können leicht in reale Gewalt gegen Frauen eskalieren – wie die Morde von Isla Vista in Kalifornien im Jahr 2014 und der Amoklauf mit einem Fahrzeug in Toronto 2018 auf brutale Weise zeigen. Die Auswirkungen von Online-Misogynie sind weitreichend, wie viele Studien belegen (Barker/Jurasz 2019; Bladini 2020; Chess/Shaw 2015; Massanari 2017; Poland 2016; Vitak et al. 2017). Frauen, die solcher Hassrede und Belästigung ausgesetzt sind, erleben hohe Stress- und Angstniveaus (Amnesty International 2017; Ging/Siapera 2018: 520) und neigen infolgedessen dazu, sich nicht mehr öffentlich (politisch) zu äußern oder sich vollständig aus dem virtuellen öffentlichen Leben zurückzuziehen. Dieses Problem betrifft nicht nur Frauen, die sich aktiv im Online-Feminismus engagieren – etwa in der #MeToo-Bewegung –, sondern alle Frauen, die für ein emanzipiertes Leben einstehen und damit traditionelle Geschlechterverhältnisse infrage stellen (Dickel/Evolvi 2023; Ging/Siapera 2018).

Anti-feministische und frauenfeindliche Maskulinisten bilden die sogenannte „Manosphere“ (ISD 2022a), die allgemein als ein „Konglomerat aus Blogs, Websites und Foren“ beschrieben werden kann (Rothermel et al. 2022: 122). Dieses Online-Milieu schafft ein toxisches virtuelles Umfeld, in dem frauenfeindliche Narrative, Hass und Gewalt mobilisiert werden, um Frauen zu „disziplinieren“ und zum Schweigen zu bringen. Eine Vielzahl maskulinistischer Gruppen mit unterschiedlichen ideologischen Ausrichtungen ist in der Manosphere aktiv, doch sie eint der Glaube an eine natürliche Ungleichheit der Geschlechter und männliche Überlegenheit (Rothermel et al. 2022: 122). Wie zahlreiche Studien zeigen, überschneidet sich dieses frauenfeindliche und männlich-suprematistische Denken häufig mit antiliberalen, rechtsextremen, rassistischen und antisemitischen Weltanschauungen, die mit individueller Freiheit, Gleichheit und der liberal-demokratischen Ordnung unvereinbar sind (DiBranco 2022; Ging 2019; Kaiser 2020; Rothermel 2023). Tatsächlich bedroht die Manosphere die Grundfesten liberaler Demokratien. Sie leugnet nicht nur fundamentale Rechte von Frauen auf individuelle Selbstbestimmung, körperliche Unversehrtheit und Autonomie, sondern beschneidet auch ihre Meinungsfreiheit sowie ihre politischen und öffentlichen Teilhaberechte (Barker/Jurasz 2019: 102). Wie Karla Mantilla überzeugend darlegt, geht es bei dieser Online-Belästigung darum, Geschlechtergrenzen zu überwachen und mit Beleidigungen, Hass sowie Gewalt- und/oder Vergewaltigungsandrohungen sicherzustellen, dass Frauen und Mädchen entweder ausgeschlossen oder auf untergeordnete Rollen in männlich dominierten Bereichen reduziert werden (2013: 568; siehe auch Ging 2019; Moloney/Love 2018). Letztlich schafft die Manosphere ein Umfeld, das Frauen daran hindert, sich öffentlich zu äußern oder gleichberechtigt mit Männern an öffentlichen Aktivitäten teilzunehmen.

Eine beträchtliche Anzahl wissenschaftlicher Arbeiten hat sich mit dem Phänomen der Manosphere befasst – vor allem aus feministischer Perspektive und aus Disziplinen wie Soziologie, Politikwissenschaft sowie Medien- und Kommunikationswissenschaft. Diese Studien konzentrieren sich vorwiegend auf verschiedene Untergruppen der Manosphere (Rothermel et al. 2022: 117), die meist transnational agieren. Eine plattformübergreifende und gruppenübergreifende Untersuchung der Manosphere im deutschen Kontext – der von uns so bezeichneten „GerManosphere“ – fehlt bislang. Zudem werden frauenfeindliche Online-Communities häufig als homogen und monolithische Echokammern dargestellt (Rothermel et al. 2022: 117). Über die Vielfalt innerhalb dieser Communities sowie über deren Netzwerke und Interaktionen wissen wir bislang wenig.

Diese Pilotstudie hat zum Ziel, die GerManosphere in zwei Schritten zu kartieren: Erstens identifiziert sie die verschiedenen Untergruppen, deren Merkmale und Narrative; zweitens veranschaulicht sie deren Netzwerke und zeigt Verbindungen sowie Interaktionen zwischen den unterschiedlichen Communities und Subgruppen auf. Besonders interessiert uns, ob kontextuelle Faktoren wie nationale Geschlechternormen sowie Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit das Wirken dieser Communities beeinflussen. Als Pilotstudie zielt diese Untersuchung nicht darauf ab, eine abschließende Analyse der Manosphere in Deutschland zu liefern. Vielmehr soll sie das Forschungsfeld sondieren und Ausgangspunkte für weiterführende Studien schaffen.

Die Studie ist wie folgt aufgebaut: Das nächste Kapitel gibt einen Überblick über die bestehende Literatur zur Manosphere und präsentiert zentrale Erkenntnisse über die verschiedenen Untergruppen sowie über die theoretischen Konzepte von Misogynie und Männlichkeit, die dieser Untersuchung zugrunde liegen. Anschließend folgt das Methodenkapitel, das die Kriterien der Stichprobenauswahl erläutert und die zur Datenerhebung und -analyse verwendeten Methoden beschreibt. Danach werden die Ergebnisse in zwei Teilen vorgestellt: Der erste Teil präsentiert die verschiedenen in der deutschen Manosphere identifizierten frauenfeindlichen Communities, ihre Merkmale und spezifischen Narrative. Der zweite Teil zeigt auf, ob und wie diese Gruppen miteinander vernetzt sind und ein aktives Netzwerk bilden. Die Studie schließt mit Empfehlungen für verschiedene gesellschaftliche Akteure.

 

2 ONLINE-MISOGYNIE IN DER MANOSPHÄRE: FORSCHUNGSÜBERBLICK

Seit über einem Jahrzehnt wird zur Online-Misogynie in der Manosphäre geforscht. Besonders Wissenschaftler*innen aus der feministischen Medienforschung konzentrieren sich darauf, „Handlungen der Online-Misogynie zu katalogisieren und zu benennen“ (Moloney/Love 2018: 5), die sich entweder gegen einzelne Frauen oder gegen Frauen als soziale Gruppe richten. Es existiert eine Fülle an Literatur, die verschiedene Formen von Online-Belästigung beschreibt – von „Gender-Trolling“ (Dafaure 2022; Mantilla 2013), sexualisierten Memes, Vergewaltigungsandrohungen oder -„witzen“ (Dickel/Evolvi 2023; Powell/Henry 2017), Cybermobbing bis hin zu Doxxing (z. B. Windisch et al. 2022; Vitak et al. 2017). Diese Belästigungsformen werden häufig unter dem Begriff „e-bile“ (Jane 2012; 2014) analysiert. Dieser Begriff bezeichnet „eine Vielzahl von denunziatorischen Ausdrucksformen mit charakteristischen Merkmalen“, darunter „extreme Schmähungen, sexualisierte Gewaltandrohungen und eine spielerische Bösartigkeit, die zu einem prägenden Ton der Internetkommunikation geworden sind“ (Jane 2012: 532, Hervorhebung im Original).

Zahlreiche Wissenschaftlerinnen untersuchen zudem die Auswirkungen solcher Belästigungen und verweisen auf die psychologischen wie strukturellen Folgen von Online-Misogynie (Barker/Jurasz 2019; Bladini 2020; Chess/Shaw 2015; Massanari 2017; Poland 2016; Vitak et al. 2017). Diese Studien belegen deutlich, dass die Manosphäre Exklusivität und strukturelle Ungleichheiten im virtuellen Raum fördert, indem sie „öffentliche und politische Stimmen von Frauen zum Schweigen bringt, Frauen aus öffentlichen Räumen verdrängt und jegliche Bemühungen um Geschlechtergleichstellung im öffentlichen Raum untergräbt“ (Barker/Jurasz 2019: 100; siehe auch Bladini 2020; Ging/Siapera 2018). Die technischen Strukturen sozialer Medien, Gaming-Plattformen und Blogs sowie deren Anonymität erschweren die Regulierung dieser Räume (Ganesh 2018) und ermutigen so Belästigerinnen, ihrem Hass – oft in extrem gewalttätiger Form – freien Lauf zu lassen (siehe auch Rothermel 2020). Dieses Spektakel des Hasses ist Ausdruck der aktuellen „Überschreitung kultureller Normen und Werte“ (Gaufman/Ganesh 2024: 2). Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass Misogynie in der digitalen Hasskultur mit rassistischen und weiß-suprematistischen Ideologien verknüpft ist (Jasser/Hammer 2022; Mamié et al. 2021; Pruden et al. 2022). Diese Ideologien basieren häufig auf dem Wunsch, gesellschaftliche Hierarchien einer vermeintlich „goldenen Vergangenheit“ wiederherzustellen – einer Zeit, in der „Männer unangefochten an der Spitze“ (Pruden et al. 2022: 218) standen.

Spezifischere Analysen zu Untergruppen der Manosphäre wie Incels (Kracher 2020; Sugiura 2022), Pick-Up Artists (PUAs) (Dayter/Rüdiger 2016), misogynen Männerrechtsaktivisten (MRAs) (de Coning 2021) oder Men Going Their Own Way (MGTOW) (Lin 2017) zeigen deutlich, dass diese Gruppen biologische oder kulturelle Essentialismen über Geschlechterverhältnisse und männliche Überlegenheit verbreiten. Besonders intensiv wurde die Incel-Ideologie analysiert (Baele et al. 2019), auch im Bereich der Terrorismus- und Kriminalitätsforschung – vor allem aufgrund zahlreicher Gewalttaten, die mit der Incel-Community in Verbindung gebracht werden. Mehrere Arbeiten beschäftigen sich mit der sicherheitspolitischen Relevanz dieser Online-Communities (Hoffman et al. 2020; Zimmerman 2022).

Feministische Forscher*innen fordern, Incels und die Manosphäre als politische Bewegung statt als Identität zu betrachten, die anfällig für Radikalisierung sei (Carian et al. 2023; Gentry 2022). Sie kritisieren insbesondere die Fixierung auf die psychische Gesundheit von Incels, die Misogynie als Symptom individualisiert und dadurch die Verantwortung misogyn handelnder Individuen und Gruppen verschleiert. Diese Perspektive entspricht auch der verbreiteten Tendenz, jegliche misogyn motivierte Gewalt pauschal Incels zuzuschreiben und damit andere Formen der Misogynie zu verdecken (Jasser et al. 2020).

Die Aktivitäten der Manosphäre richten sich gegen Feministinnen sowie gegen alle Frauen (und geschlechtsnonkonforme Personen), die die binäre Geschlechterordnung infrage stellen und patriarchale Normen unterwandern. Die angebliche „Unterdrückung“ von Männern und ihrer Männlichkeit wird dabei zur Ausgangsthese, aus der sich tief verankerte misogyne und gewaltvolle Haltungen entwickeln (Johannsen 2021; Lounela/Murphy 2023). Die Forschung zeigt: Das Gefühl männlicher Anspruchshaltung ist ein zentraler Auslöser für misogynes Verhalten, denn die Ablehnung der als selbstverständlich erachteten männlichen Überlegenheit wird als Kränkung und damit als Form von Viktimisierung erlebt.
Diese Wahrnehmung männlicher Opferrolle in einem System der „verlorenen Vorherrschaft“ verstärkt das Narrativ, dass traditionelle Männlichkeit gefährdet oder bereits zerstört sei. Feminismus wird in diesem Weltbild zum „Feind“, verantwortlich für den Zusammenbruch männlicher Dominanz. Diese angebliche Bedrohung dient als Rechtfertigung für Angriffe auf den Feminismus, den Wiederaufbau männlicher Vorherrschaft und die dafür als notwendig erachtete Gewalt.

Studien zeigen, dass dieses Verständnis ein zentrales Mobilisierungsnarrativ innerhalb der Manosphäre darstellt (Bengtsson Meuller 2024; DiBranco 2022; Dickel/Evolvi 2019; Rothermel et al. 2022). Daher betonen Forscher*innen die politische Dimension dieser Online-Communities (O’Donnell/Shor 2022). Valerie Dickel und Giulia Evolvi sprechen in diesem Zusammenhang von „vernetzter Misogynie“ und verdeutlichen damit die gezielte, politisch koordinierte Natur solcher Praktiken, die ein „toxisches Unterstützungssystem für Männer schaffen, um sexistische Narrative und Ideologien zu verbreiten, die Frauen und Feminismus kriminalisieren“ (2023: 1395). In dieser Literatur steht Misogynie nicht nur für ein Gefühl des Frauenhasses. Vielmehr wird – in Anlehnung an Kate Mannes einflussreiches Buch Down Girl. The Logic of Misogyny – Misogynie „am produktivsten als politisches Phänomen verstanden“ (2019: 33, Hervorhebung im Original). Manne zeigt, dass Misogynie „innerhalb einer patriarchalen sozialen Ordnung funktioniert, um die Unterordnung von Frauen zu überwachen und durchzusetzen und männliche Dominanz aufrechtzuerhalten“ (2019: 33). Misogynie ist damit nicht „nur“ ein Affekt, sondern – wie Manne es ausdrückt – die „Exekutive“ einer patriarchalen Ordnung (2019: 63). Misogyne Handlungen sind also nicht zufällig, sondern strategisch und politisch motiviert, um Frauen und Mädchen zu sanktionieren, die patriarchale Normen herausfordern. Dieses Verständnis von Misogynie bildet die Grundlage der vorliegenden Studie.

Ein weiterer Strang der Forschung befasst sich mit Männerbildern und Männlichkeiten innerhalb der Manosphäre. Debbie Ging (2019) analysiert unterschiedliche Performanzen von Männlichkeiten in digitalen Räumen. Sie unterscheidet zwischen „Alpha-“ und „Beta-Männlichkeiten“ und argumentiert, dass marginalisierte Männlichkeiten wie die „Geek-Männlichkeit“ innerhalb digitaler Räume die Anwendung des Konzepts hegemonialer Männlichkeit verkomplizieren (Ging 2019: 642). Sie verwendet das Konzept der hybriden Männlichkeit, um zu zeigen, wie marginalisierte Männlichkeiten dazu beitragen, die Grenzen hegemonialer Männlichkeit aufrechtzuerhalten, indem sie bestimmte Geschlechtererwartungen unterlaufen, um Feminismus zu bekämpfen und Online-Räume als homosoziale Umgebungen zu sichern (Ging 2019: 652).

Neben der wachsenden internationalen Forschung zur Manosphäre gibt es zunehmend auch Studien zu deutschen Online-Milieus. Susanne Kaiser (2020) untersucht die Mobilisierung patriarchaler Ressentiments in Deutschland, den USA und in transnationalen Netzwerken. Andreas Kemper (2012) analysierte bereits früh deutsche antifeministische Aktivitäten und ihre Verschwörungsnarrative, die zu jener Zeit vor allem auf Webseiten statt auf sozialen Medien stattfanden. In neueren Arbeiten kartiert er verschiedene deutsche antifeministische Narrative in neoliberalen, konservativen und rechtspopulistischen Strömungen (Kemper 2024). Die Amadeu Antonio Stiftung (2021) veröffentlichte eine Studie über frauenfeindliche Online-Subkulturen, in der Ideologie, Strategien und Bildsprache von Manosphäre-Gruppen wie Incels beleuchtet wurden. Die Bundesarbeitsgemeinschaft „Gegen Hass im Netz“, ein deutsches Forschungs- und Netzwerkprojekt, hat Online-Misogynie und die Manosphäre europaweit untersucht – mit Fallstudien und quantitativen Analysen. In ihrer Studie Tracing Online Misogyny analysierten Corinna Dolezalek und ihr Forschungsteam unter anderem deutsche Incels und Pick-Up Artists (BAG „Gegen Hass im Netz“ 2024).

Im weiteren Verlauf dieses Kapitels werden Erkenntnisse aus der Literatur zu spezifischen Sub-Gruppen der Manosphäre näher betrachtet. Die Literatur unterscheidet fünf zentrale Gruppierungen: Pick-Up Artists (PUAs), Men Going Their Own Way (MGTOW), Vertreter*innen verschiedener „Red Pill“-Ideologien („Redpillers“), Männerrechtsaktivisten (MRAs), einschließlich Väterrechtsaktivisten (FRAs), sowie Incels (involuntär zölibatäre Männer). Der folgende Abschnitt bietet einen kurzen Überblick über diese Gruppen und greift dabei auf die aktuellste Literatur zurück.

 

2.1 PICK-UP ARTISTS

Pick-Up Artists (PUAs) oder deren Vorläufer existieren in verschiedenen Formen seit den 1970er Jahren, als die sogenannte „Verführungsszene“ entstand. Folglich ist diese Untergruppe Gegenstand umfangreicher Forschung, u. a. zur Kommunikation innerhalb der Community, z. B. zur Selbstbeweihräucherung (Rüdiger/Dayter 2020), dem Herunterspielen oder Ignorieren von Zurückweisungen (Scotto di Carlo 2023), ihrer Rolle bei der Entstehung der Incel-Community (Bratich/Banet-Weiser 2019) sowie dem spielerischen Charakter ihres Ansatzes (Almog/Kaplan 2015).

