Cosmo Schweighäuser

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  1. "Grau, teurer Freund, ist alle Theorie!" Ich würde Mephisto nicht zwingend zustimmen -- Theorien können faszinierend sein, weswegen ich mich auch an der Universität auf theoretische Astrophysik spezialisierte -- doch die Praxis ist mindestens ebenso aufregend... "aufregend" ist das richtige Adjektiv, denn aufgeregt war ich, und wie! Endlich aus dem verschlafenen Städtchen in die Groß- und Hauptstadt Berlin umgezogen, wo ich ein "Bezahlhobby" gefunden hatte, das mir hinreichend Luft für meine Unbezahl-Arbeit (Bücher schreiben) ließ: Jetzt konnte ich auch das "Projekt Freundin" in aller Ruhe starten. Doch mit innerer Ruhe war's vorbei, als ich zu meiner ersten experimentellen Mission auszog: Eine Frau ansprechen, und schauen, wie sie reagiert! Ich hatte bereits im Forum gelesen, dass es unklug sei, extra zum Ansprechen auszuziehen; man solle dies lieber mit den Dingen, die man ohnehin unternimmt, kombinieren. Dies schien mir sehr klug; daher brach ich auf, um mich bei der Stadtbibliothek Berlin anzumelden und nebenher meinen ersten Versuch durchzuziehen. In der Bibliothek war es recht ruhig und fast ausgestorben. Nur wenige Leute saßen im Eingangsbereich und der Cafeteria, darunter kaum junge Frauen. Also erstand ich erst einmal mein Leihkärtchen -- dann rief mich auch noch mein Chef an und bat mich, einen Report über einen indischen Industriellen zu verfassen... nun gut! Der indische Industrielle hatte einen für europäische Ohren sehr eingängigen, onomatopoetischen Namen. Doch bevor ich mich mit ihm näher befasste, sollte erst einmal mein erstes Frauenexperiment steigen! Hm... keine Damen in Sichtweite! Ich würde einen anderen Ort aufsuchen müssen. Der Berliner Fernsehturm wuchtete in geringer Entfernung in den Abendhimmel. Alexanderplatz. Warum nicht dorthin spazieren. Schließlich wuselt es dort stets vor Menschen. Über die Spree. In meinem Magen bildete sich ein Knoten. Einfach so etwas Alltägliches zu einem fremden Menschen welchen Geschlechts auch immer zu sagen: Fällt mir nicht schwer. "Entschuldigen Sie, können Sie mir sagen, wo es zum Bahnhof Hintertannenwaldstadlgupfingen geht?" -- nicht schwierig. Ich zielte also bereits auf die nächste Stufe: Einer Dame etwas nettes sagen; einen Flirt initiieren. Und hier wurde es schwierig, einschüchternd, umwerfend... gruselig! In einem Forumsthread bemerkte jemand, Männer würden doch eigentlich auf ihre Ziele stracks zutraben -- sportlicher werden? Man geht zum Sportverein; hungrig? Man macht oder kauft sich etwas zu essen oder geht ins Restaurant; Harndrang? Toilette oder Baum oder Zaun (allerdings Achtung vor Elektrozäunen!!) -- bis auf das Verlangen nach Kontakt mit der holden Damenwelt: da wird man plötzlich klein und weicht taumelnd vom Weg ab, erfindet tausend Ausreden: Jetzt nicht -- falscher Ort! -- falsche Situation! -- zu spät, zu früh, ich bin zu müde... denn nichts fürchtet der Mensch mehr, als in den Augen anderer lächerlich zu sein, und wer eine Dame anspricht, setzt seine gesamte Persönlichkeit einer kritischen Durchleuchtung aus (fürchtet man zumindest). Das Einkaufszentrum "Alexa". Lauwarmes Easy-Listening-Gedudel aus den Lautsprechern, treibende Menschenströme, Buchhandlungen, Boutiquen, Papiergeschäfte, Fanartikel, Kaffee, Schokolade, Parfum... Reichlich Damen an allen Ecken und Enden. Der