Offener, sympathischer, "angreifbarer" werden

8 Beiträge in diesem Thema

Empfohlene Beiträge

Hi, ich hatte vor ein paar Tagen einen Augenöffner, nach dem ich nun beschlossen habe, dass ich meine Einstellung ändern muss. 

Ich (M, 28) hatte in meinem Praktikum (Praxissemester im Studium) ein Zwischenfeedback nach 3 Monaten, wie ich mich verhalte, Zuverlässigkeit, etc... Die Ergebnisse waren gut, ich gebe mir immer Mühe alle Aufgaben. Allerdings hat mein Praktikantenbeauftragter ein Thema angesprochen, dessen ich mir schon länger mehr oder weniger bewusst bin. Und es nervt mich mittlerweile selber. 

Ich muss dazu sagen, ich arbeite mit einer extrem offenen anderen Praktikanten zusammen, die mich etwas in den Schatten mit ihrer Offenheit und Extrovertiertheit stellt. Sie geht auf alle anderen zu, redet die ganze Zeit quer durchs ganze Büro (was allerdings teilweise auch etwas nervig ist, wenn man in eine Aufgabe vertieft ist)

Jedenfalls sagte er sagte ich bin zu verschlossen bei Aufgaben und gehe zu wenig auf andere Menschen zu und hole mir zu wenig Feedback sondern versuche alles immer alleine, was er grundsätzlich auch gut findet bis zu einer gewissen Grenze, da Feedback von anderen sehr wichtig ist um auch andere Perspektiven einzuholen. 

Das war der Punkt wo ich über mich selber nachgedacht habe.  Er hat absolut Recht, ich frage andere Menschen kaum nach Ihrer Meinung, weil ich nicht angreifbar sein möchte für Kritik etc. Ich möchte einfach immer "perfekt" sein und keine Angriffspunkte bieten. Ich glaube, dass das irgendeine Störung von mir ist die ich aus der Kindheit mitgenommen habe. Ich bin der einzige Mann in der Familie, da mein Vater gestorben ist und musste für meine Schwester und Mutter immer der "Starke" sein. Mittlerweile bin ich mir aber nicht sicher, ob ich mir das selber immer nur vorgespielt habe.. Das Problem ist, dass das alles sehr verankert in mir ist und ich mir sehr schwer tue mit neuen Menschen und erst mit der Zeit auftaue. Deswegen ist das nicht ganz so einfach in einem Praktikum, sofort mit allen Mitarbeitern vertraut zu werden.

Ich habe auch viel Angst vor dem Gedanken, dass andere schlecht über mich denken könnten, wenn ich z.B. etwas falsches oder unangebrachtes sage, also dem daraus resultierenden Achtungsentzug, oder der geringeren Wertschätzung. 

Ich merke das mittlerweile auch in der Beziehung zu meiner Freundin. Ich schaffe es in einem Streit einfach nicht mich zu entschuldigen, falls ich etwas blödes gesagt habe, sondern will eigentlich immer durch ignorieren erzwingen, dass sie irgendwann auf mich zukommt und sich zuerst entschuldigt. Es fällt mir einfach extrem schwer, mich "unterzuordnen" in der Situation, weil ich Angst habe dann ausgenutzt zu werden, obwohl ich weiß dass ich manchmal in einem Streit tatsächlich der Schuldige bin. Man könnte auch sagen, ich denke dass ich etwas Besseres bin, was ich natürlich nicht bin.. Ich bin fast etwas geschockt und denke mir, dass ich doch garnicht so arrogant sein kann. Ich habe nämlich auch viele sehr fürsorgliche und hilfsbereite Seiten.

Für mich haben alle diese Punkte einen gemeinsamen Ursprung, den ich nicht ganz deuten kann. Aber ich möchte mich unbedingt ändern und  werden und meine Persönlichkeit wirklich stärken. Ich habe das Gefühl, dass ich mir zu oft selbst etwas vorspiele und nicht der bin, der ich denke zu sein.. Wie kann ich mich positiv in die richtige Richtung verändern?

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
Auf anderen Seiten teilen
Gast

Dinge änderst du indem du sie einfach anders machst. Dein Verhaltensmuster kommt wahrscheinlich aus irgendwelchen Ängsten. Wenn du dich anders verhälst, stellst du dich deinen Ängsten und kannst sie so überwinden. "Einfach" machen. 