PUAs bilden eine lose Untergruppe innerhalb der Manosphere und handeln nach den Prinzipien der „Pick-Up Artistry“, einer „Kunst“, die die „relative Geschwindigkeit hervorhebt, mit der der Protagonist Intimität mit seinem Gegenüber erreichen kann“ (Hambling-Jones/Merrison 2012: 1115). Selbsternannte „Dating-Coaches“, „Beziehungscoaches“ und „Pick-Up Artists“ bieten Beratung an und erstellen Inhalte, in denen Techniken und Strategien zur Verführung von Frauen durch Spieltaktiken, Skripte, Übungen und Routinen gelehrt werden. Die Objektivierung von Frauen zeigt sich in Sprache und Handlung – Frauen werden etwa als „Ziel“ oder „Hindernis“ beschrieben oder auf einer Skala von 0 bis 10 bewertet (Rüdiger/Dayter 2020).

Ein weiteres zentrales Thema ist die Hypergamie, also der Glaube, dass Frauen danach streben, sozial aufzusteigen („to marry up“). Demnach bevorzugen Frauen stets Männer mit dem höchsten verfügbaren „Sexual Market Value“ (SMV) – eine ökonomische Metapher, die ein zentrales Narrativ der PUAs darstellt. Das führe laut PUAs dazu, dass Frauen Beziehungen beenden, um Männer mit höherem Status zu finden, wodurch Männer „zurückgelassen“ und als Opfer dargestellt werden (Rothermel et al. 2022). Diese angeblich biologisch bedingte Hypergamie sei auch verantwortlich dafür, dass Männer mit geringem SMV Single bleiben. Die Wünsche von Frauen sind für PUAs von begrenztem Interesse.

Auf Basis dieser Ideen verfolgen PUAs hauptsächlich zwei Strategien: eine konzentrierte Anstrengung zur Verbesserung männlichen Verhaltens gegenüber Frauen durch das Studium weiblicher Psychologie sowie ein starker Fokus auf den männlichen Körper, orientiert an den für PUAs zentralen Männlichkeitsidealen. Im Vergleich zu anderen Manosphere-Untergruppen fördern PUAs weniger direkt eine antifeministische Agenda (McGlashan/Krendel 2023), sondern konzentrieren sich stärker auf Selbstverbesserung und individuelle Erfolgsstrategien. Einige PUAs betreiben erfolgreiche Social-Media-Kanäle, geben Dating- und Lebensratschläge und bewerben kostenpflichtige Angebote.


 

2.2 MEN GOING THEIR OWN WAY

„Men Going Their Own Way“ (MGTOW) lehnen Beziehungen zu Frauen ab. Einige Mitglieder dieser Community haben zwar weiterhin Dates oder Sex mit Sexarbeiterinnen, lehnen aber langfristige Beziehungen ab. Sie glauben, dass Männer Frauen grundsätzlich überlegen seien, und sehen sich in der Tradition kreativer Genies wie Beethoven, van Gogh oder Jesus (Rothermel et al. 2022: 217). MGTOW vertreten hierarchische Theorien zu Geschlechterverhältnissen, wobei manche Frauen als parasitär betrachten (vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft „Gegen Hass im Netz“ 2024: 41).

Neben sexistischer und frauenfeindlicher Ideologie findet sich bei einigen MGTOW auch eine rassistische Einordnung von Frauen nach ethnischer Zugehörigkeit. Ethnien, deren Frauen sie als besonders unterwürfig wahrnehmen, schneiden dabei am besten ab. Diese Vermischung sexistischer und rassistischer Narrative zeigt die Schnittstelle zwischen Rassismus und Misogynie. Weitere empirische Studien untersuchen das Online-Verhalten dieser Subgruppe (Górska et al. 2022: 3776; 3789).

Einige MGTOW äußern die Angst, von Frauen fälschlich der Vergewaltigung beschuldigt zu werden (vgl. Lin 2017: 86). Sie sind zudem überzeugt, dass Scheidungsgesetze und andere Teile des Rechtssystems gezielt männerfeindlich ausgestaltet seien – als Teil einer Industrie, die Frauen bevorzuge (Rothermel et al. 2022: 127–128). Diese Überzeugung ist Teil der weiter gefassten MGTOW-Behauptung, dass die Gesellschaft „gynozentrisch“ organisiert sei (Lin 2017: 78) und Frauen bevorzuge. MGTOW glauben, dass diese soziale Schieflage und der Einfluss des Feminismus die Gesellschaft zerstören werden.

MGTOW gingen in den späten 1990er Jahren aus der Männerrechtsbewegung (MRM) hervor und entwickelten sich zu einer eigenen Strömung (Rothermel et al. 2022: 122). Laut Scott Wright, Verity Trott und Callum Jones (2020):

MGTOWs fördern einen separatistischen Ansatz, bei dem Männer ein selbstbestimmtes Leben abseits von Frauen führen. Anstatt an kollektiven Protesten teilzunehmen oder soziale Reformen wie MRAs zu fordern oder direkte Gewalt und Terrorakte wie manche Incels zu begehen, wählen MGTOWs den Weg, „ihr eigenes Ding zu machen“ (Wright et al. 2020: 910).

Obwohl MGTOW behaupten, sie wollten in Ruhe gelassen werden, beteiligen sich Anhänger häufig an frauenfeindlicher Online-Belästigung (Jones et al. 2020). In einer Untersuchung von MGTOW-Tweets im Zusammenhang mit Belästigung stellten Jones, Trott und Wright (2020: 11) fest, dass diese vor allem beiläufig sexistisch seien: „Die häufigsten Formen der Belästigung waren beiläufiger Sexismus (38 %), Entmännlichung (16 %) und Antifeminismus (13 %).“ Studien zu MGTOW-Foren zeigen zudem ein hohes Maß an Gewaltverherrlichung (Farrell et al. 2019) und toxischem Diskurs (Horta Ribeiro et al. 2021). Eine quantitative Analyse von MGTOW-Tweets belegt, dass die Community trotz ihres separatistischen Selbstbilds Frauenemanzipation aktiv angreift und männliche Privilegien verteidigen will (Górska et al. 2022: 3776).


 

2.3 INVOLUNTARY CELIBATES (INCELS)

Incels („unfreiwillig Zölibatäre“) umfassen unterschiedliche Strömungen. Gemein ist ihnen die Überzeugung, dass sie gegen ihren Willen sexuell enthaltsam leben und unter dem Fehlen einer Beziehung leiden. Allerdings unterscheiden sich Incels in ihrer Einschätzung der Ursachen – sowohl ihrer individuellen Situation als auch einer gesellschaftlichen Krise – sowie in den Lösungen, die sie vorschlagen.

Innerhalb des Incel-Milieus gibt es resignierte Stimmen, die keine Hoffnung mehr auf romantische Partnerschaften haben und Verzweiflung oder Nihilismus äußern. Einige Incels sehen Gewalt als legitimes Mittel der Vergeltung für die von ihnen wahrgenommene soziale Ungerechtigkeit. Andere entwickeln politische Visionen, verknüpfen Ursachen und Lösungen mit rechtsextremen Gesellschaftsbildern oder diskutieren utopische Gegenmodelle. Es finden sich auch Diskussionen über individuelle Verbesserungsmaßnahmen, etwa durch sogenanntes „looksmaxxing“, um attraktiver für Frauen zu werden.

Ein zentraler Gedanke misogyner Incels ist das Gefühl, ein Recht auf Sex und Beziehungen mit Frauen zu haben, und dass ihre unfreiwillige Enthaltsamkeit eine Form der Unterdrückung sei. Manche beschreiben fehlenden Sex gar als „umgekehrte Vergewaltigung“ (Kini 2017). Viele Incels glauben, dass sie aufgrund ihres Aussehens keinen Sex haben, halten sich selbst für hässlich und gehen davon aus, dass Frauen nur mit attraktiven Männern intim werden. Diese Männer bezeichnen sie abwertend als „Chads“, denen sie zwar Erfolg zuschreiben, die sie aber auch hassen, weil sie sie für ihr eigenes Scheitern verantwortlich machen.

Neben „Chads“ geben Incels auch Frauen die Schuld. Ähnlich wie PUAs gehen sie davon aus, dass Frauen einer hypergamen Partnerwahlstrategie folgen (ISD 2022), bei der Männer mit niedrigerem Status keine Chancen haben. Diese Strategie sei durch Feminismus und größere Gleichstellung verschärft worden, weil Frauen nun aus einer größeren Auswahl an Partnern wählen könnten. Incels empfinden dies als ungerecht, da viele sich zur Sexualität und Gesellschaft von Frauen berechtigt fühlen. Die Incel-Community verbreitet stark frauenverachtende Ansichten, fantasieren teils offen über die Auslöschung von Frauen (vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft „Gegen Hass im Netz“ 2024: 49).

In Incel-Foren sind daher misogyne Inhalte weit verbreitet, darunter stereotypisierende Aussagen über Frauen, Befürwortung sexualisierter und häuslicher Gewalt sowie offene Entmenschlichung. Die gewaltvolle Misogynie der Incel-Ideologie war wiederholt Antrieb tödlicher Angriffe in den USA und Kanada (ISD 2022). Manche Incels feiern die Täter solcher Angriffe als „Heilige“ (zur „Saints Culture“ siehe Manzi 2024) und sprechen vom „Going ER“ (Anspielung auf den Isla-Vista-Angreifer) oder „Doing an hERo“ (Bezeichnung für einen Selbstmordanschlag). Andere distanzieren sich von Gewalt und sehen sich zu Unrecht verunglimpft, wenn gewalttätige Incels erwähnt werden.

Beobachter vermuten, dass die Täter der Terroranschläge 2019 in Halle und 2020 in Hanau Incels gewesen sein könnten. Zwar äußerten beide Täter frauenfeindliche Ansichten (Jasser et al. 2020), jedoch gibt es keine stichhaltigen Belege für ihre Zugehörigkeit zur Incel-Community.

Der deutsche Incel-Szene fehlt es derzeit an quantitativen Erfassungen durch Sicherheitsbehörden (NDR, o. D.). Laut einer Untersuchung von Moonshot, einem Unternehmen im Bereich Deradikalisierung, existierten zwischen 2017 und 2020 etwa 189 deutschsprachige Accounts in einem bekannten Incel-Forum (Radicalisation Awareness Network 2021: 12). Moonshot schätzt die Zahl der Incels in Deutschland auf etwa 1.000 (Amadeu Antonio Stiftung 2021: 26). Die Szene agiert international, nutzt internationale Foren und zeigt bislang nur wenige eigenständige deutschsprachige Kanäle oder Websites.

 

2.4 MÄNNERRECHTSAKTIVISTEN

Männerrechtsaktivisten (MRAs) wurden insbesondere im Hinblick auf die von ihnen geteilten Beschwerden in Online-Räumen untersucht, zum Beispiel auf Reddit (Rafail/Fraitas 2019). Ebenso wurde ihre Verwendung spezifischer Narrative erforscht, wie etwa ihre Behauptungen über falsche Anschuldigungen sexueller Übergriffe, die als Gegenerzählung zur Diskussion über „rape culture“ dienen (siehe Kettrey et al. 2024).

Allgemein bilden MRA-Verbände und andere verwandte Gruppen eine Gemeinschaft, die davon überzeugt ist, dass Männer durch den Feminismus benachteiligt werden. Sie argumentieren, dass eine maskulinistische Gegenbewegung notwendig sei, um Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen im moderaten Sinne zu erreichen – oder in radikaleren Auslegungen – um eine traditionelle patriarchale Weltordnung wiederherzustellen (Dragiewicz 2011). Auch als „Maskulinisten“ bezeichnet, sehen sich MRAs als Opfer eines „staatsgestützten Feminismus“ (Kemper o. D.).

Im Unterschied zu Diskursen rund um Incels oder PUAs versuchen MRAs häufig, ihre Argumente zu „formalisieren“, indem sie sie in akademischen Begriffen formulieren und manchmal als formale Stellungnahmen an die Bundesregierung einreichen (Beck et al. 2024), um ihren Forderungen einen legitimen Anschein zu verleihen. Einige MRAs arbeiten mit breiteren antifeministischen Bewegungen zusammen, wobei Antifeminismus wie folgt definiert werden kann: „Antifeminismus beschreibt die Gegenbewegung zu emanzipatorischen oder feministischen Idealen, die auf sexistische Strategien und Taktiken zurückgreift. Antifeministen stellen sich gegen Gleichstellungsbemühungen und die demokratische Aushandlung von Geschlechterverhältnissen“ (Drath/Hevesi 2025: 6; siehe auch Höcker et al. 2020: 249–282).

Ein wiederkehrendes Thema innerhalb der MRA-Communities sind berechtigte Anliegen bezüglich der Männergesundheit und psychischen Gesundheit. Diese Themen werden häufig als von der Gesellschaft ignoriert dargestellt, während weibliche Gesundheitsprobleme angeblich übermäßig viel Aufmerksamkeit erhalten. Weitere prominente Themen umfassen elterliche Entfremdung und eine vermeintliche Voreingenommenheit bei Scheidungen und Sorgerechtsfragen. Auch wenn einige dieser Anliegen berechtigt sein mögen, neigt ein Großteil der Inhalte von MRAs dazu, antifeministische und teils auch misogyne Rhetorik zu verbreiten – mit Ausprägungen von mild bis radikal (Rosenbrock 2012).

MRAs argumentieren, dass „Gynozentrismus“ in der Gesellschaft allgegenwärtig sei – insbesondere in Rechtssystemen und Gesetzen, die Frauen bevorzugen würden, vor allem bei Scheidungen und in Vergewaltigungsprozessen. Auch die moderne Ehe wird als gynozentrisch betrachtet und stelle angeblich eine übermäßige finanzielle und emotionale Belastung für Männer dar. Dieses Glaubenssystem männlicher Opferrolle – mit dem Kern, dass Frauen und Feminismus für den wahrgenommenen Statusverlust der Männer verantwortlich seien – führt zu sprachlichen und ideologischen Überschneidungen zwischen MRAs, Incels und PUAs.

Während MRAs für systemischen Wandel durch Lobbyarbeit und gesetzgeberische Reformen in Bereichen wie Ehe, Sorgerecht und sexuelle Einwilligung eintreten (Han/Yin 2022), vertreten andere verwandte Gruppen wie MGTOW und Incels die Ansicht, dass systemischer Wandel unmöglich sei.

Eine Untergruppe der MRAs sind die Väterrechtsaktivisten (FRA). Diese Gruppen behaupten, dass Väter durch den Feminismus überproportional benachteiligt werden, insbesondere in Fragen des Umgangsrechts, der Kinderbetreuung und des Unterhalts. Misogyne FRA-Gruppen rahmen ihren Diskurs jedoch oft mit feindseligen Narrativen, etwa durch Vorwürfe des „Gold Diggers“ oder Darstellungen von Müttern als egoistisch oder selbstbezogen. Mehrere Webseiten fassen die Forderungen und Aktivitäten deutschsprachiger Väterrechtsgruppen zusammen. Auch wenn ihre spezifischen Ziele in Details variieren, folgen ihre übergeordneten Forderungen und Behauptungen einem einheitlichen Muster. Eine investigativ-journalistische Recherche der NGO Correctiv aus dem Jahr 2023 zeigte Verbindungen deutscher FRA zu anderen Akteuren der Manosphere sowie zu rechten Politikern (Keller 2023).


 

2.5 REDPILLER

Incels, PUAs, MRAs und andere Gruppen beziehen sich häufig auf „Red Pills“ und andere metaphorische „farbige Pillen“, wobei jede Pille für eine bestimmte Weltsicht steht. Die Klassifikation dieser „Pillen“ basiert auf der Vorstellung, dass Menschen mit einer anderen Weltsicht gegen die vorherrschende Meinung verstoßen. Die Metapher stammt aus dem Science-Fiction-Film „The Matrix“ (1999), in dem der Protagonist zwischen einer blauen und einer roten Pille wählen muss. Die rote Pille offenbart ihm die düstere Realität einer von Maschinen beherrschten postapokalyptischen Welt.

In der Manosphere dient die „rote Pille“ als Metapher für das Erwachen gegenüber einer angeblich feministischen Manipulation der Gesellschaft. Wer die rote Pille nimmt, glaubt, die Wahrheit erkannt zu haben: dass Feminismus Männlichkeit untergräbt und Männer ihre Kontrolle zurückerlangen müssen.

Im Kontext der Manosphere glauben „Redpiller“, sie seien aus der Ignoranz erwacht und würden erkennen, dass Männer Opfer einer gynozentrischen Weltordnung seien. Unter Incels führt dieser Glaube oft zur Annahme, Männer hätten ein Anrecht auf Sex und Frauen müssten ihnen daher sexuell zur Verfügung stehen.

Diskussionen darüber, „wie man andere redpillt“ oder „die rote Pille nimmt“, sind zentral für diese Ideologie. Personen, die diese Sichtweise nicht teilen, gelten als „blue-pilled“, also unwissend gegenüber den „Wahrheiten“ der Redpiller. Die „schwarze Pille“ hingegen, vor allem unter Incels verbreitet, steht für völlige Verzweiflung oder Nihilismus – die Überzeugung, dass das System nicht verändert werden kann und man seine Einsamkeit und Unfähigkeit zu Liebe und Glück akzeptieren muss (Halpin 2022).

Zur Stützung ihres Glaubens an männliche Überlegenheit greifen Redpiller häufig auf Geschlechteressenzialismus und evolutionäre Psychologie zurück (Botto/Gottzén 2024). Die Red-Pill-Ideologie ist auch mit anderen Verschwörungserzählungen verbunden, etwa dem „großen Austausch“ (Dixit 2022) oder der Überzeugung, dass Feministinnen und „jüdische Globalisten“ die Weltordnung zu ihrem Vorteil manipulierten.

Andrew Tate, der Misogynie propagiert und unter anderem wegen Vergewaltigung und Menschenhandel angeklagt wurde (BBC 2024), gilt als zentrale Figur der internationalen Red-Pill-Bewegung. Social-Media-Beiträge deuten darauf hin, dass einige deutsche Redpiller persönlichen Kontakt zu Tate haben. Zudem orientieren sich manche Maskulinitätscoaches in Deutschland an seinen Narrativen.