Knoten in meinem Magen enorm. "Werde mich nicht trauen -- nicht trauen -- nicht trauen! Ich werde Ausreden erfinden und nachhause huschen und mich über mich selbst scheckig ärgern... jetzt!, diese hier ist hübsch, sie werde ich... argh! Feine Kabel springen von ihren Ohren zum Smartphone, sie hat sich von der Welt abgekapselt. Da drüben, sieht sie nicht nett aus? Aber fünfzig Meter entfernt: ich kann ihr ja schlecht hinterherrennen. Da, die mit gefärbtem Haar schaut lustig aus -- aber geht mit ihrem Freund Arm in Arm. Oh, dort auf der Sitzbank: Herrliches Haar -- aber ebenfalls smartphoneverkabelt! Diese dort? Zu weit fort. Diese hier? Schaut so mürrisch. Die da hinten? Verschwindet im Maniküre-Salon, wohin ich ihr kaum folgen kann, ohne Aufsehen zu erregen -- überhaupt, Aufsehen: Starren mich nicht schon alle an?? Oh, der schlimme gruselige Mann, der Frauen zum Ansprechen abpassen will! Sei still, irrationaler neuronaler Schaltkreis! Ich gehe mal vor die Tür, eine Zigarette rauchen..." Unter solchen Gedanken verging die Zeit, bis das Glockensignal ankündigte, dass das Einkaufzentrum bald schließen werde. "Aber, ABER: Heute werde ich keinen Rückzieher machen! Ich habe mir dieses Experiment vorgenommen, und ziehe es durch! DOCH! Ich gehe nicht nachhause, ohne mit einer Dame gesprochen zu haben, PUNKT!" Draußen nieselte es. Ich steuerte die S-Bahn-Station an. Vielleicht in der Bahnhofsbuchhandlung...? Ach, ich wollte noch nicht zur S-Bahn. Auf dem Alex krakehlten irgendwelche Montagsdemonstranten in breitem Sächsisch über die "Oabaidsloosichgaid", schreckliches Getöse. Die Galeria Kaufhof sah einladend ruhig aus, meine Füße steuerten dorthin. Vor einem Handtaschenstapel stand, recht zerstreut und etwas ziellos scheinend, ein Mädchen, eine wunderschöne Schwarze. Der Knoten im meinem Magen löste sich auf in reinem Willen, im Willen, sich in den Abgrund, den eisigen Fjord zu stürzen; keine Furcht, keine Bedenken mehr -- nur noch: vorwärts, vorwärts! "Entschuldigen Sie. Ich musste es Ihnen einfach sagen: Sie sind wunderhübsch!" "Oh, excuse me, I don't speak German, I'm from England!" Des Englischen war ich doch mächtig -- und ihre Sprache klang so fein artikuliert, schönes altes Britisch -- da wiederholte ich mein Kompliment auf Englisch. [Ab nun alles übersetzt.] Sie strahlte über das ganze Gesicht: "Vielen, vielen Dank!" Sie streckte ihre Hand aus, ich ergriff sie, behielt sie vielleicht einen winzigen Augenblick länger, als es bei einer simplen Begrüßung eines Fremden gebräuchlich ist. "Ich mag mein Glück hier auf die Probe stellen, aber würden Sie mit mir eine Tasse Kaffee trinken gehen?" Sie wollte, was mich nicht übel verblüffte. Erst heute früh sei sie aus London angekommen -- eine Geschäftsreise -- sie wolle sich ein wenig umsehen. Wie sie heiße, fragte ich, als wir vor den Eingang des Kaufhofs traten. "Ashley" [Name geändert]. "Cosmo" [ -- natürlich auch nicht realer Name ;) ] -- wir schüttelten erneut Hände, und diesmal behielt ich ihre vielleicht noch ein Mikrosekündchen länger als beim ersten Mal. Auch erst seit rund neun Wochen in Berlin, waren mit keine Cafés in der Umgebung des Alex geläufig; einer spontanen Eingebung folgend lud ich sie zu Dunkin Donuts ein. Sie erzählte von England und den Reisen, die sie gerne machte, ich von Berlin und Deutschland und sah ihr in die Augen -- wie hübsch ihr Gesicht war! dichtes