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
Auf anderen Seiten teilen

Weißt du ich arbeite mit jemanden zusammen, der dir recht ähnlich sein dürfte. Er versucht die perfekte, heile Welt zu konstruieren. Aber so ist die Welt nicht, von keinem von uns. Seine Schwächen kann man kaum verbergen und je mehr man es versucht, desto absurder kommen sie eigentlich zum Vorschein.

Ich kann dir eigentlich nur einen Tipp geben: Sei offener, zeig mal Schwächen und lass dich dann davon überraschen, wie viele empathische Menschen es da draußen gibt, die dich so akzeptieren wie du bist und dir in Folge noch viel mehr Sympathie entgegenbringen werden.

Sollte dies in deinem Umfeld überhaupt nicht der Fall sein, dann liegt es nicht an dir, sondern an den komischen Menschen um dich herum.

Gerade als Praktikant bist du doch da um zu lernen, Eindrücke und Feedback einzusammeln. Sieh jede Kritik als Chance zum lernen und bedanke dich für die Hilfe anderer. Lass dir nicht einfach andere Meinungen überstülpen, aber versuche immer zu reflektieren, ob die andere Person nicht vielleicht einen besseren Ansatz haben könnte oder es auf Basis eurer beider Meinungen einen noch besseren Weg gibt.

Ich habe letztens eine neue Formel vorgestellt die uns einen Durchbruch ermöglicht. Ich wurde von den Kollegen angeguckt als sei ich der allmächtige Gott und dies war mir fast schon etwas unangenehm. Als ich dann den Vortrag damit fortgeführt habe, wie sehr ich zuerst dabei ansetzen musste meine Schulmathematik wieder aufzufrischen, wie verzweifelt ich im Netz nach dieser oder jenen Geschichte recherchiert habe und als ich dem Aufgeben nahe war beim Zähneputzen kurz vor dem Schlafengehen der entscheidende Einfall dazu kam, da mussten alle herzlich lachen und konnten sich mit mir als Person wieder identifizieren. Wir sind alles keine Zauberer und die von denen man es am meisten denkt, haben die größte Fallhöhe im Realitycheck.

  • LIKE 1

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
Auf anderen Seiten teilen

Du gibst unendlich viel Angriffsfläche. Je perfekter du sein willst, desto leichter ist es, dich aus dem Konzept zu bringen.

Kritikfähigkeit bedeutet aus Fehlern lernen zu können. Lernen ist die Grundlage unserer Erfahrungen. 

Kritikfähigkeit bezeichnet eine persönliche Fähigkeit, die es dir erlaubt, deine Handlungsweise zu überprüfen. Sie ist eine Rückmeldung deiner Umwelt auf dein Verhalten. Ist Kritik berechtigt, kann sie sehr wertvoll sein. Oft empfinden wir sie leider eher als frustrierend. Wir haben dann das Gefühl uns möchte jemand Kleinmachen, erniedrigen, und erwarten einen Statusverlust den es instiktiv abzuwehren gilt. Wir blockieren, ignorieren, sind beleidigt, schlagen verbal zurück oder meinen uns rechtfertigen zu müssen. Besonders schlimm ist persönliche Kritik. Somit verschließen wir uns auch gut gemeinter Kritik. Die, wenn wir es richtig anstellen, dazu dienen kann, uns eine Stufe auf der Entwicklungsleiter höher zu bringen. Und genau das nimmst du dir, wenn du dir die Kritik, der du gegenüberstehst, nicht genau unter die Lupe nimmst.

Richtige, erst zu nehmende Kritik, ist immer sachlich, Das heißt sie richtet sich nicht gegen dich persönlich. Sie behandelt einen Sachverhalt, oder eine Situation, oder vielleicht einfach nur eine Verhaltensweise von dir. Niemals aber stellt sie dich als Mensch in Frage.

Wenn du es hier schaffst, zwischen dir und der ausgesprochenen Kritik ein bisschen Distanz zu bringen, es schaffst eine Grenze zu ziehen, die es dir ermöglicht, diese Kritik näher zu betrachten, ohne dich persönlich angegriffen zu fühlen, dann wirst du irgendwann feststellen, das Kritik ein Booster sein kann. In beide Richtungen.

Ist die Kritik berechtigt, kannst du die Verhaltensweise, die Situation, oder den Sachverhalt ändern und somit verbessern. Zum Beispiel dich bei deiner Freundin entschuldigen, weil du einfach was Blödes gesagt hast. Denn zu einer guten Beziehung gehören immer zwei. Zu einer schlechten Beziehung reicht einer aus. 

