Die unendliche Geschichte Melde Dich an, um diesen Inhalt zu abonnieren 10 10

[Creal 135]

vor 14 Minuten, MissXYZ schrieb:

Gerade den kompletten Thread durchgelesen.
Punkt 1: Bitte schreib ein Buch. Mehrere Bücher. Irgendwas. 
Punkt 2: Viel, viel Glück für dein neues Kapitel.
Punkt 3: Danke für diesen Thread. 

In der vaterkarenz ist das Buch dann tatsächlich fällig. 

Danke 🙂

[Creal 135]

Ich schreib Anna eine Nachricht weil heute ihr letzter Arbeitstag bei uns in der Firma ist und ich mich im Urlaub befinde. Face2Face haben wir uns schon verabschiedet, aber irgendwie komisch.

 

Sie war lange im Krankenstand, ich war danach viel im Außendienst und somit habe ich ihr meine werdende Vaterfreude per Whatsapp übermittelt, da es ansonsten fast jeder in der Firma wusste. Seither war sie sehr komisch und distanziert. Und genau so war unser Abschied. Kein küsschen links, kein Küsschen rechts, kein machs gut, kein Lebe wohl. Nur einen kurzen Handklatsch, „Pass auf dich auf Anna“ – „Du auch auf euch drei“. Dann ist sie den Gang runter verschwunden. Auf nimmer wiedersehen. Bon voyage bitches. Danach bin ich in den Urlaub und sie ist ihre letzte Woche hier abgesessen.

 

Da ich nicht viel zu tun hatte im meinem fernen Reiseziel, ging ich einige Sachen durch, unter anderem auch noch mal die Geschichte mit Anna. Dabei habe ich überlegt ihr den Link zu diesem Thread zu schicken, habe mich danach schließlich dagegen entschieden. Ich wollt die Geschichte, zu unserer beider Wohl, nicht aufwärmen. Kam mir aber doch nicht richtig verabschiedet vor. Also denkt sich klein Creal nicht viel und schreibe „blabla alles gute, war mir ein innerer Genozid mit dir zu arbeiten, machs gut, etc. blabla“

„Ich nutze meinen letzten Arbeitstag für Hochzeitvorbereitungen. Wie du sicher schon gehört hast, haben wir uns am 18.11 verlobt. Dir alles gute in der Vaterschaft.“

 

Booom

 

Ich bin froh das ich zu diesem Zeitpunkt nichts im Mund hatte, weil sonst hätte ich mich verschluckt. Bitch what? Auch wenn es mich eigentlich nichts angeht, triggert es mich. Warum kann ich anfangs nicht sagen.

 

Ich geh den ganzen Scheiß noch einmal durch und lande irgendwann bei wer von uns beiden moralisch richtiger handelt. Creal der sein Tinder-Date von vor 6 Monaten geschwängert hat, oder Anna die mir vor 6 Monaten noch das Ohr vollgenörgelt hat wie untervögelt sie ist und mehrere Abende pro Woche bei mir bis weit nach Mitternacht abgehangen ist. Ich komme zu keinem entschluss.

 

Was mich an dieser Nachricht so stört, und da musste ich erst draufkommen, dass ich das „Rennen verloren habe“. Was ich natürlich nicht wirklich habe, aber Anna versucht es mir zu verkaufen. Alles an dieser Hochzeit ist seltsam, und am seltsamsten ist, dass die Verlobung so kurz nach der veröffentlichten Schwangerschaft ist. Nennt mich verrückt, sperrt mich ein, macht mich zu einem Opfer der Inquisition, aber ich glaube fest daran, dass es für sie ein Rennen war, welches sie nun gewonnen hat. In ihren Augen.

 

Dennoch ein Schlag in Gesicht für mich. Ich schreibe ihr noch eine längere Nachricht, gratuliere ihr und schreib ihr frech den Spruch welchen sie mir um die Ohren warf als sie von der Schwangerschaft erfuhr. Es kommt ein klar definiertes, und wahrscheinlich ebenfalls wohl überlegtes, „Danke“ zurück.