Zu diesen zählen auch Coaches, denen laut Medienberichten vorgeworfen wird, Frauen über die Verwaltung ihrer OnlyFans-Konten auszubeuten (NDR 2023a). Recherchen offenbarten geheime Direktnachrichten-Kanäle, in denen diese Coaches angeblich Methoden vermitteln, um Frauen zur Produktion von Inhalten für OnlyFans zu manipulieren und zu zwingen – oft durch sexuelle, emotionale und finanzielle Ausbeutung. Die Bewerbung von „OnlyFans-Management“ als Geschäftsmodell basiert auf der Objektivierung, Ausnutzung und Beherrschung von Frauen, wobei Red-Pill-Ideologien als ideologische Legitimation dienen.


 

2.6 DAS NETZWERK DER DEUTSCHEN MANOSPHERE

Zusammen bilden die beschriebenen Social-Media-Accounts, Kanäle, Foren und Webseiten ein lose verbundenes Netzwerk misogyn motivierter Akteure, die sowohl online als auch offline agieren. Obwohl sich diese Subgruppen thematisch überschneiden, variieren Betonung und Schwerpunktsetzung je nach Bewegung. Widersprüchliche Narrative bestehen innerhalb dieses Netzwerks nebeneinander, vereint durch das gemeinsame Fundament des Frauenhasses.

Diese Studie analysiert das Spektrum der deutschsprachigen Manosphere (die „GerManosphere“). Sie untersucht Netzwerke innerhalb dieses Milieus und analysiert, wie zentrale Akteure in der Manosphere agieren und auf welchen Plattformen und Webseiten die Subgruppen präsent sind. Hintergrundgespräche mit Expert*innen liefern Informationen über dieses Milieu und helfen bei der Formulierung erster Empfehlungen zum Umgang mit misogyn motivierter Online-Gewalt aus der GerManosphere.

Die Studie beantwortet folgende Forschungsfragen:

− Welche sind die zentralen Subgruppen innerhalb der Manosphere in Deutschland?
− Wie sind diese Gruppen untereinander vernetzt?
− Welche Plattformen und Webseiten nutzt die GerManosphere?
− Gibt es Akteure außerhalb des Milieus, die die Botschaften der Manosphere weitervermitteln?
− Wie kann geschlechtsspezifische Online-Gewalt, wie etwa von der Manosphere ausgehende Belästigungskampagnen, bekämpft werden?


 

3 METHODOLOGIE

Die Analyse der Online-Räume der GerManosphere basiert auf vier verschiedenen qualitativen und ethnografischen Forschungsansätzen und -methoden. Diese umfassen Experteninterviews, die Kodierung von Social-Media-Daten und Websites, qualitative Analyse mittels Memos und Netzwerkanalyse.

3.1 EXPERTENINTERVIEWS

Um tiefere Einblicke in aktuelle Entwicklungen und den Forschungsstand zur deutschsprachigen Manosphere zu gewinnen, wurden leitfadengestützte Interviews mit Expert*innen aus den Bereichen Extremismus- und Genderforschung geführt. Die Ergebnisse flossen in die Akteursanalyse und Wirkungsabschätzung ein sowie in die Entwicklung von Handlungsempfehlungen zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Online-Gewalt, die aus dem Manosphere-Spektrum hervorgeht.

Ein halbstrukturiertes Interviewformat wurde gewählt, da es vergleichende Auswertungen erlaubt und dennoch Raum für individuelle Antworten der Gesprächspartnerinnen lässt. Der zugrunde liegende Interviewleitfaden wurde vom Forschungsteam entworfen und in einem Testinterview erprobt. Nach dem Testinterview wurde der Leitfaden überarbeitet. Insgesamt wurden im Rahmen der Studie fünf Experteninterviews durchgeführt. Vor den Interviews gaben die Teilnehmerinnen ihre Zustimmung gemäß der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der Europäischen Union. Die Interviews wurden online durchgeführt, automatisch transkribiert und anschließend von Forschenden des Institute for Strategic Dialogue (ISD) zusammengefasst.

3.2 DATENERHEBUNG UND KODIERUNG

Zentrale Websites der deutschen Manosphere wurden manuell gesammelt und untersucht (teilweise basierend auf den Experteninterviews, einer Literaturrecherche sowie einem Schneeballverfahren über eine Wiki-Seite, die Teilen des Spektrums nahesteht). Auf Basis der Analyse der gesammelten Websites und bekannter Internetforen der deutschen Manosphere wurde eine Datenbank zentraler Akteurinnen und Accounts (z. B. Social-Media-Profile, Podcasts und Websites) erstellt. Das Auswahlkriterium war, dass sie in eine von zwei Gruppen fallen: (1) Akteurinnen und Accounts, die sich klar als Teil einer Subgruppe der Manosphere identifizieren, einschließlich Accounts, die sich den Bewegungen MGTOW, Incels, Men’s Rights oder Fathers’ Rights, Redpillern, Dating Coaches oder PUAs zuordnen, oder (2) Akteur*innen und Accounts, die regelmäßig frauenfeindliche Inhalte verbreiten und Narrative der Manosphere verwenden, auch wenn sie sich nicht explizit als Teil einer solchen Bewegung bezeichnen.

Parallel zur Datenerhebung wurden die identifizierten Accounts durch ein qualitatives Kodierverfahren, das deduktiv angelegt war, Subgruppen der Manosphere zugeordnet. Bekannte Subgruppen wurden als Codes verwendet: PUA, Incel, MRA und FRA, MGTOW und Redpiller. Darüber hinaus wurden induktive Codes für Accounts verwendet, die nicht eindeutig in diese Subgruppen fielen, aber dennoch Narrative der Manosphere und Misogynie verbreiteten. Diese Codes umfassen Begriffe wie „Masculinity Coach“, „Masculinity Influencer“, „Maskulinist“ und „Finance Coach“. Die öffentlich zugänglichen Plattformmetriken der gesammelten Accounts wurden in die Datenbank aufgenommen, um Wirkung und Reichweite zu dokumentieren. Zusätzlich wurden auch Accounts der Akteur*innen auf anderen Plattformen sowie deren Websites erfasst.

In diesem Schritt wurde auch eine Liste gruppeninterner Terminologie sowie Neologismen/Umdeutungen erstellt. Die Datenbank dient als Grundlage zur Kartierung der deutschen Manosphere und zur Untersuchung der Verbindungen innerhalb und zwischen ihren Spektren. Die manosphären-spezifischen Ausdrücke geben Aufschluss darüber, wie und in welchem Ausmaß sich Terminologie im Internet und in Online-Subkulturen verbreitet und welche Gruppen oder Akteurinnen eine besondere sprachliche Affinität zur Manosphere aufweisen. Durch Onlinerecherchen mit den gesammelten Schlüsselbegriffen wurden weitere Akteurinnen identifiziert und der Datenbank hinzugefügt. Begriffe, Formulierungen und Hashtags, die mit der Manosphere assoziiert sind, wurden auf verschiedenen Social-Media-Plattformen gesucht. Die Ergebnisse wurden analysiert und aufgenommen, wenn die Accounts erkennbar Teil einer Subgruppe der Manosphere waren oder wiederholt entsprechende Narrative verbreiteten.

Neben Websites und Social-Media-Accounts von Akteur*innen der Manosphere wurden auch Foren gesammelt, in denen sich Mitglieder der Manosphere austauschen.

Insgesamt wurden über 350 Websites, Podcasts und Social-Media-Accounts für die Datenbank gesammelt, darunter Profile auf YouTube, Twitch, Reddit, TikTok, Instagram, Telegram, X und Facebook sowie Blogs und Websites. Zusätzlich wurden 178 Slang-Ausdrücke und häufig verwendete Beleidigungen gesammelt und der Datenbank hinzugefügt. Die Datenbank soll helfen, Forschungsfragen zu zentralen Akteurinnen und dominanten Gruppen der Manosphere zu beantworten. Die Kategorisierung der Akteurinnen in verschiedene Gruppen ermöglichte es, deren Verbreitung im Datensatz zu analysieren. Die Aufschlüsselung nach Plattformen erlaubte es dem Forschungsteam außerdem, herauszufinden, welche Subgruppe welche Plattform bevorzugt. Metriken wie „Follower“ und „Views“ wurden genutzt, um die Reichweite und Wirkung einzelner Akteur*innen zu vergleichen. Darüber hinaus bildeten die gesammelten Accounts die Grundlage für die Netzwerkanalyse.


 

3.3 QUALITATIVE ANALYSE

Eine qualitative Analyse zentraler Seiten und Foren ermöglichte Einblicke in wichtige Gruppen und Akteur*innen der deutschen Manosphere. Dieser methodische Ansatz erlaubt ein vertieftes Verständnis der Subgruppen, Themen und Schwerpunkte der deutschen Manosphere. Die verschiedenen Gruppen wurden auf Basis digital-ethnografischer Forschung zu ihren Inhalten untersucht. Dafür wurden Foren, Websites und Social-Media-Accounts analysiert.

Incels, für die im Rahmen dieser Studie keine deutschsprachige Präsenz in sozialen Medien gefunden wurde, wurden überwiegend über zwei Foren untersucht. Weitere Forschung wäre nötig, um zu überprüfen, ob sich deutschsprachige Incels in sozialen Medien zu erkennen geben. Für andere Gruppen der Manosphere wurde eine Zusammenfassung erstellt und Accounts wichtiger Akteurinnen als Beispiele analysiert, um zentrale Merkmale der jeweiligen Gruppe zu veranschaulichen. Die Auswahl der Accounts basierte auf ihrer Reichweite, ihrem Engagement und dem Ausdruck von Manosphere-Ideen. Das Engagement wurde über Plattformmetriken wie „Likes“ und „Abonnenten“ gemessen. Ein weiteres Auswahlkriterium war, dass in den Videos die Standpunkte der Akteurinnen deutlich dargelegt werden. Die Analyse basierte überwiegend auf YouTube-Videos, da längere Videoformate eine ausführlichere Darstellung von Weltanschauungen ermöglichen. Die Namen der Akteurinnen wurden durch eine Abkürzung basierend auf ihrer Kategorisierung und einem Buchstaben anonymisiert, um keine Werbung für deren Inhalte zu machen. Neben diesen Langformaten wurden auch Websites und Inhalte der Akteurinnen auf anderen Plattformen in die Analyse einbezogen.

Für die einzelnen Akteurinnen umfasste die Analyse keine vorab festgelegte Anzahl an Videos oder Inhalten, sondern folgte dem Prinzip der theoretischen Sättigung. Theoretische Sättigung – ein Konzept aus der Grounded-Theory-Methodologie – ist erreicht, wenn „neue Daten keine neuen theoretischen Erkenntnisse oder Eigenschaften der zentralen theoretischen Kategorien mehr hervorbringen“ (Charmaz 2006: 113). In diesem Kontext war die Sättigung erreicht, wenn das analysierte Material ausreichend war, um zentrale Ideen, Positionen und Merkmale einesr Akteur*in oder einer Website zu beschreiben und einzuordnen.

Die zentralen Narrative und Strategien der Accounts wurden mittels Memos schriftlich und vergleichend analysiert. Memoing beschreibt das Schreiben und Vergleichen kurzer Forschungstexte zu einem Thema. Diese Methode kann Interviews, ethnografische Beobachtungen, Texte oder audiovisuelle Medien umfassen, die sozialwissenschaftlich ausgewertet werden. Als analytische Methode ist Memoing eng mit Grounded-Theory-Ansätzen verknüpft. Kathy Charmaz (2006) beschreibt Memoing wie folgt:

„Memo-Schreiben bietet einen Raum, um sich aktiv mit dem Material auseinanderzusetzen, Ideen zu entwickeln und die weitere Datenerhebung zu verfeinern. Durch das Schreiben von Memos erstellen Sie analytische Notizen, um Kategorien zu erklären und auszubauen. […] Memos geben Ihnen Raum, um Vergleiche zwischen Daten und Daten, Daten und Codes, Codes von Daten und anderen Codes, Codes und Kategorien sowie zwischen Kategorien und Konzepten anzustellen und Vermutungen über diese Vergleiche zu formulieren“ (Charmaz 2006: 72f.).

Memos sind ein zentrales Element der Analyseprozesse in der Grounded-Theory, beschränken sich jedoch nicht ausschließlich auf das Ziel, Theorien mittlerer Reichweite zu entwickeln. In dieser Studie wurden Memos verwendet, um die Analyse einzelner Akteur*innen und Subgruppen der deutschen Manosphere voranzutreiben. Die Memos folgten einer festen Struktur mit einer geplanten Abfolge von Fragen. Zunächst adressierte das Memo folgende Kategorien: „Analysierte Accounts, Subgruppen, Plattformen, Narrative oder Themen/Phänomene“, gefolgt von einer „Datenzusammenfassung“. Danach folgten „Reflexionen und Interpretationen“. Wo anwendbar, enthielten die Memos auch „Verbindungen zu anderen Memos oder Daten“, „nächste Schritte“ und „offene Fragen“. Dieser Ansatz wurde gewählt, um zu verstehen, welche Gruppen innerhalb der deutschen Manosphere existieren.

 

3.4 NETZWERKANALYSE

YouTube-Konten und Webseiten der deutschsprachigen Manosphäre (z. B. Blogs und persönliche Seiten) wurden im Rahmen einer Netzwerkanalyse untersucht. Diese Methode wurde gewählt, um festzustellen, ob und wie Mitglieder unterschiedlicher Subgruppen der Manosphäre miteinander vernetzt sind – sowohl innerhalb als auch zwischen den Subgruppen. Netzwerkanalysen können starke und schwache Verbindungen zwischen Akteuren aufzeigen, Cluster verbundener Gruppen oder Austauschbeziehungen sichtbar machen. Netzwerkmetriken können zudem die Zentralität und Bedeutung einzelner Akteure innerhalb eines Netzwerks verdeutlichen, was beim Verständnis der Dynamiken sozialer Bewegungen hilfreich ist.

Für die Analyse wurden Webseiten ausgewählt, da sie oft eine längere Lebensdauer als einzelne Social-Media-Profile haben und in Teilen der Manosphäre die vorherrschende Form der Online-Präsenz darstellen. Ein Grund dafür ist, dass persönliche Webseiten – anders als Social-Media-Konten oder Subreddits – schwerer zu sperren sind. Ausgangspunkt der Netzwerkanalyse waren die in der Datenbank erfassten Verlinkungen zwischen Webseiten.

Eine Netzwerkanalyse wurde auch für Akteure der deutschsprachigen Manosphäre auf YouTube durchgeführt. YouTube wurde deshalb ausgewählt, weil es eine beliebte Plattform für Podcasts oder kollaborative Videos mit anderen Content Creators ist. Die Analyse erstellte ein Netzwerk durch Nachverfolgung gemeinsamer Auftritte von Manosphäre-Akteuren auf YouTube-Kanälen, Gastauftritte in Podcasts oder gemeinsamer Videoproduktionen. Die Netzwerkanalysen erfolgten nach folgenden Schritten: Basierend auf der für diese Studie erstellten Datenbank wurden YouTube-Videos von Manosphäre-Akteuren auf gemeinsame Auftritte mit anderen Manosphäre-Akteuren chronologisch untersucht. Für die Netzwerkanalyse ausgewählt wurden nur solche Akteure, die seit Oktober 2021 – also drei Jahre vor Beginn der Datenerhebung – auf YouTube aktiv waren. Alle Videos mit entsprechenden Gastauftritten wurden dokumentiert, einschließlich der zugehörigen Links. Die Recherche ergab 57 Verlinkungen zwischen 28 YouTube-Konten.

Auch für die Webseiten-Netzwerkanalyse diente die bestehende Datenbank als Grundlage. Webseiten aus unterschiedlichen Kategorien wurden ausgewählt, und Blogrolls sowie Linklisten wurden katalogisiert. Es wurden nur solche Webseiten berücksichtigt, die der Manosphäre zuzuordnen sind und in den letzten zwei Jahren aktiv gepflegt wurden. Seiten, die offline waren oder Spam-Inhalte verlinkten, wurden nicht einbezogen. Die Recherche ergab 103 Verlinkungen zwischen 46 Webseiten. In der für die Netzwerkanalyse genutzten Datenbank wurden die Webseiten und Konten anonymisiert – durch eine Abkürzung ihrer Kategorisierung und eine laufende Nummer –, um keine Werbung für diese Seiten und Konten zu machen.

Die Verbindungen zwischen den Konten wurden in Gephi als ungerichtete Netzwerke unter Anwendung des ForceAtlas2-Algorithmus visualisiert (vgl. Jacomy et al. 2014). Die visualisierten Netzwerke sowie zentrale Netzwerkmetriken wurden anschließend interpretiert, um Erkenntnisse über zentrale Akteure und die Verbindungen innerhalb und zwischen Subgruppen der Manosphäre auf Webseiten und YouTube zu gewinnen. Dieser Ansatz wurde gewählt, um Fragen zur Vernetzung deutschsprachiger Manosphäre-Akteure zu beantworten.

Die in dieser Studie angewandten Methoden wurden so konzipiert, dass sie die zentralen Ziele der Untersuchung adressieren: die Identifikation der Kernsubgruppen der deutschsprachigen Manosphäre, das Verständnis ihrer Verbindungen untereinander, die Kartierung der von ihnen genutzten Plattformen und Webseiten sowie die Frage, ob auch Akteure außerhalb des Manosphäre-Milieus deren Narrative weiterverbreiten. Durch die Beantwortung dieser Fragen will diese Vorstudie einen ersten Überblick über die Struktur der deutschsprachigen Manosphäre liefern.