Ist die Kritik nicht berechtigt, dann hat wohl nur dein Gegenüber ein Problem, und da muss man lernen, drüber zu stehen. Hier ist es auch oft ein polarisierendes Fundament, welches diese Situation geschaffen hat. Sprich: Du hast einfach deine Meinung zu etwas, vertrittst diese und weichst nicht davon ab und dein Gegenüber hat halt ne andere Meinung als du und "meckert"  wird vielleicht sogar noch persönlich. 

Wer sich jetzt fragt, wo hier der Booster liegt; seine eigene Meinung zu vertreten und nicht einzuknicken, weil man sich sicher ist (worin auch immer), erhöht exponentiell das Wachstum seines Selbstvertrauens. 

Mir persönlich ist eine ehrliche Kritik lieber, als ein faules Kompliment.

 

  • TOP 1

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
Auf anderen Seiten teilen

Danke für all die extrem hilfreichen Antworten! Die helfen mir sehr weiter. Vor allem der Beitrag von Firster hilft mir sehr weiter. Wie du bereits sagst, die Trennung von sachlicher zu persönlicher Kritik findet nach meiner Reflektion über mich so gut wie gar nicht statt. Ich beziehe so gut wie alles auf mich persönlich. Ich habe die letzten 2-3 Wochen versucht aktiver auf Leute zuzugehen und auch nach ihrer Meinung zu fragen und habe überraschenderweise viele hilfreiche Verbesserungsvorschläge aber auch Lob bekommen. Solange man sich wertgeschätzt fühlt in der Situation ist es ein sehr gutes Gefühl Kritik, die einen weiterbringt zu bekommen. Ich versuche jetzt weiter zu machen, auch wenn es mir immernoch teilweise sehr schwer fällt in die "Hilfesuchende" Position zu gehen. 

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
Auf anderen Seiten teilen
Gast
Am 30.11.2019 um 20:46 , Alpzz schrieb:

Ich glaube, dass das irgendeine Störung von mir ist die ich aus der Kindheit mitgenommen habe. Ich bin der einzige Mann in der Familie, da mein Vater gestorben ist und musste für meine Schwester und Mutter immer der "Starke" sein. Mittlerweile bin ich mir aber nicht sicher, ob ich mir das selber immer nur vorgespielt habe.. 

Für diesen Absatz bin ich dir gerade dankbar. Das Thema sich von seine Ängsten leiten lassen, ist auch bei mir gerade wieder Mal hochgekommen. Und ich bin auf der Suche nach den Ursachen.

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
Auf anderen Seiten teilen
vor 13 Stunden, Sam Stage schrieb:

Das Thema sich von seine Ängsten leiten lassen, ist auch bei mir gerade wieder Mal hochgekommen. Und ich bin auf der Suche nach den Ursachen.

Hier liegt häufig die Crux. Ängste sind irrational und auch wieder nicht. 

Befindet man sich in einem Krisengebiet, z.B. in einer Situation, in der einem der Arsch weg geschossen werden könnte, ist Angst nützlich, denn es geht um unser Leben.

Befindet man sich jedoch z B. in einer Situation, die einem im Grunde nichts anhaben kann, sind es unsere Gedanken, die unsere Gefühle und dann das Verhalten steuern. Alleine der Gedanke, sich in einer bestimmten Situation wiederzufinden, die einem äußerst unangenehm ist, sorgt oft dafür, dass wir um diese, einen weiten Bogen machen.

Aber was man auch versucht um solchen Ereignissen zu entgehen, es geht weder oben drüber, noch unten durch, noch nach rechts oder links, sondern nur mittendurch.

Und dass, was man so aus der Kindheit mitschleppt, ist doppelt zu prüfen, denn als Kind, hat man keine Vergleichsmöglichkeiten, die einem dabei helfen könnten eine Situation oder ein Ereignis auf Herz und Nieren zu prüfen. Man nimmt Glaubenssätze auf und verinnerlicht diese, obwohl es gar nicht die eigenen sind.

Auf der Suche nach den Ursachen, werden dir deine Glaubenssätze ein Wegbereiter sein.

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
Auf anderen Seiten teilen

Erstelle ein Mitgliedskonto, oder melde Dich an, um zu kommentieren

Du musst ein Mitgliedskonto haben, um einen Kommentar verfassen zu können

Mitgliedskonto erstellen

Registriere Dich ganz einfach in unserer Community.

Mitgliedskonto registrieren

Anmelden

Du hast bereits ein Mitgliedskonto? Melde Dich hier an.

Jetzt anmelden

  • Wer ist Online   0 Mitglieder

    Aktuell keine registrierten Mitglieder auf dieser Seite.