schwarzes Haar, dunkelbraune Haut, volle Lippen, tiefdunkle Irisse -- und erzählte, dass ich sowas bislang selten gemacht habe -- Mädchen spontan ansprechen -- ihre nette Reaktion habe mich überrascht. Sie werde in London oft angesprochen -- sagte sie -- aber fühle sich in meiner Gegenwart völlig wohl. Komfort hatte ich somit schon aufgebaut; doch reizte es mich natürlich, einen Hauch von erotischer Spannung zu entzünden. Wie gern wollte ich ihre Hand nochmal berühren -- länger, minutenlang, stundenlang -- oder sie sogar küssen, auf ihren vollen, feuchten, herrlichen Mund. Doch dies lag noch eine Stufe höher. Ich hatte auf einen Schlag mehr erreicht, als ich erhofft hatte. Ein Gespräch von dreißig Sekunden Länge, ein wenig Gelächel hatte ich angestrebt, stattdessen: Ein Sofort-Date. Dafür, dass ich erst kürzlich aus einer Situation längerer sozialer Isolation nach Berlin ausgebrochen war, ein mehr als überraschendes Ergebnis. Ich erwähnte das Großbuch, an dem ich seit 2012 arbeite, was Ashley nicht übel zu beeindrucken schien (obwohl's ja noch nicht fertig ist); ich fügte hinzu, es orientiere sich teilweise am Stil des Berliner Giganten Alfred Döblin. Den kannte Ashley nicht, ich empfahl ihr, passend zu unserer Umgebung, "Berlin Alexanderplatz". Man sah an ihren Augen, wie sie sich den Titel deutlich einprägte. Ashley bemerkte, sie wolle sich ein wenig in der Umgebung umsehen, schließlich sei sie erst zum zweiten Mal in Berlin. Ob sie einen Spaziergang machen wolle? Sie stimmte eifrig zu, wir gingen hinaus, und ich war ein Stückchen ratlos, da ich den Stadtteil auch noch nicht in- und auswendig kannte. Mehr oder minder nach dem Zufallsprinzip steuerten wir in Richtung Deutscher Dom und Parlament. Ashley war tief beeindruckt von der Koloss-Architektur auf dem Alexanderplatz, dem Turm und dem zugehörigen Komplex, sagte, soetwas gebe es in London nicht. Es sei bemerkt, dass die Briten mit ihrem Brutalismus in den 1960ern etwas der sozialistischen Wuchtarchitektur entfernt Ähnliches hatten -- doch das erwähnte ich nicht: vielmehr hoffte ich inständig, hinter der Kuppel des Deutschen Doms möge ein feuerspeiender Drache hervorstürzen und Ashley entführen, damit ich sie retten konnte. Der Drache blieb aus. Bis zum Dom gingen wir nicht, Ashley sagte, ihre Füße täten ihr weh, sie habe Hunger! In meinem Kopf begann es zu wirbeln: Mit ihr zu abend essen wäre ein weiterer, ganz unerwarteter Schritt aufwärts... aber ich hatte keinen Cent Geld mehr einstecken (natürlich nahmen viele Restaurants Karten an...) -- doch die wenigen Restaurants in der Umgebung gefielen Ashley nicht (ein Steakhaus und ein "Kartoffelhaus"), sie wollte zurück in ihr Hotel und dort etwas essen. Sie würde nur bis Mittwoch in Berlin bleiben. "Wenn du länger bliebest, würde ich jetzt nach deiner Nummer fragen", sagte ich; sie lachte sehr freundlich, liebevoll fast: "Das ist so schrecklich nett, aber in London habe ich schon einen Freund." Ich sah vergnügt und sehr entspannt drein. Beim ersten Experiment hatte ich meine eigenen Erwartungen um den Faktor 1000 übertroffen, sollte es mich jetzt grämen, dass sie in einer Beziehung war, ich somit keine Liebesnacht in ihrem Hotelzimmer folgen lassen konnte? Ein Verführungsprofi hätte das möglicherweise geschafft -- aber hey! So hoch ziele ich gar nicht, ich suche eine coole Freundin, dazu will ich nicht unbedingt anderer