 

4 ERGEBNISSE DER EXPERTENINTERVIEWS ZUR DEUTSCHEN MANOSPHÄRE

Die ausgewählten Expertinnen, die sich alle beruflich mit der Erforschung verschiedener Aspekte der deutschen und internationalen Manosphäre befassen, stammen aus unterschiedlichen Fachrichtungen – darunter Politikwissenschaft, Sozialwissenschaft, Kommunikationswissenschaft, Medienwissenschaft und Psychoanalyse. Zu den interviewten Expertinnen zählen unter anderem Dr. Eviane Leidig, Dr. Jacob Johannsen, Corinna Dolezalek und Dr. Ann-Kathrin Rothermel.

 

4.1 AKTEURE

Die befragten Expertinnen stellten sowohl ein Wachstum als auch eine zunehmende Fragmentierung der Manosphäre fest. Anstelle strukturierter Rekrutierungsbemühungen wurde die organische Ausbreitung der Manosphäre auf das eigenständige Engagement Einzelner mit entsprechenden Inhalten zurückgeführt – häufig motiviert durch bereits gesellschaftlich verankerte misogyne Überzeugungen. Die Expertinnen betonten die Notwendigkeit, zwischen großen Influencern und Einzelpersonen zu unterscheiden, die zwar misogyne Inhalte verbreiten, sich jedoch keiner bestimmten Gruppe zugehörig fühlen, sowie solchen, die sich explizit als Teil einer oder mehrerer Gemeinschaften innerhalb der Manosphäre verstehen und entsprechende Inhalte teilen. Entsprechend wurde betont, dass es keine einheitliche „Incel-Community“ gibt und dass der Begriff „Manosphäre“ fälschlicherweise den Eindruck einer homogenen Gruppe erwecken kann.

Zu den ideologischen Strömungen, die von den Expert*innen beschrieben wurden, zählen PUAs (Pick-Up Artists) und MRAs (Men’s Rights Activists), die als ursprüngliche Hauptgruppen der Manosphäre gelten. Weitere heute zentrale Gruppen sind:

  • Incels, die PUA-Strategien ablehnen und nach den Attentaten von Elliot Rodger und Alek Minassian an Aufmerksamkeit gewannen.
    (Elliot Rodger tötete 2014 bei einem Amoklauf in Isla Vista, Kalifornien, sieben Menschen – einschließlich sich selbst – und hinterließ ein Manifest, in dem er Frauen für seine Einsamkeit verantwortlich machte. Rodger inspirierte Alek Minassian, der 2018 in Toronto mit einem Lieferwagen zehn Menschen tötete und 15 verletzte.)

  • Selbstoptimierungs-Influencer wie Andrew Tate, die die fatalistische und pessimistische Weltsicht der Incels ablehnen und ihre Reichweite insbesondere während der Covid-19-Pandemie deutlich ausbauen konnten.

  • MGTOW („Men Going Their Own Way“)

  • Redpillers, die das Narrativ der männlichen Opferrolle im Feminismus weiterentwickelten und behaupten, aus der Unwissenheit „aufgewacht“ zu sein.

Die genannten Gruppen stimmen mit den in der Literatur beschriebenen Strömungen überein (siehe Abschnitt 2), was auf einen breiten Konsens unter Expert*innen und eine starke Ähnlichkeit zwischen der deutschsprachigen und der internationalen Manosphäre hindeutet. Die Vorstellung des „Aufwachens“ verknüpft Redpill-Konzepte zudem mit rechtsextremen und verschwörungsideologischen Elementen.

Expertinnen verwiesen auf die Präsenz von Misogynie in neonazistischen, rechtsextremen und alt-right Gruppen – besonders in deren Online-Räumen – und deren Kombination mit rassistischen und antifeministischen Ansichten. Zwei Expertinnen beobachteten ähnliche Tendenzen auch in der Wählerschaft von Donald Trump. Dies deckt sich mit Forschungsergebnissen des ISD, die nach der US-Präsidentschaftswahl einen massiven Anstieg misogynen Sprachgebrauchs in der Manosphäre dokumentierten, insbesondere gegen Kamala Harris und deren Unterstützer*innen.

Aufgrund der Fragmentierung der Manosphäre und der Überschneidungen ihrer Sphären sei eine klare ideologische Abgrenzung schwierig. Ein Beispiel ist das neuere Konzept der „Sigma Males“, die zwar die neoliberale Weltanschauung der PUAs teilen, jedoch – wie Expert*innen anmerkten – nicht den Verführungsteil ihrer Ideologie betonen. Ebenso seien „Green Piller“ entstanden, die Elemente von Islamismus und Manosphäre vermischen. Die „Green Pill“ steht hier sinnbildlich für eine islamisch geprägte Weltanschauung, in der das ideale Geschlechterverhältnis über das Idealbild einer traditionellen islamischen Ehe beschrieben wird.
(Siehe zur islamischen Manosphäre u. a. Hussein Kesvani, 2019; Saad Ghumkor & Hina Mir, 2022.)

Darüber hinaus wurden einige Online-Gaming-Communities als Räume hervorgehoben, in denen Misogynie und Rassismus tief verwurzelt seien. Als Schlüsselereignis wurde die Gamergate-Belästigungskampagne 2014–2015 genannt, bei der Frauen, People of Color und queere Menschen aus der Gaming-Branche mithilfe von Twitter und anderen Plattformen gezielt angegriffen wurden. Diese Kampagne habe laut Expertinnen zur Radikalisierung vieler Nutzer beigetragen, die anschließend in die Manosphäre abdrifteten. Der anhaltende Widerstand gegen Diversität in Games und Filmen wurde als Ausdruck einer übermäßigen Identifikation mit Medienprodukten interpretiert – etwa wenn Schwarze Hauptdarstellerinnen oder Pronomen-Optionen als persönliche Bedrohung wahrgenommen werden. Subkulturen fungieren laut Expertinnen als Spiegel breiterer gesellschaftlicher Trends, wobei besonders lautstarke Vertreter*innen deren Bild prägen.

Auch von Frauen unterstützte Misogynie wurde thematisiert – besonders im Umfeld rechtsextremer und zunehmend konservativer Influencerinnen. Diese äußert sich z. B. in idealisierten Rollenbildern wie der „Tradwife“ (traditionelle Ehefrau). Die Reichweite weiblicher Akteurinnen variiert dabei je nach Plattform – besonders aktiv seien sie laut einemeiner Expert*in auf TikTok, Instagram und YouTube, wo sie vornehmlich männliche Follower ansprechen. Ideologisch stünden sie tendenziell näher an Männerrechts- und Väterrechtsbewegungen als an PUAs oder MGTOW. Auch „Femcels“, also weibliche Incels, wurden erwähnt. Diese seien zwar ebenfalls durch sexuelle Frustration geprägt, jedoch weniger gewaltbereit.
(Siehe hierzu Evans & Lankford, 2024.)

Abschließend wurde festgestellt, dass Misogynie in konservativen politischen Kreisen oft normalisiert und selten hinterfragt werde. In solchen Milieus könnten entsprechende Ideologien leichter verbreitet werden, was sie zu potenziellen Einstiegsräumen in die Manosphäre mache. Misogynie sei kein Randphänomen, sondern in patriarchalisch geprägten Gesellschaften tief verankert – online wie offline.

Die meisten Interviewpartner*innen hatten sich bisher nicht eingehend mit der deutschsprachigen Manosphäre befasst und äußerten sich deshalb zurückhaltend zur Relevanz einzelner Akteure. Als besonders weit verbreitet und relevant in der deutschen Manosphäre beschrieben wurden folgende Gruppen:

  • Beliebte Influencer mit großer Reichweite, die subtil, aber wirkungsvoll sexistische Inhalte verbreiten.

  • Finanzcoaches, die kommerzielle Interessen mit ideologischer Überzeugung verbinden und Misogynie mit „Hustle“- und „Grindset“-Ideologien vermischen.

  • Dating- und Lifestyle-Coaches im Stil von Andrew Tate, die auf TikTok und Instagram entmenschlichende Lebens- und Datingtipps geben.

  • Schlüsselfiguren der deutschen Männerrechtsbewegung und Väterrechtsaktivisten.

  • Die Incel-Community mit internationaler Vernetzung und deutschsprachigen Nutzern – etwa auf Twitter und in Foren. Diese wuchs nach dem rechtsextremen Anschlag in Halle 2019.
    (Am 9. Oktober 2019 versuchte ein Rechtsextremist, während eines Jom-Kippur-Gottesdienstes in die Synagoge in Halle einzudringen. Als dies scheiterte, erschoss er zwei Menschen auf der Straße. Einige Kommentatoren vermuteten Incel-Motive, obwohl keine Belege vorlagen. Dies führte dennoch zu größerem Interesse an der Incel-Szene.)

  • Politische Akteure, die zwar nicht explizit der Manosphäre angehören, aber deren misogyne Positionen teilen – z. B. AfD und ihre Jugendorganisation „Junge Alternative“ sowie prominente Politiker*innen mit entsprechenden Ansichten.

  • Neu gegründete neonazistische Gruppen, die gegen Pride-Veranstaltungen in deutschen Städten mobilisieren.

  • Rechtsextreme und queerfeindliche Akteure wie z. B. der Podcast „Honigwabe“.

  • Gaming-Communities wie die „Heimatjams“ oder rechtsextreme Discord-Server.

  • Tradwife-Influencerinnen.

  • Überbleibsel der Identitären Bewegung.

Darüber hinaus ist laut Einschätzung der Expert*innen mit Überschneidungen zwischen der Manosphäre und extremistischen bzw. verschwörungsideologischen Bewegungen in Deutschland zu rechnen. Internationale Influencer aus dem angelsächsischen Raum beeinflussen auch den deutschsprachigen Diskurs erheblich. Diese Einschätzungen werden durch die empirischen Befunde der Studie gestützt: Manosphäre-Akteure greifen Narrative aus der Corona-Leugnerszene, verschwörungsideologische Inhalte zu Medien, sowie rassistische und antisemitische Theorien wie den „großen Austausch“ auf. Mehrere Akteure beziehen sich positiv auf Andrew Tate und andere internationale Vertreter der Manosphäre.

 

4.2 PLATTFORMEN
Die befragten Expert:innen nannten eine große Bandbreite an Plattformen, die von Akteuren innerhalb der Manosphäre genutzt werden – von Mainstream-Plattformen über alternative und Gaming-Plattformen bis hin zu klassischen Online-Foren. Sie stellten fest, dass die Wahl der Plattform oft vom Inhaltstyp, dem gewünschten Publikum und den dahinterstehenden Zielen abhängt. Zudem hoben die Expert:innen hervor, dass viele Akteure der Manosphäre sich schnell an Veränderungen in ihrer Online-Umgebung anpassen, etwa bei zunehmender Inhaltsmoderation. Auch die teils erheblichen Unterschiede in den Funktionen und Nutzungsmöglichkeiten der jeweiligen Plattformen sowie deren Auswirkungen auf die Nutzung wurden hervorgehoben. Zudem wurde das Zusammenspiel zwischen Online- und Offline-Sphären als Kontinuum beschrieben.

TikTok, Instagram und YouTube wurden bevorzugt von PUAs, Redpillern und maskulinistischen Influencern (z. B. BronzeAgePervert und SloBrah) genutzt, da diese häufig ein breites Publikum ansprechen wollen. Die Expert:innen betonten deren Rolle bei der Übersetzung extrem rechter und frauenfeindlicher Positionen in den Mainstream. Besonders TikTok wurde als Plattform identifiziert, auf der sich viele Inhalte finden, die an Andrew Tates frauenfeindliche Rhetorik erinnern. Influencer dort verbreiten häufig ähnliche Ideen über männliche Dominanz und die Unterwerfung von Frauen. Im Allgemeinen bieten Mainstream-Plattformen maskulinistischen Influencern die Möglichkeit, durch kurze, aufmerksamkeitsstarke Inhalte – etwa Motivationsvideos, Selbstoptimierung oder persönliche Transformationen – eine große Reichweite zu erzielen. Dazu zählt auch sogenannter „Looksmaxxing“-Content, bei dem Männer Strategien diskutieren, ihr äußeres Erscheinungsbild zu verbessern, um männlichen Idealen zu entsprechen – oft in Verbindung mit frauenfeindlichen Vorstellungen über weibliche Attraktivität.

Imageboards wie 4chan, Kohlchan sowie das Honigwabe-Forum wurden als bevorzugte Plattformen für Incels beschrieben, die abgeschottete, private Räume suchen, um ihre extremen Ansichten offen zu teilen. Reddit galt früher als zentrale Plattform für Incels und MGTOWs, verlor diese Rolle jedoch durch strengere Moderationsrichtlinien und das Verbot einschlägiger Subreddits wie r/Incel, r/braIncels und r/mgtow. Allerdings verwiesen Expert:innen auf die weiterhin bestehende Präsenz des Subreddits r/NoFap – einer Community, die Masturbation ablehnt und in der auch Manosphären-Akteure aktiv sind – sowie auf große Mengen frauenfeindlicher Pornografie auf der Plattform.

Facebook wurde als besonders relevant für Väterrechtsaktivisten eingestuft – vermutlich aufgrund der älteren Nutzer:innendemografie sowohl dieser Subgruppe als auch der aktiven Facebook-Nutzer:innen insgesamt. Nach der Übernahme von X (ehemals Twitter) durch Elon Musk und dem damit einhergehenden Rückgang der Inhaltsmoderation sowie der Auflösung von Trust- und Safety-Teams wurde laut Expert:innen ein starker Anstieg frauenfeindlicher Inhalte beobachtet. X entwickelte sich demnach zu einer zentralen Plattform für misogynes und rechtes Gedankengut.

YouTube wird breit für Langform-Videoformate genutzt, über die sich große Anhängerschaften aufbauen lassen. Telegram und Discord wurden als stärker abgeschottete, weniger moderierte Räume beschrieben, die kontinuierliche Nutzerbindung und Community-Bildung ermöglichen. Während von den meisten Interviewten nicht erwähnt, verwies ein:e Expert:in darauf, dass Snapchat als Plattform für junge Nutzer:innen, die sich mit frauenfeindlichen Inhalten beschäftigen, bislang zu wenig Beachtung gefunden habe.

Podcasts wurden als zentrales Medium für die Verbreitung von Ideen und tiefgehende Diskussionen über gesellschaftliche Themen hervorgehoben. Generell wurde festgestellt, dass sich auf Mainstream-Plattformen und in Podcasts oft subtilere, aber dennoch schädliche Inhalte finden lassen – wobei Nutzer:innen zwischen diesen öffentlichen Räumen und stärker abgeschlossenen, radikaleren Räumen wechseln. So funktionieren etwa Incel-Foren und Discord-Server als In-Group-Räume, in denen Misogynie validiert und normalisiert wird. Dies verstärke oft narzisstische Selbstüberhöhung und das Feindbild gegenüber Frauen und queeren Menschen. Diese Migrationsbewegungen würden häufig aktiv gefördert – etwa durch Einladungslinks in den Profilen auf Mainstream-Plattformen oder Werbung für geschlossene Telegram-Gruppen auf YouTube.

 

4.3 TAKTIKEN UND STRATEGIEN
Die befragten Expert:innen beschrieben eine Vielzahl an Ausdrucks- und Verbreitungsformen von Frauenfeindlichkeit in digitalen Räumen – von subtilen, alltäglichen Interaktionen bis hin zu aggressiven und schädlichen Kampagnen. Zu den eingesetzten Taktiken gehören:

  • Der Einsatz von Memes und niederschwelligen Inhalten zur schnellen Ansprache, insbesondere junger Nutzer:innen.

  • Die Nutzung von „memetischer Kriegsführung“ als Mittel zur Belästigung und zum Community-Aufbau.

  • Das massenhafte Veröffentlichen von Inhalten, um herauszufinden, was beim Publikum Anklang findet.

  • Der Gebrauch von verschlüsselter Sprache und Euphemismen zur Umgehung von Inhaltsmoderation bei gleichzeitiger Stärkung der In-Group-Zugehörigkeit.

  • Das Wechseln zwischen Plattformen („Platform Hopping“), um trotz Regulierungen und geänderter Nutzungsbedingungen weiterhin Reichweite zu erzielen.

  • Die Verbreitung einer Mischung aus Persönlichkeitsentwicklung und Selbsthilfe mit frauenfeindlicher Grundlage.

  • Der Einsatz affektiver Taktiken, die auf Gefühlen wie Empörung, Frustration oder Angst basieren, um emotionale Bindung zu erzeugen und ein Zugehörigkeitsgefühl zu stärken.

Insbesondere bei Dating-Coaches wurde beobachtet, dass sie gezielt manipulative Inhalte verwenden, um bei ihren Followern ein Gefühl der Abhängigkeit zu erzeugen. Diese sollen ermutigt werden, weiterhin Inhalte zu konsumieren, um Bestätigung und Orientierung zu erhalten.

Viele Akteure generieren Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit über politische Kommentare und Reaktionen auf aktuelle Ereignisse – insbesondere im Kontext von Feminismus und Transfeindlichkeit – indem sie diese Themen als Teil einer größeren kulturellen Krise darstellen, um ihr Publikum zu radikalisieren. Expert:innen stellten eine Zunahme systematischer Angriffe auf feministische Errungenschaften und LGBTQ+-Rechte fest, insbesondere gegen trans Personen in rechtsextremen Gruppen. Gleichzeitig bleiben Hass gegen Migrant:innen und Muslim:innen zentrale Bestandteile der Ideologie.

Auch ausgewählte Mainstream-Medien, die von diesen Akteuren als Bestätigung ihrer Ansichten wahrgenommen werden, spielen eine Rolle bei der Verbreitung misogynen Gedankenguts. Frauenfeindliche Akteure verwenden zudem sogenannte „evidenzbasierte Misogynie“ (vgl. Rothermel 2023). Dabei werden wissenschaftliche Studien, Statistiken oder andere Quellen so interpretiert, dass ihre Sichtweisen scheinbar faktenbasiert erscheinen. Manche Akteure erzeugen zirkuläre Referenznetzwerke, um Glaubwürdigkeit vorzutäuschen, und betreiben gefälschte Wissensplattformen oder ändern selbstreferenzielle Inhalte auf Plattformen wie Wikipedia, um ihre Sichtweisen zu stützen.