 

Wow Das wir unser Arbeitsverhältnis nicht im guten beenden war seit längerem abzusehen. Das wir es im schlechten beenden ist eine interessante Wendung. Dennoch wurde für mich alles gesagt, die Kanten sind klar. Statt einer wischi-waschi Verabschiedung mit Handschlag und Kuchen wurde mir ein indirektes „Fick dich, ich bin fertig mit dir“ in die Fresse geschleudert. Etwas mit dem ich deutlich besser umgehen kann, als mit halbwarmen Geschichten.

 

Creal: „Ein Abschied mit dem ich leben kann. Lebe wohl“

Anna: Keine Reaktion  

[Gast]

Am 1.3.2018 um 17:41 , Creal schrieb:

Als Muster haben wir eben aufgedeckt das ich mir Frauen raus suche, die ich nur semi-interessant finde, nur um mich ja nicht zu heftig zu verknallen, um dann ja nicht verletzt zu werden.

Ich kenne ganau das auch von mir. Eltern ebenfalls geschieden. Mutter hat meinen Vater verlassen. Finde es aber nicht schlimm und mache eher gute Erfahrungen damit. Bin mehr bei mir selbst und die aktuelle Dame schafft es mich auch bei der Stange zu halten. Geht sogar noch darüber hinaus. Sie ist eine wirklich tolle und trotzdem ich bin wesentlich mehr bei mir als ich das bei meinen "Trigger"-Frauen jemals war. Für mich eine funktionierende Sache die mich (und sie) im Moment auch glücklich macht. 

Ansonsten - klasse Thread literarisch ein echtes Highlight.

Dezember 3, 2018 bearbeitet von Gast

[Gast Ares89]

vor 3 Stunden, Creal schrieb:

Ich schreib Anna eine Nachricht weil heute ihr letzter Arbeitstag bei uns in der Firma ist und ich mich im Urlaub befinde. Face2Face haben wir uns schon verabschiedet, aber irgendwie komisch.

 

Sie war lange im Krankenstand, ich war danach viel im Außendienst und somit habe ich ihr meine werdende Vaterfreude per Whatsapp übermittelt, da es ansonsten fast jeder in der Firma wusste. Seither war sie sehr komisch und distanziert. Und genau so war unser Abschied. Kein küsschen links, kein Küsschen rechts, kein machs gut, kein Lebe wohl. Nur einen kurzen Handklatsch, „Pass auf dich auf Anna“ – „Du auch auf euch drei“. Dann ist sie den Gang runter verschwunden. Auf nimmer wiedersehen. Bon voyage bitches. Danach bin ich in den Urlaub und sie ist ihre letzte Woche hier abgesessen.

 

Da ich nicht viel zu tun hatte im meinem fernen Reiseziel, ging ich einige Sachen durch, unter anderem auch noch mal die Geschichte mit Anna. Dabei habe ich überlegt ihr den Link zu diesem Thread zu schicken, habe mich danach schließlich dagegen entschieden. Ich wollt die Geschichte, zu unserer beider Wohl, nicht aufwärmen. Kam mir aber doch nicht richtig verabschiedet vor. Also denkt sich klein Creal nicht viel und schreibe „blabla alles gute, war mir ein innerer Genozid mit dir zu arbeiten, machs gut, etc. blabla“

„Ich nutze meinen letzten Arbeitstag für Hochzeitvorbereitungen. Wie du sicher schon gehört hast, haben wir uns am 18.11 verlobt. Dir alles gute in der Vaterschaft.“

 

Booom

 

Ich bin froh das ich zu diesem Zeitpunkt nichts im Mund hatte, weil sonst hätte ich mich verschluckt. Bitch what? Auch wenn es mich eigentlich nichts angeht, triggert es mich. Warum kann ich anfangs nicht sagen.

 

Ich geh den ganzen Scheiß noch einmal durch und lande irgendwann bei wer von uns beiden moralisch richtiger handelt. Creal der sein Tinder-Date von vor 6 Monaten geschwängert hat, oder Anna die mir vor 6 Monaten noch das Ohr vollgenörgelt hat wie untervögelt sie ist und mehrere Abende pro Woche bei mir bis weit nach Mitternacht abgehangen ist. Ich komme zu keinem entschluss.