Leute Beziehungen verderben. Ich war viel zu entspannt, um auch nur einen Hauch von Verdruss über irgendetwas zu empfinden. "Du machst das ganz richtig, sprich weiter Frauen an, so findest du eine Freundin!" -- Ashley. Nun, da konnte ich nur zustimmen! Der ganze Sommer liegt immerhin vor uns. Meines Erachtens nach ist die Frage nicht, ob ich eine Freundin finde, sondern eher wann und wie. Zum Abschied durfte ich die Ashley zweimal knuddeln, das zweite Mal sogar ziemlich fest und lang: da machte sie ein niedliches, quiekendes Geräusch, die Art, die Mädchen von sich geben, wenn sie etwas bezaubernd und nett finden. Sie strahlte mich an, wir winkten -- dann, wie Kurt Tucholsky schreibt: Vorbei, verweht, nie wieder... Aber ich schwebte auf Endorphinwolke Nr. 999. Honigkuchenpferdselig zur S-Bahn. Im Wagen wollte ich ein wenig Rabelais' "Gargantua" lesen, hielt aber das Buch vorwiegend auf meinem Schoß und schwärmte und träumte noch ein wenig von der Ashley... Experiment Nr. 1. Eine Prise Anfängerglück wohl. Bis zur Freundin sind noch einige Stufen zu überwinden; da werden Misserfolge, Zurückweisungen nicht ausbleiben, möglicherweise bis hin zu "Hau ab!" und Backpfeifen und Ähnlichem. Aber der erste Sprung ist schon einmal getan, da sollten die weiteren glücken. Ich bin kein Freund von unnötigem Stress und Kummer und Aufregung. Das "Freundin-Projekt" gehe ich in aller Ruhe an. Weitere Experimente werden folgen, schon bald. Bei Interesse werde ich hier in diesem Thread kleine Reportagen darüber schreiben.
  2. Die Spontan-Methode von @Neocasanova hat heute funktioniert; habe in der S-Bahn Telefonnummer von einer sehr hübschen Dame aus Weißrussland ergattert -- mit nettem Kompliment ("Ihre Augen sind so wunderschön blau wie der Himmel...") und direktem Fragen nach der Nummer! (Ob die erhaltene Nummer nun stimmt oder ins Leere führt oder an das Ohr ihres Ehemanns etc. bleibt natürlich zu testen! ;) )
  3. Kurzbericht: Habe zwei Telefonnumern. 😅 Bei der ersten -- nennen wir sie Gretchen: Mir half Franz Kafka, dessen Kopf auf ihrem Stoffbeutel aufgedruckt war. Ich sagte spontan (wir befanden uns in einem S-Bahnhof): "Ehrlich gesagt finde ich ihn etwas zu deprimierend." Verständnisloser Blick; ich: "Ich meine den Franz Kafka". Ihr Blick leuchtete auf. Wir unterhielten uns über Bücher, bis meine Bahn kam; kurz bevor ich in den Zug stieg, rief etwas in meinem Hinterkopf: "Telefonnummer fragen, Telefonnummer fragen, Telefonnummer fragen...!" Das tat ich, und wir tauschten die Nummern. "Ja, warum sollen wir uns nicht treffen, also so zum Reden!" bemerkte das Gretchen, was sich in meinen Ohren etwas zu sehr nach "Aber ja nicht zum Knutschen, Fummeln, sich gegenseitig lechzend die Kleider runterreißen, etc." anhörte. Aber mal schauen! Am Schluss konnte ich mich nicht entschließen (gewissermaßen gab es einen rekursiven Hänger in meinem Kopf wie bei Buridans Esel), ob ich ihr die Hand schütteln oder nur winken sollte; wählte zuguterletzt Letzteres, was sie etwas zu verblüffen schien. Nicht genug Körperkontakt aufgebaut? Doch die Handynummer habe ich. Bei der zweiten -- nennen wir sie Persephone: Gemeinsamer Spontanrestaurantbesuch nach einem Vortrag über Typographie -- mit Persephone (etwa so alt wie ich) und einer weiteren Dame (nennen wir sie Hera, etwas älter). Sehr ausführliches Gespräch, das charmante Züge annahm, nachdem ich die Geschichte