Ein wachsender Trend ist die romantisierte und idealisierte Darstellung traditioneller Geschlechterrollen in Verbindung mit antifeministischen Ideologien, eingebettet in Lifestyle-Inhalte. Diese stellen weibliche Unterordnung unter männliche Dominanz positiv dar, etwa durch Konzepte wie „traditionelle Männlichkeit“ oder „Tradwives“. Solche Inhalte verstärken laut Einschätzung der Expert:innen radikale Einstellungen unter Zuschauer:innen. Besonders gefährdet seien junge Männer in ihrer Entwicklungsphase, die mit Emotionen und Einsamkeit kämpfen und für radikale Selbsthilfe-Inhalte anfällig sind.

Die Rolle ökonomischer und gesellschaftlicher Krisen, die individuelle Unsicherheiten fördern, sowie die generelle Verbreitung von Misogynie und anderen Ungleichheitsideologien wurden als kontextuelle Faktoren für Radikalisierung hervorgehoben. Ein:e Expert:in schilderte ein Beispiel aus der eigenen Forschung, in dem Befragte den Feminismus für wirtschaftliche Krisen verantwortlich machten – solche Haltungen fänden sich auch außerhalb der Manosphäre.

Die Herabwürdigung und Entmenschlichung von Frauen steht im Zentrum der Taktiken und Strategien der Manosphäre. Offensichtliche Beispiele sind die nicht-einvernehmliche Verbreitung intimer Bilder oder KI-generierter Pornografie, koordinierte Hasskampagnen gegen Einzelpersonen – etwa gegen Amber Heard (vgl. Nelson 2024) oder Pia Scholz (vgl. Bovermann 2024) – sowie die Verwendung entmenschlichender Begriffe wie „Femoid“ oder „Foid“ in Incel-Kreisen. Gewaltfantasien wie die in Elliot Rodgers Manifest beschriebenen – etwa Konzentrationslager für Frauen oder geschlechtliche Verhältnisse nach dem Vorbild von The Handmaid’s Tale – zeigen ebenfalls diese Ideologie. Die Expert:innen betonten, dass diese Entmenschlichung nicht nur bei Incels oder Terroristen vorkommt, sondern ein durchgängiges Merkmal der gesamten Manosphäre ist.


 

5 DIE DEUTSCHE MANOSPHÄRE: VERTEILUNG AUF PLATTFORMEN, AKTEURE, NARRATIVE UND STRATEGIEN
Basierend auf den erfassten Akteuren und Webseiten der für diese Studie erstellten Datenbank lassen sich erste Erkenntnisse über die Verbreitung der deutschen Manosphäre über verschiedene Plattformen formulieren. Auch wenn die Datenbank nicht vollständig oder abschließend ist, erlaubt die fünf Wochen umfassende Datenerhebung mit mehreren Forscher:innen erste Rückschlüsse zur Zusammensetzung und Plattformverteilung der Subgruppen.

Akteure der deutschen Manosphäre, wie in der Datenbank identifiziert, sind auf mehreren Plattformen aktiv – teils parallel. Die gesammelten PUA-Accounts verteilten sich breit über verschiedene Plattformen: neun waren auf Webseiten aktiv, vier auf Facebook, 37 auf YouTube, 22 auf TikTok und 23 auf Instagram. Die MGTOW-Accounts waren auf YouTube, Facebook und Webseiten vertreten. Neben einer Incel-nahen Webseite wurden in der Datenbank zwei Incel-Foren erfasst. Redpiller traten vor allem auf audiovisuellen Plattformen auf: 17 auf YouTube, elf auf Instagram und fünf auf TikTok. MRA-Accounts waren hauptsächlich auf Webseiten aktiv (82), mit nur wenigen auf YouTube (4), TikTok (7), Instagram (2) und Facebook (2). Zusätzlich wurden zwei MRA-Foren sowie ein MRA-Account auf X dokumentiert.

Schließlich wurde eine Gruppe von Influencern identifiziert, die als „Männlichkeitscoaches“ beschrieben werden können. Diese bieten Unterstützung in verschiedenen Lebensbereichen an, mit dem Ziel, Männlichkeit zu stärken. Ähnlich wie PUAs behandeln sie das Thema Dating, verfolgen jedoch einen ganzheitlicheren Ansatz. Dennoch verbreiten auch sie frauenfeindliche Narrative. Ihre Accounts fanden sich vor allem auf audiovisuellen Plattformen wie YouTube (19), TikTok (14) und Instagram (22), vereinzelt auch auf Facebook (3) und Webseiten (6).

Die Verteilung der Accounts spiegelt teils methodische Grenzen der Studie wider, teils aber auch Merkmale der untersuchten Subgruppen. PUAs, Redpiller und Männlichkeitscoaches streben oft eine Monetarisierung ihrer Inhalte an, was eine Präsenz auf Webseiten und in sozialen Medien erforderlich macht. Audiovisuelle Plattformen bieten durch direkte Ansprache der Zielgruppe die Möglichkeit zur Authentizitätsinszenierung und Stärkung der „Microcelebrity“-Ideale – was sowohl politisch als auch wirtschaftlich nützlich ist.

Die relative Isolation der deutschen Incel-Räume in der Datenbank stimmt nicht unbedingt mit anderer Forschung überein, die eine größere Aktivität von Incels auf sozialen Medien zeigt (vgl. Baele et al. 2024). Es bleibt zu untersuchen, ob sich Incels auf deutschen Plattformen auch als solche identifizieren.

MGTOW-Akteure nutzten in dieser Studie tendenziell häufiger YouTube als andere Plattformen, allerdings ist die Stichprobe zu klein für weiterreichende Aussagen. MRAs zeigten eine starke Präferenz für Webseiten. Viele dieser Akteure betreiben institutionelle Webseiten oder persönliche Blogs, auf denen sie ihre Weltsicht darlegen, politische Forderungen formulieren oder persönliche Geschichten teilen.

Die folgenden Abschnitte bieten eine Übersicht über die fünf untersuchten Subgruppen der deutschen Manosphäre. Sie analysieren deren Strategien, zentrale Themen, politische und wirtschaftliche Motivationen, interne Verbindungen sowie die Relevanz einzelner Akteure im deutschsprachigen Raum. Die Einstufung einer Person als relevante Figur basiert auf der Häufigkeit und Absicht, mit der sie narrative Kernthemen verbreitet.

Neben den hier analysierten Manosphären-Akteuren gibt es zahlreiche Influencer und Content Creators, die sich nicht explizit der Manosphäre zuordnen lassen, jedoch frauenfeindliche Rhetorik in ihre Inhalte einbauen. So verglich etwa MontanaBlack, einer der bekanntesten deutschen Streamer mit über drei Millionen Followern, Frauen mit Hunden und behauptete, er könne Frauen nicht länger als zehn Minuten zuhören – betonte aber gleichzeitig, er meine das nicht diskriminierend (Lydia 2023). Solche Aussagen wirken laut Expert:innen oft als Einstiegspunkt in manosphärennahe Themen. Obwohl die meisten führenden Figuren der deutschen Manosphäre cis-heterosexuelle Männer sind, spielen auch Frauen eine aktive Rolle bei der Verbreitung frauenfeindlicher Ansichten. Diese weibliche Beteiligung wird am Ende des Kapitels kurz beleuchtet.

 

5.1 EIN EXEMPLARISCHES BEISPIEL VON PUAS IM UNTERSUCHTEN DATENSATZ

Actor_PUA_A ist ein deutscher PUA, der seine Erfahrungen mit Pick-Up-Strategien an Frauen schildert. Auf YouTube veröffentlicht er Beispielvideos von Frauen, die er angesprochen und mit manipulativen Strategien „verführt“ hat. Diese Videos werden mit einer versteckten Kamera aufgenommen, die den Ersteller begleitet. In einem Video nähert er sich beispielsweise einer Frau selbstbewusst, die zunächst deutlich Desinteresse signalisiert, später jedoch körperlichem Kontakt zustimmt. Diese Darstellung vermittelt dem Publikum, dass ein „Nein“ nicht immer ein „Nein“ bedeute und durch die „richtigen“ Strategien in Zustimmung verwandelt werden könne. Solche und ähnliche „Infield“-Videos zeigen Fälle von Missachtung weiblicher sexueller Zurückweisung, Grenzüberschreitungen, sexueller Belästigung und einer Geringschätzung von Zustimmung – ein typisches Merkmal von PUAs (Scotto di Carlo 2023). Die Videos zeigen auch, wie PUAs sowohl online als auch offline agieren.

Actor_PUA_A behauptet, dass es harte Arbeit sei, ein PUA zu werden, was soziale Fähigkeiten und eine von Dominanz geprägte Persönlichkeit erfordere – Eigenschaften, die durch kostenpflichtiges Einzelcoaching erlernt werden könnten, welches er anbietet. Auf seinem TikTok-Kanal verspricht er seinen Kunden im Gegenzug „ein Date pro Woche“. Dieses Beispiel verdeutlicht eine weit verbreitete kommerzielle Motivation unter Pick-Up Artists.

Ein weiteres zentrales Thema ist die „Game“-Taktik, die alle Aktivitäten und Regeln zusammenfasst, die PUAs ihren Anhängern beibringen, um besser im „Spiel“ (dem Dating-Spiel) zu werden (Kray 2017). Laut PUAs müssen Männer dieses Spiel gewinnen, was durch dominante Verhaltensweisen geschehe, während Frauen als unterwürfige und passive Objekte dargestellt werden (Scotto di Carlo 2023). Actor_PUA_A verwendet die Spiel- oder Geschäftsmetapher auch in Videos über das Schreiben von Nachrichten an Frauen („Textgame“) oder schlägt wirtschaftliche Methoden zur Bewertung der Investition in Frauen vor. In seinem Buch verwendet er spielbezogene Metaphern, um Verhaltensregeln für Männer beim Verführen von Frauen zu beschreiben, die er mit Prinzipien gleichsetzt, denen „Spieler“ folgen müssen.

Während seine YouTube-Inhalte ausführlich und auf das Lehren von Verführungstechniken fokussiert sind, veröffentlicht er auf Instagram und TikTok kürzere Inhalte, in denen er Männern etwa empfiehlt, fremde Frauen in der Öffentlichkeit mit den Augen „auszuziehen“. Viele Frauen empfinden dies als sexuelle Objektivierung (Hollett et al. 2022). Zudem ermutigt er Männer, die auf Sex aus sind, gezielt Frauen anzusprechen, die sie für „aufreizend gekleidet“ halten, und diese aufgrund ihres Aussehens als „leicht zu haben“ und verfügbar zu betrachten, wodurch Belästigung gerechtfertigt wird. Actor_PUA_A ist mit weiteren Akteuren der Manosphere vernetzt, mit denen er gemeinsame Videos und Podcast-Folgen produziert sowie andere Kanäle empfiehlt, die Ratschläge zu Sex- und Lifestyle-Themen geben.

Actor_PUA_B ist ein Pick-Up Artist und Männlichkeits-Coach, der männliche Archetypen und in der Manosphere verbreitete Stereotype bespricht. Er bietet biologische Erklärungen für männliche und weibliche Eigenschaften und sieht Männlichkeit als „gottgegebenes“ Werkzeug zum Erfolg. Er behauptet, dass weiblicher Seitensprung und „Cuckoldry“ gesellschaftlich akzeptiert seien (ein Fetisch, der in alt-rechten und manosphärischen Kreisen diskutiert wird). Unter Bezugnahme auf epigenetische Erklärungen übernimmt er ein in diesen Kreisen verbreitetes Nietzscheanisches Narrativ: dass die Starken moralisch von den Schwachen manipuliert werden.

Er setzt den „Nice Guy“ mit einem „schwachen Mann“ gleich – einer seiner Ansicht nach unerwünschten männlichen Eigenschaft, die überwunden werden müsse (King 2017). Actor_PUA_B diskutiert Geschlechterrollen, betont ihre „natürliche Harmonie“ und stellt sie gesellschaftlichen „Perversionen“ gegenüber. Er verknüpft männliche und weibliche Eigenschaften mit Testosteron bzw. Östrogen und äußert Sorge darüber, dass Männer durch Trinkwasser zu viel Östrogen aufnehmen und dadurch verweiblicht würden – ein in der Manosphere gängiges Thema (McGlashan/Krendel 2023). Er bekräftigt Ideale männlicher Dominanz und findet es schlecht, wenn eine Ehefrau arbeiten müsse – im Einklang mit traditionellen Versorgermodellen. Routinen seien wichtig, um Männlichkeit zu verbessern, so Actor_PUA_B, der seine Routinen im Fitnessstudio und im Alltag zeigt.

Er kritisiert den Kapitalismus – ähnlich wie andere Manosphere-Influencer wie Andrew Tate – bietet jedoch keine systemischen Lösungen, sondern nur individuelle Auswege im Sinne von Tates Vision des „Matrix-Ausbruchs“. Anders als andere Akteure, die Frauen direkt die Schuld geben, fokussiert sich dieser PUA auf abstrakte gesellschaftliche Kräfte – kritisiert jedoch auch Frauen. Er fordert eine Rückkehr zu Geschlechterrollen der 1950er Jahre. Er bewundert Andrew Tate und behauptet, milliardenschwere Industrien nutzten die LGBTQ+-Community zur Spaltung der Gesellschaft, wobei er die Unterstützung durch Konzerne als Beleg für eine Verschwörung sieht. Während er vorgibt, kein Problem mit Homosexuellen zu haben, bezeichnet er Geschlechterfluidität als „Psy-Op“ und schreibt unkonventionelle Rollen einer manipulativen Verschwörung zu. Er macht auch vage „die Medien“ für gesellschaftliche Missstände verantwortlich, was seine verschwörungsideologische Weltsicht weiter nährt. Die Ansichten von Actor_PUA_B überschneiden sich stark mit anderen Subgruppen der Manosphere und enthalten Narrative, die auch in der anglophonen Manosphere verbreitet sind.

Actor_PUA_C versteht sich selbst als Vertreter der Männer und weist den Vorwurf der Frauenfeindlichkeit zurück – er sei „auf der Seite der Frauen“. Er behauptet, Feminismus schade Frauen, indem er ihnen gesellschaftlich eine Sonderbehandlung zukommen lasse, z. B. durch Frauenförderungsprogramme in MINT-Bereichen, die Frauen als geistig und körperlich unterlegen darstellten. Im Fall Rammstein in Deutschland (NDR 2023b) forderte er, das Verhalten und die Kleidung von Frauen in der Nähe mächtiger Männer zu thematisieren – ein klassisches Beispiel von Täter-Opfer-Umkehr.

Obwohl Actor_PUA_C behauptet, Frauen nicht zu objektivieren, enthalten seine Videos häufig Kommentare zu Aussehen, Kleidung und Verhalten von Frauen, die typisch für PUAs sind und Frauen als Sexualobjekte in einem „Spiel“ der Verführung darstellen – also doch eine klare Objektivierung. Er kritisiert das, was er als „weibliche Opferhaltung“ bezeichnet, und behauptet, dass Frauen historisch ein besseres Leben gehabt hätten, da sie Kriegs- und Militärdienst nicht leisten mussten. Während Wissenschaftler PUA-Taktiken häufig als manipulativ und zustimmungsverneinend beschreiben, behauptet Actor_PUA_C, Frauen seien die eigentlichen Manipulatorinnen. Er ist sich der Kritik an der PUA-Community bewusst und nutzt seine Plattformen, um sie aktiv zu widerlegen – oft, indem er Kritiker einschüchtert.

Auf seinem YouTube-Kanal veröffentlicht er politische Kommentare mit häufigen ausländerfeindlichen Aussagen. Auf anderen Plattformen teilt er PUA-bezogene Inhalte, darunter Tipps zu Dating und Verführung. Dies deutet auf eine gezielte Strategie hin, seine Inhalte je nach Plattform anzupassen und gleichzeitig sein Publikum zu halten.

 

5.2 EIN EXEMPLARISCHES BEISPIEL VON MGTOW-AKTEUREN IM UNTERSUCHTEN DATENSATZ

In dem für diese Studie untersuchten Material waren MGTOW-Akteure auf verschiedenen Plattformen präsent. Die Anzahl der MGTOW-Akteure war jedoch vergleichsweise gering, weshalb die beiden Akteure, die zentrale Ideen der deutschen MGTOW-Szene veranschaulichen, gemeinsam behandelt werden.

Actor_MGTOW_A diskutiert MGTOW im Kontext verschiedener Philosophien und Red-Pill-Ideen. Er versteht traditionelle Beziehungen zwischen Männern und Frauen als rein transaktional und beschreibt Frauen, die solche Beziehungen anstreben, als Parasiten. Der Ersteller behauptet, dass Frauen Männer skrupellos ausnutzen würden – Sexualität diene ihnen zur Kontrolle, und sie nutzten die emotionale Bindung der Männer aus. Er ist der Überzeugung, dass Frauen Beziehungen ausschließlich aus unmittelbarem materiellem Interesse eingehen und erklärt dies mit biologischer Programmierung.

MGTOW-Anhänger sehen die Gesellschaft generell als gegen Männer gerichtet. Actor_MGTOW_A spricht von systematischer Unterdrückung von Männern und nennt als Beispiel etwa den Mangel an Hilfsangeboten für männliche Opfer häuslicher Gewalt. Wie viele Mitglieder der Manosphere bezieht er sich auf Begriffe wie „Hypergamie“ und „Gynozentrismus“, um weibliches Verhalten zu erklären. Auch vertritt er libertäre Positionen und versteht sich selbst als Rationalist.

Actor_MGTOW_B sieht MGTOW ebenfalls als individuelle und individualistische Philosophie, die er dem Kollektivismus gegenüberstellt. Er verbindet die Diskussionen über MGTOW-Themen mit persönlichen Erfahrungen. Er glaubt nicht, dass MGTOW grundsätzlich einen Verzicht auf Beziehungen bedeutet, sieht diese aber als potenzielle Gefahr für die individuelle Autonomie, da andere Menschen die eigene emotionale Verfassung beeinflussen könnten.