 

Was mich an dieser Nachricht so stört, und da musste ich erst draufkommen, dass ich das „Rennen verloren habe“. Was ich natürlich nicht wirklich habe, aber Anna versucht es mir zu verkaufen. Alles an dieser Hochzeit ist seltsam, und am seltsamsten ist, dass die Verlobung so kurz nach der veröffentlichten Schwangerschaft ist. Nennt mich verrückt, sperrt mich ein, macht mich zu einem Opfer der Inquisition, aber ich glaube fest daran, dass es für sie ein Rennen war, welches sie nun gewonnen hat. In ihren Augen.

 

Dennoch ein Schlag in Gesicht für mich. Ich schreibe ihr noch eine längere Nachricht, gratuliere ihr und schreib ihr frech den Spruch welchen sie mir um die Ohren warf als sie von der Schwangerschaft erfuhr. Es kommt ein klar definiertes, und wahrscheinlich ebenfalls wohl überlegtes, „Danke“ zurück.

 

Wow Das wir unser Arbeitsverhältnis nicht im guten beenden war seit längerem abzusehen. Das wir es im schlechten beenden ist eine interessante Wendung. Dennoch wurde für mich alles gesagt, die Kanten sind klar. Statt einer wischi-waschi Verabschiedung mit Handschlag und Kuchen wurde mir ein indirektes „Fick dich, ich bin fertig mit dir“ in die Fresse geschleudert. Etwas mit dem ich deutlich besser umgehen kann, als mit halbwarmen Geschichten.

 

Creal: „Ein Abschied mit dem ich leben kann. Lebe wohl“

Anna: Keine Reaktion  

Was zum Teufel, Alter?!

Alter. Seit sechs (!) Monaten kennst du deine neue Lady und willst schon ein Kind mit ihr.

Creal, bist du dir echt sicher, dass du das willst? Ich meine, wenn du irgendwelche Sehnsüchte nach dem Vater-sein verspürst, ok, aber hatte dir Botte nicht vor einem halben Jahr noch dein Problem mit dem Alleinsein aufgezeigt? Und deine Erfahrung mit der Scheidung deiner Eltern. Dude, so etwas kann dir auch passieren. 

Ich will dir echt nichts Schlechtes wünschen und denke, dass bei dir einige Sachen noch ganz und gar nicht geregelt sind - und das hat nur mit dir selbst zu tun, nicht mit deiner neuen Lady oder dieser Anna. 

Bonne chance

[Creal 135]

Sie kommt mir heute kleiner vor als sonst. Mit ihren kurzen, blonden Haaren sitzt sie vor mir und zieht an ihrer Zigarette. So klein kam sie mir noch nie vor. In den letzten 10 Jahren ist sie gealtert. Die Haut wurde runzliger, der Rücken ein wenig krummer und die Knie steiffer. Schweigend sitzen wir uns gegenüber, sippen ab und an an unserem Kaffee und sie zieht an ihrer Zigarette. Ob sie wirklich kleiner wurde, frage ich mich? Oder liegt es am krummen Rücken? Sie schweift aus: "Wie geht es deiner Freundin mit der Schwangerschaft, habt ihr einen Kinderwagen?"
"Ja, wir haben uns am Wochenende einen gekauft. Gebraucht. Gute Marke. Mit Babywanne und Kindersitz. Alles in allem haben wir 300 Euro bezahlt. Es war ein gutes Angebot."
Es fällt ihr schwer sich auf meine Angelegenheiten zu konzentrieren: "Aber wenn es schlimm wäre, dann hätte der Urologe nicht zu unbesorgt geklungen. Das bisschen Blut, was macht das schon?"
"Ich weiß es nicht Mama, ich bin kein Arzt. Angst zu haben ist OK, auch wenn wir alle schon immer wissen das es dem Ende zugeht"
"Ich hab keine Angst, wenn es vorbei ist, dann Fall ich um und gut ist es. Aber die paar Zysten, die kann man ja ohne Vollnarkose operieren, und das bisschen Blut im Urin, was macht das schon?"

Ich schaue wieder auf mein Handy. Ich weiß nicht was ich sagen soll. Was sagt man auch wenn einem die eigene Mutter was von Blasenkrebs erzählt? Von einem kleinen bisschen Blut im Urin? Das sie nicht drüber reden will, sie kann es eh nicht ändern? Und ohnehin, dass kleine bisschen Blut Urin, was soll das schon groß sein? Ich habe einem befreundeten Arzt ihre Befunde gesendet, damit sie nicht eine Woche warten muss auf die Auswertung des CT. Kurz darauf schrieb ich dem gleichen Arzt das ich es nicht wissen möchte. Ich möchte meiner Mutter nicht erklären müssen das sie Krebs hat. Er antwortet lange nicht, dann kommt ein betroffenes "Tut mir leid, sieht nicht gut aus". Ich geh nicht drauf ein.