erzählte, wie ich mit 16 plötzlich exzellent Violoncello spielen gelernt hatte (vorher pflegte ich mich jahrelang jeglichem Instrumentalunterricht zu verweigern), weil ich in die Lehrerin verknallt war -- bei dieser Geschichte gingen der Persephone die Augen über... Die beiden shittesteten mich in- und auswendig, indem sie umschwungreich darüber redeten, dass Frauen stets bösen Alphas hinterherlaufen aber nicht den weichen Betas. Ich sah der Persephone dabei belustigt in die Augen, versuchte mit Blicken den Gedanken zu vermitteln: "Was vermutest du denn, welches von beidem du hier vor dir hast...?" Fand die Anwesenheit der Hera natürlich etwas störend, sonst hätte ich wahrscheinlich versucht, bis zum Küssen zu eskalieren. Die beiden bemerkten, ich sei herausragend darin, Geschichten zu erzählen. Ergatterte Email und Telefonnummer. Umarmte die Persephone beim Abschied (was diese wohl recht überrumpelte), dabei kam mehr Körperkontakt zustande, als ich beabsichtigte, da meine Hand (wenn mich nicht alles täuschte) von ihrem Rucksack abgelenkt wurde und dadurch ihren Po streifte. Insgesamt habe ich mich in beiden Fällen wahrscheinlich äußerst unbeholfen angestellt... aber hey, ich übe das Ganze erst seit Anfang März, und habe mich in dieser Zeit von jungfraujochhoher Ansprechangst bis zum Ergattern von Handynummern vorgearbeitet, und es geht weiter. Der Vorschlag: "Spontanes Kompliment + gleich nach der Telefonnummer fragen" klingt auch lustig, das probiere ich demnächst mal. Nun lasse ich nach Pickup-Lehrsatz Numero Uno erst einmal einige Tage verstreichen, bis ich die Telefonnummern zum Einsatz bringe... (Heute kürzerer Bericht, da müde!)
  4. Nächster Tag. Wieder einmal ein Samstag, der die Zeitachse entlanggetrudelt kam: Ich plante zweierlei Missionen, die sich auf Literatur, Frauen und mögliche Kombinationen dieser zwei schönen Lebensbereiche bezogen. Ich solle -- so der "Sokrates" vom Vortag -- auf Mädchen in Strickklamotten achten, die seien oft literarisch begeistert. Mit diesem Hinweis im Hinterkopf verfügte ich mich gegen Nachmittag in eine Buchhandlung, in der, zur Feier des "Indie Book Day", weniger bekannte Autoren, die bei sehr kleinen Verlagen veröffentlicht hatten, aus ihren Büchern vorlesen sollten. Ich war teilweise sehr positiv überrascht -- die Texte hatten recht gute Qualität, insbesondere war einer darunter, dessen Stil entfernt an einen leicht amateurhaften Döblin-Epigonen erinnerte. Zwischen den Vorträgen beschäftigte ich mich mit der anwesenden Damenwelt -- es handelte sich lustigerweise übrigens um dieselbe Buchhandlung, in der ich am 9. März schon einmal das Komplimentieren von Frauen geübt hatte. Mit einer, nennen wir sie Irina, ergab sich ein ziemlich vergnügliches Gespräch, so dass ich sie fragte, ob sie nicht mit mir einen Spaziergang machen wolle. Sie lachte und zupfte meinen Ärmel sehr interessenindikatormäßig, bemerkte allerdings, sie wolle sich den gleich folgenden Vortrag anhören. Ich lauschte diesem auch, danach war die Irina aus irgendwelchen Gründen verschwunden. Nun ja, wie auch immer... ich quatschte stattdessen eine der Autorinnen an -- was ein höfliches, aber eher formelles Gespräch zur Folge hatte, welches besagte Autorin mit einem hingehölzerten "Danke für das Interesse!" beschloss. "Vielleicht" -- sinnierte ich -- "muss ich etwas forscher zu Werke gehen und mein Interesse enthusiastischer