Actor_MGTOW_B betont stark die Kontrolle über Emotionen und identifiziert MGTOW mit der Fähigkeit, die eigenen Emotionen zu beherrschen. Für ihn bergen Beziehungen das Risiko äußerer Manipulation. Darüber hinaus hat MGTOW für ihn auch eine politische Dimension. Im Allgemeinen zeigt er libertäre Tendenzen. Männerrechtsaktivismus lehnt er als politisch wirkungslos ab und erklärt, dass er „Gynozentrismus“ auf individueller Ebene durch seine MGTOW-Existenz bekämpfe.

Der untersuchte YouTube-Ersteller glaubt zudem, dass Schulen eine „Schuldkultur“ in Bezug auf die deutsche Geschichte fördern und ein Gefühl moralischer Opferrolle erzeugen. Wie viele in der Manosphere ist er der Meinung, dass Sozialhilfe und Unterhaltszahlungen alleinerziehende Mütter zu einer attraktiven Lebensform machen. Diese Sichtweise steht in engem Zusammenhang mit dem Manosphere-Konzept des „Betabux“: einem männlichen Versorger mit niedrigerem Status, der – laut Red-Pill-Ideologie – von Frauen in Anspruch genommen wird, während oder nachdem sie Affären mit Männern höheren Status’ eingehen oder angestrebt haben.

Das Zurückgreifen auf einen „Betabux“ wird als Teil der hypergamen Sexualstrategien verstanden, die man Frauen zuschreibt. Einige in der Manosphere argumentieren, dass der Staat diese Hypergamie begünstige – etwa durch Sozialleistungen für alleinerziehende Mütter und durch Gerichtsentscheidungen zu Unterhaltszahlungen. Auf diese Weise würden Steuerzahler kollektiv zu „Betabuxen“ gemacht.

Insgesamt scheint die deutsche MGTOW-Szene stark vom internationalen MGTOW- und Manosphere-Diskurs beeinflusst zu sein. Die im Datensatz untersuchten Akteure teilten weitgehend die manosphärischen Sichtweisen und zeigten keine signifikanten regionalen Besonderheiten. Weitere Forschung ist erforderlich, um das Ausmaß und die Vernetzung der deutschsprachigen MGTOW-Online-Milieus besser zu verstehen.

 

5.3 EINE ANALYSE VON ZWEI INCEL- UND LOOKSMAXXING-ONLINE-RÄUMEN IM DATENSATZ

Im für diese Studie untersuchten Material waren deutschsprachige Incels überwiegend auf zwei Foren aktiv: einem Sub-Board eines Incel-Forums, das sich an Fremdsprachige richtet, und einem deutschsprachigen Board eines Looksmaxxing-Forums. Einige Incels nutzen Strategien in der Hoffnung, sexuelle Partner zu finden. Diese Strategien bezeichnen sie als „De-Incelisierung“. Zu diesen Strategien zählt „Looksmaxxing“, ein Sammelbegriff für verschiedene Ansätze zur Verbesserung der eigenen physischen Attraktivität. Während einige dieser Ansätze harmlos sind, wie die Verbesserung der persönlichen Hygiene oder Trainingsroutinen, können andere Methoden die Gesundheit der Betroffenen gefährden. Beispielsweise befürworten einige Akteure die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln oder Methoden, die zu schweren Verletzungen führen können (z. B. der Versuch, Knochen zu brechen, um Gesichtszüge zu verstärken) oder sogar operative Eingriffe.

Verschiedene Aspekte und Formen des Looksmaxxing werden in einem für diese Studie untersuchten Forum diskutiert. Einige Nutzer berichten von ihrem erfolgreichen „Aufstieg“, was bedeutet, dass sie „Inceldom“ (vorübergehend) überwunden und sexuelle Partner gefunden haben, während andere ihr Scheitern und die andauernde Suche nach Partnern beklagen.

Während die meisten Nutzer des untersuchten Looksmaxxing-Forums Strategien zum „Looksmax“ austauschen und diese offenbar nutzen wollen, um sexuelle Partner zu finden, erklären einzelne Nutzer, sie seien „blackpilled“ und hätten das Dating aufgegeben. Im deutschen Forum tauschen sich die Nutzer über kosmetische Chirurgen und Nahrungsergänzungsmittel sowie Dating-Richtlinien aus. Einige Forumsteilnehmer äußern Sympathien für die rechte Szene, insbesondere für die deutsche AfD. Einzelne Nutzer loben offen Hitler und teilen antisemitische Slogans und Memes. Zudem finden sich rassistische Beiträge in Threads, die sich etwa mit dem Dating-Erfolg (oder Misserfolg) von asiatischen oder türkischen Männern beschäftigen.

Das untersuchte Looksmaxxing-Forum ist von sexistischer Terminologie durchzogen, viele Begriffe stammen aus Incel-Räumen, etwa „Stacy“ oder „Foid“. Auf dem analysierten Board diskutieren die Nutzer auch Suizid („ropemaxxing“) und die Möglichkeit tödlicher Angriffe im Stil von Elliot Rodger („Going ER“) in Deutschland. Einzelne Nutzer rechtfertigen auch Femizide. Beiträge, die Nachrichten über Mord oder Folter von Frauen enthalten, werden mit Kommentaren wie „just fucking lol“ oder „lifefuel“ (aufmunternde Nachrichten) versehen.

Während das Inceldasein oft mit einer gewissen Resignation bezüglich Dating-Möglichkeiten verbunden ist, versuchen Looksmaxxer Wege zu finden, im Dating erfolgreich zu sein – ähnlich wie Pick-Up Artists (PUAs). Nutzer des deutschsprachigen Boards des Looksmaxxing-Forums verwenden ebenfalls individualisierte Strategien zur Selbstverbesserung, um ihren Dating-Erfolg zu steigern. Neben der physischen Verbesserung greifen sie zu Strategien, die denen der PUAs ähneln, wie das „Peacocking“, bei dem durch außergewöhnliche Kleidung oder andere Mittel versucht wird, aus der Masse hervorzustechen.

Obwohl das analysierte Looksmaxxing-Forum auch einige „blackpilled“ Incels beherbergt, haben viele Nutzer eine positivere Lebenseinstellung und verfolgen einen proaktiveren Ansatz beim Dating. Looksmaxxer werden von anderen Incels möglicherweise nicht als „Truecels“ angesehen, da sie Erfolg beim Dating haben. Sie teilen jedoch dieselben pseudowissenschaftlichen und bio-deterministischen Theorien über menschliche Anziehung und sind trotz ihres Dating-Erfolgs oft ebenso frauenfeindlich wie ihre „Truecel“-Gegenstücke.

Das untersuchte Incel-Forum ist einer der zentralen Online-Räume für Incels. Es ist mit dem „Incel Wiki“ verbunden und umfasst eine Vielzahl von thematischen Boards. Es gibt auch einen Bereich für nicht-englischsprachige Boards namens „Incel International“. In diesen Subsektionen sind Spanisch- und Türkischsprachige Boards als eigene Boards vertreten; zudem gibt es ein Board für „andere Sprachen“. In diesem Board finden sich auch mehrere deutschsprachige Threads. In den während der Forschungsperiode analysierten Threads haben sich etwa 40 Personen als deutschsprachig geoutet. Diskutiert werden politische Themen wie die Wehrpflicht, die Incels ablehnen, und Migration, der sie feindlich gegenüberstehen.

Während einige Incels Hitler und Nazi-Deutschland offen loben, kritisieren andere die Nazis mit der Begründung, dass deren Niederlage die Grundlage für die heutige deutsche Gesellschaft gelegt habe. Die Diskussionen im Board sind häufig rassistisch und verknüpfen Sexismus mit Rassismus. Ein weiteres wiederkehrendes Thema ist Antisemitismus.

Im Gegensatz zu den Nutzern des Looksmaxxing-Forums wirken die Nutzer des untersuchten Incel-Forums resignierter und verbitterter. Das Ausmaß an Frauenfeindlichkeit im untersuchten Material ist ähnlich hoch wie im Looksmaxxing-Forum, ebenso die Präsenz rassistischer und antisemitischer Einstellungen. Das Forum scheint im Vergleich zur Gesamtzahl der Nutzer nur eine relativ geringe Zahl deutlich deutschsprachiger Poster zu haben.

Bemerkenswert im Hinblick auf beide Foren ist, dass die Board-Struktur den Stil der Beiträge zu beeinflussen scheint. In beiden Boards verwenden Poster eine gewalttätige Sprache und faschistische Memes, die in sozialen Medien seltener vorkommen. Die Nutzer posten diese Inhalte im vollen Bewusstsein darüber, dass sie von Forschenden oder Strafverfolgungsbehörden beobachtet werden könnten; sie scherzen gelegentlich über „Feds“, die ihre Beiträge lesen. Die Anonymität der Boards und die lockeren Moderationsregeln machen diese Räume offenbar zu Zufluchtsorten für extremistische Inhalte.

Obwohl deutschsprachige Incels die Imageboards 4chan und das deutsche Imageboard „Kohlchan“ nutzen (vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft „Gegen Hass im Netz“ 2024: 39), wurde während der Forschungsperiode keine Aktivität deutschsprachiger Nutzer festgestellt, die sich selbst als Incels bezeichnen oder Incel-Terminologie auf diesen Boards verwenden.

Wie frühere Studien zeigen, ist die Incel-Online-Subkultur in Deutschland vergleichsweise klein. Für diese Studie wurden nur wenige hundert Beiträge vom deutschen Board des Looksmaxxing-Forums und vom „Other Languages“-Board des Incel-Forums analysiert. Die Beiträge stammen von 40 Mitgliedern des Incel-Forums und 50 Mitgliedern des Looksmaxxing-Forums. Die vergleichsweise geringe Zahl aktiv online tätiger deutschsprachiger Incels steht im Gegensatz zur Medienaufmerksamkeit, die deutsche Incels erhalten und weiterhin erhalten. Diese Aufmerksamkeit basiert wahrscheinlich auf der extremen und gewalttätigen Frauenfeindlichkeit, die Teile dieses Online-Milieus propagieren, wodurch sie sich von weniger offen extremen Teilen der Manosphere abheben. Durch die starke Fokussierung auf Incels und die Darstellung als besondere Bedrohung laufen Forschende jedoch Gefahr, Frauenfeindlichkeit in der gesamten Manosphere und der Gesellschaft insgesamt zu übersehen, indem sie deren extremste Ausprägungen auf eine als fremd dargestellte Gruppe projizieren, anstatt deren Verbreitung zu verstehen.

 

5.4 EIN ILLUSTRATIVES BEISPIEL VON MRAS UND FRAS IM UNTERSUCHTEN DATENSATZ

Akteur_MRA_A ist ein aktiver Blogger und selbsternanntes Mitglied der „anti-sexistischen Männerrechtsbewegung“ (MRA). Auf seinem Blog behauptet er, man müsse gleichzeitig Feminist und Maskulinist sein, um die Welt wirklich zu verstehen. Seine Hauptthemen sind häusliche Gewalt gegen Männer und eine angebliche feministische Manipulation der Gesellschaft. Er behauptet, „feministische Kriegstruppen“ unterdrückten Studien über häusliche Gewalt, die von Frauen ausgeübt werde. Diese Unterdrückung zeige sich etwa in der Manipulation relevanter Wikipedia-Einträge durch Feministinnen.

Der MRA hat kontroverse Aussagen gemacht, beispielsweise vergleicht er weibliche Journalistinnen mit Prostituierten, lehnt das Konzept des Patriarchats als „Unsinn“ ab und bezeichnet feministische Frauen als Heuchlerinnen. Er definiert Männlichkeit als die Fähigkeit, Schwierigkeiten zu ertragen, ohne sich zu beklagen – eine Auffassung, die er – falsch und aus dem Kontext gerissen – dem ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama zuschreibt.

Ein weiterer Blogeintrag von Akteur_MRA_A enthält eine Sammlung sogenannter „anti-maskulinistischer Mythen“, die er zu widerlegen versucht. Dazu gehören Argumente gegen die Vorstellung, Krieg sei ein grundsätzlich männliches Verlangen, oder die Behauptung, die Gesellschaft zeige generell kein Mitgefühl für Männer. Obwohl er sich als legitimer MRA darstellt und gelegentlich radikalere MRAs kritisiert, veröffentlicht oder verlinkt er häufig Inhalte anderer, extremerer antifeministischer Akteure. Seine Distanzierung von solchen Positionen ist inkonsistent und legitimiert oft indirekt radikale antifeministische Rhetorik.

Forum_MRA_B ist ein offenes, antifeministisches Online-Forum mit über 120.000 Einträgen und fast 300 registrierten Nutzern. Der Inhalt des Forums ist geprägt von frauenfeindlichen Narrativen sowie homophoben, xenophoben, antisemitischen und rassistischen Äußerungen. Das Forum wird von Hassrede und emotional aufgeladenen Argumenten dominiert, die oft Bezug auf deutschsprachige MRA-Statements aus Blogs und Figuren der englischsprachigen extremen Rechten oder frauenfeindlichen Szene nehmen.

Frauen werden häufig mit abwertenden Begriffen wie „dumm“ oder „hässliche Tussis“ bezeichnet. Politikerinnen erfahren Fat-Shaming und werden als „billige Nutten“ bezeichnet, während eine Journalistin als „Schlampe“ beschimpft wird. Ein Nutzer behauptet, Frauen würden Männer in Bereichen wie Wissenschaft, Wirtschaft, Sport, Militär und Polizei konstant unterperformen.

Ein anderer Nutzer äußert den Wunsch, eine schwarze feministische Künstlerin und Journalistin nach Afrika abzuschieben und ihr einen „Blackout“ zu wünschen. Diese Aussage verweist implizit auf Gewalt gegen Frauen sowie auf die Überschneidung mit Rassismus und „Misogynoir“, einer spezifischen Form von Frauenfeindlichkeit gegenüber schwarzen Frauen (siehe Madden et al. 2018 zur Rolle anti-schwarzer Frauenfeindlichkeit in Online-Belästigung).

Weitere Inhalte auf dem Board beinhalten die Behauptung, Feminismus ziele darauf ab, Frauen zu kontrollieren und weibliche Fruchtbarkeit zu regulieren – insbesondere gegen Frauen, die sich dem Feminismus widersetzen. Ein Nutzer bewirbt und verlinkt die Schweizer rechtsextreme Gruppe Junge Tat.

Ein selbsternannter „Experte für Frauen“ behauptet, Feminismus habe zur geistigen Degeneration westlicher Frauen geführt, wobei er einen verletzenden Schimpfwort verwendet. Öffentlich und privat Medien werden als „Lügenpresse“ abgetan.

Unter maskulinistischen und männerrechtlichen Gruppen gilt diese Plattform als eine der extremsten und aggressivsten. Forum_MRA_B ist ein Knotenpunkt für verschiedene deutschsprachige Akteure der Manosphere, insbesondere MRAs. Der Blog des Forums wird im Ausland gehostet (Drüeke/Klaus 2014).

Eine prominente deutschsprachige Organisation, Website_MRA_C, bezeichnet sich selbst als Lobbyorganisation für Kinder und behauptet, das Wohl von Kindern durch stärkere Eltern-Kind-Beziehungen fördern zu wollen. Die Gruppe vertritt die Ansicht, dass Kinder geschiedener Eltern leiden, wenn gesellschaftliche Normen die Mutter-Kind-Beziehung zulasten der Vater-Kind-Beziehung betonen. Um ihre Argumente zu untermauern, beruft sich die Organisation häufig auf das Grundgesetz.

Das Thema „elterliche Entfremdung“ ist in der FRA-Diskussion (Fathers’ Rights Activists) häufig präsent, wobei häufig Müttern – und teilweise implizit auch Kindern – die Schuld an belasteten Vater-Kind-Beziehungen gegeben wird. Dabei wird stark biologisch argumentiert: Mutter und Vater – die das Kind gezeugt haben – seien die Eltern, andere Familienformen wie queere Familien, Patchwork-Familien oder Familien mit Adoptivkindern werden abgelehnt. Ein weiteres zentrales Thema ist der Begriff der „Vaterentbehrung“, mit dem aggressive Ressentiments gegenüber weiblichen Ex-Partnerinnen und Müttern ausgedrückt werden, denen vorgeworfen wird, Kindern absichtlich den Kontakt zum Vater zu verwehren. Weitere Klagen betreffen die gesellschaftliche Marginalisierung von Vätern zugunsten von Müttern, die Priorisierung mütterlicher Rechte sowie die Ausbeutung von Vätern durch Unterhaltspflichten bei gleichzeitigem Entzug von Besuchsrechten. FRAs stellen alleinerziehende Mütter oft als egoistisch dar und behaupten, geschiedene oder getrennte Väter würden gesellschaftlich stigmatisiert.

Eine bemerkenswerte Strategie der FRAs, auch von Website_MRA_C, ist die sogenannte „politische Nachahmung“ (political mimicry). Dabei werden ihre Ziele als neutral und kindzentriert dargestellt, während dahinterliegende Absichten verborgen bleiben. Diese können etwa darin bestehen, patriarchale Normen zu stärken, häusliche Gewalt durch Männer zu verharmlosen oder männliche Dominanz durch die Vaterrolle zu behaupten. So betont die untersuchte Website zwar Kinderrechte und verweist auf Kinderrechtskonventionen in Artikeln, nutzt diese Diskurse aber oft als Fassade zur Durchsetzung der genannten Hintergedanken (Trilsbeek/Hartleb 2024).

Website_MRA_C verfügt auch über einen geschlossenen Mitgliederbereich, der für diese Untersuchung nicht zugänglich war.