Mein Stiefvater kommt nach Hause und stellt Waschmittel auf den Tisch. "Kommt in den Keller?" fragt er. Ohne sich die Jacke oder Schuhe abzustreifen, ohne seiner Frau einen Schatz-ich-bin-zu-Hause zu geben verschwindet er in den Keller. Ich muss eine Träne zurück halten. Nicht weil meine Mutter vielleicht Krebs hat, sondern weil Gefühle hier verboten sind. Man redet nicht über Angst, über Krebs, über ein Leben nach dem Tod. Man küsst sich auch nicht. Denn auch das wären Gefühle. Sie kommt mir heute kleiner vor als sonst. Ich fühle mich unwohl. Alten kleinen Frauen sollte man helfen die Einkauf in den Kühlschrank zu stellen, nicht alleine beim heißen Herd stehen lassen. Ich setze mich auf die Küche, rutsche hin und her, setze mich auf die Bank. Nein, ist mir auch nicht recht "soll ich dir was helfen?" - sie braucht keine Hilfe. Ist sie wohl doch nicht so alt. Vor allem alte Menschen haben ihren Stolz und wollen sich nicht helfen lassen. Ich aktzeptier das und lass mir noch einen Kaffee herunter.

"Der Befund klingt nicht so gut" verlautbart sie mit vollem Mund "viele Zysten, manche 7 cm groß". Obwohl niemand den Befund wirklich versteht, reimen wir uns mit den einzelnen deutschen Wörter eine Diagnose zusammen. "Aber wenn sie gutartig sind, dann kann man sie ohne Vollnarkose raus nehmen" - "Mama, ich bin kein Arzt, ich weiß es leider nicht". Wir drehen uns im Kreis. Ich wäre gerne ein besserer Sohn. Einer der sie in den Arm nimmt und ihr recht gibt. Wegen so einem bisschen Blut macht man doch keinen Aufstand. Sie solle sich keinen Kopf machen und in 14 Tagen ist das alles erledigt. Aber so ein Sohn bin ich nicht. Ich verspreche ihr nicht ads alles gut wird, ich nehme sie auch nicht in den Arm. Ich bin damit beschäftigt ihr zu erklären das ich kein Arzt bin. Ich bin von Beruf her Feigling. Ich übernehme keine Verantwortung für dich! Das soll dir gefälligst dein Arzt sagen! Und was wenn du mich ansonsten auf einmal mit deinen Gefühlen konfrontierst, wie soll ich denn damit umgehen können?

"Wir müssen alle sterben. Letzte Woche erst. Da ist Ingrid gestorben, ich habe ein paar Minuten vor ihrem Ableben mit ihr telefoniert. Sie war ganz klar. War beim Friseur. Für was soll sie jetzt noch sparen?" riss mich Mama aus meinen Gedanken.
"Ingrid war 80, Mama. Du bist 58! Da ist ein Unterschied"
"Aber unsere Zeit ist begrenzt. Bei der Geburt steht unser Todestag schon fest. Das weiß ich. Das ist so!".

Wir haben noch nicht mal die Diagnose und schon reden wir von Tod, Unglück und verderben. Drehen uns wieder im Kreis. Reden über Zysten, Kinderwägen und der Sterbestation im örtlichen Krankenhaus. Es zerrt an mir. Als sie mich zum Bus fährt bin ich traurig und verunsichert und weiß nicht was ich sagen soll. Will ihr anbieten das sie mich anrufen soll wenn sie quatschen mag. Das es okay ist nicht mit Schmerzen leben zu wollen, dass der Tod ein Teil vom Leben ist. Ich will ihr sagen das es mir leidtut das ich es nicht sagen kann. Aber auch das gelingt mir nicht. Sie umarmt mich und verspricht das sie mich nach dem nächsten Arztbesuch anruft und mir sagt was sie hat. Aber ich soll mir keine Sorgen machen. Denn ich bin ja ihr kleiner Sohn. Und überhaupt, wegen so einem bisschen Blut im Urin?