 

5.5 EIN ILLUSTRATIVES BEISPIEL VON REDPILLERN IM UNTERSUCHTEN DATENSATZ

Akteur_RP_A ist hauptsächlich auf YouTube aktiv, wo er die Auswirkungen toxischer Männlichkeit lächerlich macht und sich an Debatten über evolutionspsychologische Themen beteiligt. In einem Video behauptet der Redpiller explizit, dass „Frauen die wahren Kapitalisten“ seien und „parasitäre Wesen“, beschreibt Frauen als gierig und verweist auf eine beobachtete inhärente Ungerechtigkeit in männlich-weiblichen Beziehungen, bei der Männer Versorgerrollen einnehmen (und dies seiner Meinung nach auch sollten), während Frauen sich „beschweren, nicht gesehen zu werden“. Seine Haltung zur männlichen Dominanz in Partnerschaften ist nicht nur ein Wunsch, sondern etwas, das er als natürlich ansieht. Deshalb sei es wichtig, diese Hierarchie zu schützen: Wahre Beziehungen – anders als Partnerschaften, ein Begriff, den er ablehnt, weil er demokratische Gleichheit unter Partnern suggeriert – funktionierten nur gut, wenn der Mann eine führende Rolle übernimmt.

Der Akteur drückt Geschlechteressenzialismus aus, indem er behauptet, Frauen wollten geführt oder „dominiert“ werden. Er legitimiert seine Aussagen durch Verweise auf wissenschaftliche Publikationen, die er in seinen Inhalten verlinkt. Außerdem enthalten seine Positionen anti-LGBTQ+- und anti-islamische Aussagen.

Akteur_RP_A bietet individuelles Coaching für Männer an und verspricht, sie Teil einer männlichen Elite zu machen. Sein Coaching kombiniert Aspekte des Datings und der Partnerschaft mit Persönlichkeits- und Geschäftsentwicklung. Nach Angaben des Schöpfers sollen diese Ziele durch die Verbesserung der „männlichen Essenz“ erreicht werden. Er beschreibt seine Aktivitäten als „Krieg“ gegen Bluepiller und Feministen, nutzt dabei die übliche Rhetorik der Manosphere – insbesondere im Incel-Diskurs –, die Akteure der Manosphere als Rebellen gegen Frauen oder Feminismus darstellt. Akteur_RP_A ist gut vernetzt mit anderen Manosphere-Akteuren, vor allem mit Pick-Up Artists (PUAs), mit denen er gelegentlich gemeinsame Inhalte produziert. Die gängigen Redpill-Taktiken, wirtschaftliche Diskurse mit Verführungstechniken zu verweben (Van Valkenburgh 2018), werden auf seiner Webseite deutlich, wo er Coaching-Dienste anbietet, die darauf abzielen, Dominanz sowohl im Geschäftsleben als auch in Beziehungen zu Frauen zu entwickeln. Dies trägt zu einer verbreiteten Manosphere-Vision bei, in der finanzieller Erfolg Hand in Hand geht mit Dominanz gegenüber Frauen (Haslop et al. 2024).

Akteur_RP_B veröffentlicht Videos zu Evolutionspsychologie, Soziobiologie und Geschlechteressenzialismus. Er strebt an, die Redpill-Ideologie zu institutionalisieren, die er als „aufgeklärten Geschlechterdiskurs“ bezeichnet, und sucht dafür gesellschaftliche Akzeptanz. Nach seiner Auffassung ist die Redpill-Ideologie nicht politisch, sondern könne genutzt werden, um Geschlechtergerechtigkeit für „beide Geschlechter“ zu erreichen. Er beschreibt die Redpill als eine Proto-Wissenschaft – ein noch unvollständig etabliertes Forschungsfeld, das auf empirischen Fakten basiere. In einem Video, in dem Akteur_RP_B gemeinsam mit Akteur_RP_A auftritt, diskutieren sie anti-feministische Konzepte wie „weiblichen Opportunismus“ oder „strategischen Pluralismus“, die ihrer Meinung nach verbreitete Praktiken seien. Beide argumentieren, weibliche Hypergamie und weiblicher Opportunismus seien nicht zwingend biologisch determiniert, sondern sozial und politisch beeinflusst. Dennoch behaupten sie, Männer sollten immer davon ausgehen, dass Frauen opportunistisch und somit instrumentell in männlich-weiblichen Beziehungen seien.

Akteur_RP_B lehnt das Konzept der sexuellen Selbstbestimmung ab und schlägt vor, dass das Desinteresse einer Frau an einem Mann auf Unsicherheit bezüglich seines Status zurückzuführen sei. Außerdem argumentiert er, dass die Entscheidung einer Frau, einen Partner zu verlassen, von einem inneren Drang getrieben sei, stets den höchstwertigen Mann zu verfolgen, der gerade verfügbar ist. Diese Ansichten stellen die Autonomie und Wahlfreiheit von Frauen in ihrer sexuellen und romantischen Lebensführung infrage und suggerieren stattdessen eine gewisse Zwanghaftigkeit.

In einem Video kritisiert der untersuchte Akteur die seiner Ansicht nach vorhandene Heuchelei bei Frauen, die es erlauben, ihre Sexualität frei auszuleben, während Männer, die dasselbe tun, als „Arschlöcher“ bezeichnet würden. Diese Darstellung positioniert Männer gleichzeitig als Opfer prüder Moralvorstellungen und leugnet die gesellschaftliche moralische Abwertung, der Frauen ausgesetzt sind, die als promiskuitiv gelten. Zusätzlich präsentiert er oft pseudowissenschaftliche Behauptungen, etwa dass Frauen in 80 % der Fälle Männer ablehnen, ohne dafür glaubwürdige Belege zu liefern.

Akteur_RP_B kritisiert außerdem Berichte über den Gender-Pay-Gap und argumentiert, Männer hätten höhere Ausgaben für Aktivitäten wie Clubbesuche und Dating. Er schlägt kontrovers vor, eine sogenannte „übermäßige mentale Belastung von Männern beim Dating“ in diese Berechnungen einzubeziehen. Er fordert finanzielle Unterstützung für Männer, die daten, und rahmt dies als Ausgleich für diese vermeintlichen Belastungen ein. Die Videos des Akteurs zeigen ein gut vernetztes Netzwerk deutschsprachiger Redpill-Vertreter, da er häufig mit anderen prominenten Figuren dieser Manosphere-Gruppe zusammenarbeitet.

Akteur_RP_C ist der Kanal einer Community von Männern, die Erfolg im Leben anstreben. Ihre Webseite und Social-Media-Plattformen bieten Ratschläge und Strategien zur Selbstverbesserung, mit Themen wie „Scheiß drauf, was andere sagen“, „Wie man ein besserer Mensch wird“, „Wie man kein Feigling ist“ und „Wie man reich wird“. Die Hauptinhalte werden von Personen erstellt, die außerhalb Europas leben und dokumentierte Verbindungen zu Andrew Tate haben, wie Social-Media-Posts zeigen.

Auf TikTok verwenden sie oft abwertende Sprache, bezeichnen Frauen als „kleine Mädchen“ und behaupten, die moderne Gesellschaft fördere keine Männlichkeit mehr. Sie sagen, sie glaubten nicht, dass Männer „schwach gemacht“ würden, sondern machten gesellschaftliche Trends und die Jagd nach „Clicks“ für die sinkende Nachfrage nach „starken Männern“ verantwortlich. Diese Rhetorik stützt sich stark auf Opfererzählungen (Han/Yin 2022), um die vermeintliche gesellschaftliche Ablehnung von Männern zu erklären.

In ihren Inhalten finden sich häufig Aussagen, die Ungleichheit loben, etwa: „Es wäre nicht gut, wenn alle gut gebildet wären, weil ich jemanden will, der mir mein Sandwich macht“ oder „Wenn alle Elite sind, gibt es keine Elite mehr“. Akteur_RP_C verspricht seinen Followern Geschäftsberatung über exklusive, kostenpflichtige Inhalte, teilt aber einige Ratschläge auch öffentlich. So rät er etwa: „Werde nicht juristisch, bevor du reich bist“, was suggeriert, dass rechtliches Geschäftsgebaren zweitrangig gegenüber finanziellem Erfolg sei.

Auf Instagram präsentieren sie ihr Männlichkeitsideal mit Fotos von exklusiven Mitgliedertreffen. Diese Bilder zeigen Männer mit martialischem, fast militärischem Auftreten, oft in Boxringen oder Fitnessstudios sowie bei luxuriösen Urlauben. Der Zusammenhalt dieser Männer ist zentral für die Gruppe und bildet „Allianzen“ (Han/Yin 2022), vereint durch Hypermaskulinität und antifeministische Narrative. Solche exklusiven In-Group-Treffen sind auch der Ort – ein sogenannter „homosozialer Raum“ (Frick 2023) –, an dem hegemoniale Männlichkeit im Abgrenzungskontext zu Frauen und anderen Männertypen gebildet wird.

 

5.6 WEIBLICHE MANOSPHERE-AKTEURINNEN

Die Einstellungen der Manosphere werden auch von einigen Frauen geteilt, die eine Vielzahl antifeministischer Ansichten unterstützen. In einer Studie des deutschen Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aus dem Jahr 2016 gaben 15,2 % der befragten Frauen an, einzelne maskulinistische Aussagen zu befürworten, während sich 1,4 % als Männerrechtsaktivistinnen (Men’s Rights Activists, MRA) identifizierten (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2016). Einige weibliche Content-Erstellerinnen unterstützen die Manosphere direkt, indem sie männliche Manosphere-Akteure als positive Referenzen benennen, ihnen eine Bühne bieten, sie unter ihren weiblichen Followern bekannt machen, gemeinsame Inhalte mit ihnen erstellen oder wohlwollend und zustimmend auf deren Beiträge reagieren.

Akteurin_female_A hat rund 163.000 Follower auf YouTube, fast 17.000 auf Instagram und über 35.000 auf X. Sie diskutiert männlich-weibliche Dynamiken in Beziehungen und weibliche Hypergamie und verwendet dabei die Manosphere-Sprache wie „Alpha-Typ“ und „Sigma-Mann“. Akteurin_female_B, mit 2.250 Followern auf YouTube, lädt häufig bekannte Manosphere-Akteure auf ihren Kanal ein, wie etwa Akteur_PUA_B und Akteur_PUA_C. Sie zeigt Bewunderung für die Inhalte von Akteur_PUA_B und seine Ideen zu Geschlechterdynamiken. Ebenso lobt sie Akteur_PUA_C für seine Ehrlichkeit und seine Missachtung politischer Korrektheit.

Weitere Forschung ist notwendig, um die Rolle, Narrative und den Einfluss weiblicher Akteurinnen in der deutschen Manosphere besser zu verstehen und abzubilden, etwa weibliche Maskulinistinnen, weibliche MRA, weibliche PUAs und andere. Die bisherigen Ergebnisse deuten darauf hin, dass diese weiblichen Akteurinnen vor allem dazu dienen, Manosphere-Diskurse zu normalisieren.

 

5.7 ZUSAMMENFASSUNG

Die Taktiken, Strategien, Themen und Schwerpunkte verschiedener Teilgruppen und Akteure innerhalb der deutschen Manosphere zeigen eine große Heterogenität. Sie erstrecken sich über ein Spektrum von moderaten bis hin zu radikalen Ausrichtungen, bleiben dabei aber durch eine gemeinsame Grundlage von Frauenfeindlichkeit vereint. Während einige eine Gegenbewegung als Reaktion auf den Feminismus darstellen, verwenden andere einen eher persönlichen maskulinistischen Diskurs. Philosophische und religiöse Ansätze, die traditionelle Werte betonen, existieren neben pragmatischen, ergebnisorientierten Diskussionen zu den Themen Dating, Fitness und finanzieller Erfolg. Diese Vielfalt spiegelt sich auch in den sozialen Dynamiken wider: Manche Gruppen fördern enge männliche Unterstützungsnetzwerke, andere setzen auf individuelles Handeln und Eigenverantwortung. Diese Heterogenität entspricht den früheren Befunden von Ging (2019: 653).

Teile der deutschen Manosphere sind vergleichsweise moderat und plädieren für Gleichberechtigung, doch dieses Online-Milieu beherbergt auch radikale Elemente, die männliche Vormachtstellung befürworten. Diese Narrative verbinden häufig pseudowissenschaftliche Argumente mit anekdotischen Kommentaren, um die unterschiedlichen Vorlieben ihrer Zielgruppen anzusprechen. Die Frauenfeindlichkeit der Manosphere überschneidet sich oft mit anderen Diskriminierungsformen, darunter Sozialdarwinismus, Rassismus, Anti-LGBTQIA+-Rhetorik, Antisemitismus und Rechtsextremismus und zeigt sich häufig in antidemokratischen oder anti-establishmentorientierten Einstellungen.

Finanziell wird die Szene durch Monetarisierungsstrategien wie exklusive kostenpflichtige Inhalte, Merchandise und Crowdfunding getragen. Die Inhaltserstellung umfasst KI-generierte Medien, Podcasts, Livestreams sowie traditionelle Social-Media-Posts. Die Plattformen prägen die Zugänglichkeit der Inhalte – von offenen Foren bis hin zu exklusiven Communities –, wobei die Creator ihre Inhalte auf die spezifischen Algorithmen und Nutzergruppen der jeweiligen Plattform zuschneiden. Dieses vielschichtige Netzwerk bleibt dynamisch und einflussreich und verstärkt seine Wirkung durch innovative und anpassungsfähige Strategien.

Ein Merkmal, das bei allen untersuchten Gruppen konstant ist, ist, dass die verbreiteten Narrative denen der anglophonen Manosphere entsprechen. In einigen Fällen wurden Diskussionspunkte von englischsprachigen Manosphere-Influencern „entliehen“, einschließlich englischer Syntax, was zu einem Mischmasch aus englischer und deutscher Grammatik führt. Deutsche Manosphere-Influencer diskutieren zwar aktuelle Ereignisse in Deutschland, aber die Konzepte und Ideen, mit denen sie diese Ereignisse interpretieren, stammen fest aus dem englischsprachigen Raum. Dies liegt vermutlich daran, dass die meisten Teilgruppen der Manosphere historisch in englischsprachigen Ländern entstanden sind, was sich auch an den Namen dieser Gruppen wie MGTOW oder Incels zeigt.

Trotzdem ist bemerkenswert, wie wenig nationaler Charakter die deutsche Manosphere bisher entwickelt hat. Man hätte erwartet, dass die deutsche Manosphere angesichts der Unterschiede in Geschlechterverhältnissen, Geschichte, Wirtschaftsmodellen und Politik zwischen Deutschland und beispielsweise den USA mehr Besonderheiten aufweist. Dennoch erscheinen die zentralen Narrative sehr ähnlich. Im Gegensatz zu anderen Internet-Subkulturen oder Plattformen (vgl. Gibbs et al. 2014) haben die für diese Studie untersuchten Akteure und Foren noch keine eigene Umgangssprache oder eigene Narrative entwickelt. Die Dominanz englischer Konzepte in der deutschen Manosphere unterstreicht den Erfolg des Internets als Medium für die internationale Verbreitung von Ideen und Ideologien.

 

6 DIE DEUTSCHE MANOSPHERE: NETZWERK

Die Recherche für diese Studie ergab, dass Akteure der deutschen Manosphere auf einer Vielzahl von Plattformen aktiv sind, darunter Instagram, X (ehemals Twitter), Facebook, Twitch, TikTok, YouTube, Reddit, Foren sowie auf individuellen Websites und Blogs. Darüber hinaus produzieren einige Akteure eigene Podcasts, die auf verschiedenen Plattformen wie Spotify oder Podcast.de verbreitet werden.

Um besser zu verstehen, wie Akteure der deutschen Manosphere miteinander vernetzt sind, wurden zwei Plattformen – Websites und YouTube – ausgewählt, um die Netzwerke der Manosphere zu visualisieren. Es wurden Karten der zentralen Akteure auf diesen Plattformen erstellt. Diese Karten stellen keine vollständigen Netzwerke dar, sondern basieren auf einer vorläufigen, explorativen Untersuchung der Verbindungen zwischen wichtigen Akteuren aus unterschiedlichen Teilgruppen der deutschen Manosphere.

Obwohl diese Netzwerke der deutschen Manosphere-Akteure auf Websites und YouTube nicht vollständig sind, geben sie dennoch wichtige Einblicke in die Natur der Manosphere und ihrer Teilgruppen. Die untersuchten Websites enthielten viele defekte Links sowie Links zu Blogs und anderen Seiten, die keine neuen Inhalte mehr veröffentlichen. Das deutet darauf hin, dass viele Link-Listen oder Blogrolls nicht regelmäßig aktualisiert werden. Es zeigt außerdem, dass einige Akteure das Website- und Blognetzwerk der Manosphere verlassen. Sowohl auf YouTube als auch bei den Webseiten im Datensatz gab es Account-Typen, die keine Verlinkungen zu anderen Seiten enthielten. Auf YouTube waren dies unter anderem diverse „Dating-Ratgeber“-Accounts, die Manosphere-Narrative verbreiten und KI-generierte Voiceovers und Grafiken nutzten, jedoch keine Verlinkungen zu anderen Creators hatten. Unter den Webseiten im Datensatz verlinkten Seiten von Pick-Up Artists (PUAs) nicht auf andere Manosphere-Akteure, sondern dienten hauptsächlich der Bewerbung der eigenen kostenpflichtigen Dienstleistungen der PUAs.

Das Netzwerk der Manosphere-Websites, das aus der Datenbank dieser Studie entstand, zeigt eine starke Dominanz allgemein antifeministischer Akteure sowie von Männerrechtsaktivisten (MRAs) und Väterrechtsaktivisten (FRAs). Im Netzwerk taucht nur je ein MGTOW- und ein Pick-Up-Artist-Akteur auf. Das Fehlen mancher Subgruppen und das Vorhandensein anderer lässt sich durch deren jeweilige Nutzung von Websites und deren Ideologien erklären. Pick-Up Artists nutzen ihre Websites kommerziell zur Bewerbung ihrer Dienstleistungen oder zum Vertrieb von E-Books. Sie sind vor allem auf Social-Media-Plattformen wie YouTube, Instagram und TikTok aktiv. Dort vernetzen sie sich über audiovisuelle Plattformen, während die eigenen Websites vornehmlich als Geschäftseiten dienen und selten als Vernetzungsräume genutzt werden. MGTOW, die von einigen Forschern als Abspaltung der Männerrechtsbewegung beschrieben werden, verfolgen einen individualistischeren Ansatz und lehnen politische Aktivität meist ab. Das Fehlen von Incels erklärt sich dadurch, dass sich Incel-Räume in der Forschung überwiegend auf Foren beschränken.

Politisch orientierte Subgruppen in der Manosphere und ihre Vernetzung folgen ebenfalls diesen Charakteristika. Männerrechtsaktivisten, Väterrechtsaktivisten und Antifeministen wollen den politischen Diskurs beeinflussen und ihre politischen Positionen vorantreiben. Im Gegensatz zu anderen Manosphere-Gruppen wie den Incels sind MRAs, FRAs und Antifeministen politische Bewegungen, die sich online etabliert haben, aber keine rein online-politischen Bewegungen darstellen. Sie teilen ähnliche Positionen zu einer Reihe politischer Themen, weshalb es politisch sinnvoll ist, auf die Inhalte der jeweils anderen zu verlinken. Diese grundsätzliche Übereinstimmung erklärt sowohl die Verlinkungen zwischen antifeministischen Akteuren, Männerrechtsaktivisten und Väterrechtsaktivisten als auch die Verbindungen zwischen Websites innerhalb der jeweiligen Kategorien, wie beispielsweise der Cluster der Väterrechtsaktivisten in der oberen Mitte der Netzwerk-Grafik.

Die Bedeutung dieser Gruppen zeigt sich auch in der Analyse der Kennzahlen für „Betweenness Centrality“ (Vermittlungszentralität), „Closeness Centrality“ (Nähe-Zentralität) und der Anzahl der eingehenden und ausgehenden Links der einzelnen Seiten. In der Netzwerktheorie misst die Vermittlungszentralität, wie zentral ein Akteur im Netzwerk ist, indem er als Brücke zwischen anderen Akteuren fungiert. Die Nähe-Zentralität misst, wie kurz der Pfad von einem Akteur zu anderen ist, also wie viele Klicks benötigt werden, um eine andere Seite zu erreichen. Eine hohe Nähe-Zentralität zeigt eine kurze durchschnittliche Weglänge zu allen anderen Knoten an und ermöglicht eine schnelle Verbreitung von Informationen. Ein Knoten mit hoher Vermittlungszentralität agiert als Gatekeeper, während ein Knoten mit hoher Nähe-Zentralität als Hub im sozialen Netzwerk fungiert.

 

Das YouTube-Netzwerk, das auf Verbindungen durch gemeinsame Videos und Gastauftritte zwischen Manosphere-Creators basiert, umfasst verschiedene Teilgruppen. Die gemeinsamen Videos zwischen Pick-Up Artists (PUAs) erfüllen wahrscheinlich eine doppelte Funktion: Sie dienen sowohl als Austauschformate als auch als Mechanismus zur gegenseitigen Promotion. Die Verbindungen zwischen verschiedenen Gruppen wie Redpillern, Pick-Up Artists und „Masculinity Coaches“ (Männlichkeitscoaches) lassen sich ähnlich interpretieren. Tatsächlich sind die Grenzen zwischen den Kategorien „Pick-Up Artist“, „Redpiller“ und „Masculinity Coach“ relativ durchlässig: PUAs beziehen sich auf Redpill-Ideen und bieten Coaching auch über das Dating hinaus an. Ähnlich geben Männlichkeitscoaches auch Dating-Ratschläge, und Redpiller bieten teilweise ebenfalls Männlichkeitscoaching an. Teilweise arbeiteten Akteure dieser Kategorien auch offline zusammen. Die gemeinsamen Videos verschiedener Subgruppen lassen sich somit nicht nur als Zeichen eines lebhaften Austauschs verstehen, sondern auch als Hinweis darauf, dass Teile der deutschen Manosphere zusammenwachsen und homogener werden.

Die Manosphere auf YouTube ist etwa gleich stark geprägt von sozialer und politischer Philosophie, Selbstoptimierung und Geschäftsmodellen. Diese Interpretation soll nicht bedeuten, dass die untersuchten Manosphere-Influencer unecht sind oder nicht an ihre Botschaften glauben. Im Gegenteil zeigt die Verbindung von Geschäftsideen und ideologischen Überzeugungen als persönliche Marke sowohl die Logik von YouTube-Creatorn als auch, wie zentral Fragen von Männlichkeit für die Persönlichkeiten der Manosphere-Influencer geworden sind. Die Netzwerk-Visualisierung zeigt einen kleinen MGTOW-Cluster und einen Pick-Up-Artist-Cluster. Besonders deutlich wird die zentrale Rolle einiger weniger prominenter Accounts, die über die verschiedenen Spektren hinweg vernetzt sind.

Tabelle 6: Kennzahlen der fünf wichtigsten YouTube-Akteure im untersuchten Netzwerk

Label

Closeness Centrality

Betweenness Centrality

RP_YT_01

0,58

275

RP_YT_02

0,49

158

MC_YT_07

0,36

81

MC_YT_01

0,45

68,5

O_YT_01

0,41

55

MGTOW_YT_01

0,44

55

 

Ein Redpiller ist der zentrale Akteur im Netzwerk und Teil von 20 der 57 Verbindungen im Netzwerk. Dieser Akteur hat auch die höchste Vermittlungszentralität, gefolgt von einem weiteren Redpiller, zwei Männlichkeitscoaches und auf Platz fünf gemeinsam ein Account, der als „sonstige“ klassifiziert ist und häufig Gäste aus der Manosphere in seiner Show empfängt, sowie ein MGTOW-Account.

Die identifizierten zentralen Akteure tauschen sich häufig mit anderen Manosphere-Creatorn aus und können als Gatekeeper fungieren, die andere Accounts fördern. Die meisten von ihnen verfolgen sowohl ideologische als auch kommerzielle Motive, was ihr Netzwerkverhalten erklärt. Einige Akteure im Netzwerk waren auch Gäste bei Podcasts, die Manosphere-Gäste einladen, aber nicht ausschließlich Manosphere-Themen behandeln.

Auffällig ist das Fehlen von Männerrechtsaktivisten (MRAs) und das Vorhandensein von nur einem Väterrechtsaktivisten (FRA). Weitere Forschung ist notwendig, um zu klären, ob auf YouTube und anderen Plattformen Netzwerke zwischen solchen Kanälen existieren und wie umfangreich diese sind. Dabei könnte auch untersucht werden, ob Manosphere-Creator auf YouTube eher schwächere Verbindungen (wie Links) oder stärkere Verbindungen (wie gemeinsame Videos) zum Netzwerkaufbau nutzen.

 

7 FAZIT

Diese Studie untersucht die deutschsprachige Manosphere und verfolgt das Ziel, verschiedene Forschungsfragen mithilfe unterschiedlicher Methoden zu beantworten. Zunächst wurden die von der deutschsprachigen Manosphere genutzten Plattformen und Webseiten identifiziert, indem Manosphere-Accounts von verschiedenen Plattformen gesammelt und in einer Datenbank zusammengeführt wurden. Diese Accounts wurden dann mit Hilfe deduktiver und induktiver Codes kategorisiert, um die zentralen Untergruppen der deutschen Manosphere zu bestimmen. Anschließend wurde eine qualitative Analyse der deutschsprachigen Manosphere-Untergruppen durchgeführt, basierend auf Forschungserinnerungen, um deren zentrale Narrative und Strategien zu erforschen. Außerdem wurde eine explorative Kartierung der Manosphere-Netzwerke auf YouTube und Webseiten vorgenommen, um Erkenntnisse über Netzwerkdynamiken zu gewinnen und mehr über deren Vernetzungen zu erfahren. Obwohl diese Kartierung vorläufig und begrenzt war, zeigte sie Ansatzpunkte für weitere Forschung auf. Abschließend wurden geleitete halbstrukturierte Interviews mit fünf Expert*innen geführt, um Akteure außerhalb des Manosphere-Milieus zu identifizieren, die deren Botschaften verbreiten, und um zu erfahren, wie online geschlechtsspezifische Gewalt bekämpft werden kann.

Die Untersuchung zeigte, dass die Manosphere-Untergruppen Männerrechtsaktivisten (MRAs), Pick-Up Artists (PUAs), Redpiller, Incels und MGTOW alle im deutschsprachigen Online-Raum vertreten sind. Diese Subgruppen sind auf einer Vielzahl von Online-Plattformen aktiv, darunter TikTok, YouTube, Instagram, Telegram, X (ehemals Twitter), Facebook, Reddit, Twitch sowie in Foren und auf Webseiten. Während einige klare Präferenzen für bestimmte Plattformen zeigen, sind andere plattformübergreifend aktiv. Die explorative Forschung zu Manosphere-Netzwerken auf YouTube und zwischen Webseiten ergab, dass sich die politisch orientierteren Gruppen innerhalb der Manosphere tendenziell stärker untereinander auf Webseiten verlinken. Verbindungen zwischen Akteuren auf YouTube, gemessen an gemeinsamen Videos, wurden hingegen häufiger bei Manosphere-Gruppen mit ideologischer und individualistischer Ausrichtung festgestellt. Das YouTube-Netzwerk zeigte zudem die Differenzierung innerhalb der Manosphere, die Akteure umfasst, welche Merkmale aus verschiedenen Subgruppen kombinieren.

Zentrale Erkenntnisse zu den Forschungsfragen sind unter anderem:

  • Die deutschsprachigen Manosphere-Narrative spiegeln den internationalen Diskurs stark wider. Zentrale Konzepte wie evolutionär-psychologische Erklärungen menschlichen Verhaltens, das Konzept des „Red Pillings“ als ideologische Erweckung sowie stereotypisches Denken in verschiedenen hierarchischen Archetypen scheinen aus dem internationalen Manosphere-Diskurs übernommen zu sein. Dies spricht für die Internationalisierung antifeministischer Netzwerke und die Verbreitung misogynistischer Ideen und Argumentationsmuster.

  • Die Struktur der deutschen Manosphere und ihrer Untergruppen entspricht weitgehend den Gruppen in der internationalen Manosphere. Wie die englischsprachige Manosphere besteht die deutschsprachige Manosphere aus MRAs, PUAs, Incels, MGTOW und Redpillern. Die deutsche Manosphere umfasst zudem Männlichkeitscoaches, die versprechen, ihre Klienten durch die Stärkung ihrer Männlichkeit zu unterstützen, und dabei Aspekte der Redpill- und PUA-Ideologien verbinden.

  • In der untersuchten Datenbasis nutzen PUA, Redpiller und Männlichkeitscoaches vor allem audiovisuelle Plattformen. Diese Subgruppen verbinden ideologische Botschaften mit kommerziellen Dienstleistungen und nutzen Video-Plattformen zur Selbstvermarktung und Verbreitung ihrer Inhalte. MRAs sind eher auf Webseiten vertreten, die für politische Kampagnen und das Teilen persönlicher Geschichten in Form von Blogs genutzt werden.

  • Antifeministen, MRAs und FRA sind über ein Netzwerk von Webseiten-Links verbunden.

  • Auf YouTube verbindet ein Netzwerk aus gemeinsamen Videos PUAs, Redpiller und Männlichkeitscoaches. Diese Videokooperationen lassen sich sowohl als Cross-Promotion als auch als Ausdruck politisch-ideologischer Nähe und Austausch interpretieren.

  • Nur eine geringe Anzahl von MGTOW konnte in der Datenbasis identifiziert werden. Diese waren jedoch aktiv in Manosphere-Netzwerken involviert und interagierten mit Redpillern, MRAs und antifeministischen Akteuren. Auf deutschsprachigen Foren wurde eine kleine Zahl von Incels identifiziert, die inhaltlich weitgehend die Diskurspunkte der internationalen Incel-Szene wiedergaben, darunter extreme Frauenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus.

Auf Basis der vorläufigen Forschung zur deutschen Manosphere können einige vorläufige Empfehlungen zum Umgang mit misogynen Online-Inhalten formuliert werden, die mit den Empfehlungen der befragten Expert*innen übereinstimmen:

  • Einige Untergruppen der deutschen Manosphere nutzen Foren, um oftmals illegale misogynistische, rassistische, antisemitische und anti-LGBTQ+-Inhalte zu verbreiten. Regeln zur Moderation illegaler Inhalte, wie sie im Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) – dem deutschen Umsetzungsgesetz zum Digital Services Act (DSA) – festgelegt sind und in der Zuständigkeit des nationalen Digital Services Coordinators (DSC) liegen, könnten die Verbreitung solcher Inhalte verhindern. Weitere Forschung ist notwendig, um das Ausmaß illegaler Inhalte in Foren zu quantifizieren.

  • Eine bemerkenswerte Anzahl von Manosphere-Influencern ist auf audiovisuellen Plattformen wie YouTube und TikTok aktiv oder nutzt Instagram Reels, um vor allem junge Männer mit ihren Inhalten zu erreichen. Bildungsinhalte, die die Behauptungen dieser Influencer widerlegen oder potenzielle Zielgruppen immunisieren sollen, sollten ebenso zielgruppen- und plattformspezifisch gestaltet werden.

  • Bildungsinhalte sollten auf Social Media erstellt und verbreitet werden, um über manipulative Taktiken von Pick-Up Artists und die Gefahren sexueller Ausbeutung, die von manchen Manosphere-Akteuren propagiert werden, aufzuklären. Solche Inhalte können helfen, frühzeitige Warnzeichen zu erkennen.

  • Das Ausmaß an Toxizität und Gewalt in der deutschen Manosphere sollte durch quantitative Forschung in deutschsprachigen Manosphere-Communities untersucht werden. Solche Forschung könnte die Bedrohung demokratischer Prozesse und der individuellen Sicherheit durch die Manosphere beleuchten.

  • Angesichts der plattformübergreifenden Natur der deutschen Manosphere und der heterogenen Online-Community sollten Plattformen, die Teil dieses Ökosystems sind, in eine plattformübergreifende Koordination investieren. Außerdem sollten sie Online-Interventionen entwickeln, die darauf abzielen, dieses Ökosystem zu stören. Es sollten Kommunikationskanäle zwischen relevanten Teams, darunter Content-Moderationseinheiten, aufgebaut und gepflegt werden, um proaktiv Informationen über misogynistische Akteure und Taktiken innerhalb der Manosphere auszutauschen. Dieser Ansatz kann helfen, das Ausmaß und die Reichweite solcher Aktivitäten zu erfassen und koordinierte, informierte Reaktionen über Plattformen hinweg zu ermöglichen.

  • Technologieunternehmen und Regulierungsbehörden sollten die Rolle von Plattform-Funktionalitäten wie algorithmischer Verstärkung verstehen und untersuchen, wie diese zur Verbreitung der Manosphere beitragen, Traffic auf diese Community lenken und schädliche Inhalte verbreiten. Bestehende Regelwerke wie der Digital Services Act, der Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation und die Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt sollten genutzt werden, um die durch die Manosphere verursachten Schäden und Merkmale zu adressieren. Politische Maßnahmen, die einen risikobasierten Ansatz oder einen Sorgfaltspflicht-Rahmen verfolgen, könnten helfen, die Verstärkung grenzwertiger Inhalte zu mindern und gleichzeitig die Meinungsfreiheit zu schützen.

  • Technologieunternehmen sollten in die Content-Moderation in nicht-englischen Sprachen, beispielsweise Deutsch, investieren, um Manosphere-Inhalte bei Verstößen gegen die Plattformregeln adressieren zu können. Plattformen sollten sicherstellen, dass dies alle Sprachen berücksichtigt und sich nicht nur auf Englisch konzentriert.

Die Analyse der verschiedenen Gruppen innerhalb der Manosphere zeigte generell eine große Heterogenität, wobei Frauenfeindlichkeit als ideologischer Überbau zwischen und innerhalb der Gruppen fungiert. Die unterschiedlichen Ausdrucksformen von Frauenfeindlichkeit reichten von impliziten Behauptungen bis hin zu gewaltverherrlichenden Fantasien. Zudem zeigte sich die ideologische Nähe einiger Manosphere-Akteure zur extremen Rechten.

Um die deutsche Manosphere besser zu verstehen, ist weitere Forschung notwendig. Im Hinblick auf Netzwerke könnten zukünftige Analysen von YouTube-Netzwerken die Rolle von MRAs und FRA, die im untersuchten YouTube-Netzwerk kaum präsent waren, genauer betrachten. Solche Analysen könnten auch Links in YouTube-Videobeschreibungen berücksichtigen, um Netzwerke mit schwächeren Verbindungen abzubilden. Eine umfassendere Netzwerkanalyse könnte das Netzwerk auf plattformübergreifende Links und Netzwerke auf weiteren Plattformen ausweiten, inklusive gerichteter Links. Dabei könnten auch plattformübergreifende Strategien und mögliche Migrationen zwischen Plattformen untersucht werden. Weitere Forschungsfelder zur deutschen Manosphere sind plattformübergreifende Vergleiche von Narrativen, Taktiken und Strategien der Akteure sowie Untersuchungen zur Monetarisierung der Akteure. Die Rolle weiblicher Akteurinnen innerhalb der deutschen Manosphere verdient ebenfalls mehr Aufmerksamkeit. Weiterhin sollte Forschung in anderen geografischen und sprachlichen Manosphere-Kontexten betrieben werden, um die Zusammenhänge dieser Gemeinschaften zu verstehen. Durch weitere Analysen der Manosphere kann deren Einfluss besser eingeschätzt und Strategien entwickelt werden, um der online verbreiteten Frauenfeindlichkeit aus Manosphere-Gruppen entgegenzuwirken.

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