an die Dame bringen! Nun, dazu wird es gleich mehr Gelegenheit geben." Ich fuhr nämlich nach Kreuzberg, wo eine Lesebühne stattfinden sollte. Wie ich schon weiter oben erwähnte, bin ich zur Zeit intensiv auf der Suche nach einem potentiellen Publikum für meine Arbeit, weswegen ich so viele literarische Treffen wie möglich abklappere. Ich war daher gespannt, wie die Kreuzberger Lesebühne sich ausnehmen werde. Es war eine Art Zwischending aus Kunstwerkstatt, Bar und WG, ziemlich klein und kuschlig mit der Atmosphäre einer privaten Studentenparty. Die Lesungen würden je 30 Minuten dauern (so dass nur vier Autoren beteiligt waren), dies schien mir eine weise Entscheidung. Ich setzte mich und wartete auf das Kommende. Zu meiner Linken nahm ein Ehepaar -- zirka in meinem Alter -- Platz: er ein hochragender dünner Kerl, von der Körpergestalt entfernt mit mir vergleichbar, aber mit sehr braver Consultantfrisur (nennen wir ihn Hans); sie ein unerhört hübsches Wesen aus Südosteuropa (nennen wir sie Clawdia Chauchat). Zu meiner Rechten platzierte sich ein sehr hübsches Mädel mit herzerwärmendem Lachen und gelocktem Haar (Name: Franziska Jacobi, hihi). Ich begrüßte die Franziska, unterhielt mich jedoch zunächst mit dem Ehepaar links -- die Clawdia gehörte zu den vorlesenden Autoren. Die beiden luden mich sehr nett zu einer Tüte ein, die allerdings im Vergleich mit dem "sokratischen Joint" vom Vortag nur einen Hauch von psychedelischer Wirkung aufwies. Kurz darauf begann die Lesung. Ei, was soll ich sagen: Meh und schnarch... Das einzig Brauchbare war der Text von Clawdia, der die Liebe zu einem Buchhändler schilderte (das übergreifende Thema des Ganzen war nämlich "Liebe"). Die anderen Beiträge wirkten entweder unfreiwillig komisch, öde oder einfallslos. Eine Art Fantasygeschichte war dabei, die sich mit der Flüchtlingsproblematik metaphorisch beschäftigte, wobei die verschiedenen involvierten Staaten nach Art des Animes "Hetalia" von Einzelpersonen verkörpert wurden. Was sich mir aber aus einem anderen Grund einprägte, war der erste vorgelesene Text (von einer aus Leipzig angereisten Autorin). Dieser schilderte -- "edgy" und gossenprovokativ -- wie zwei Teenagermädchen auf einer Geburtstagsparty zum ersten Mal Sex haben; der beteiligte Knabe wird hinterher mit einem Schraubenzieher gespießt. Schnarchig und getrost zu vergessen -- als die Autorin die Kleidung eines der Mädchen beschrieb -- "Faltenröckchen und Kniestrümpfe" -- ruckte mein (leicht gräsern summender) Kopf überrascht hoch: In meinem eigenen Buch haben mehrere der Akteurinnen nämlich (aus anderen Gründen) ein ähnliches Outfit an; damit enden allerdings die Gemeinsamkeiten zwischen meinen Figuren und denen der Leipzigerin. Im Großen und Ganzen war ich recht froh, als die ganze Darbietung vorbei war; die Texte (mit Ausnahme dessen der Clawdia) riefen bei mir wenig mehr als Langeweile hervor. Hinterher begann eine Party, ich sah die Zeit gekommen, meine Damenanquatschkapazitäten weiter auszubauen. "Dein Text war übrigens der Beste", sagte ich zu der Clawdia, was diese mit südosteuropäischer Emphase von sich wies: "Das sagst du nur, weil wir Smalltalk gemacht haben!" "Was? Du glaubst doch nicht etwa, dass ein Cosmo sich durch ein wenig Kajal, Wimpernklimpern und Schultercharme bestechen lässt, positive literarische Urteile abzugeben?!" Oh, wie anschaulich die Reaktion war! Sie war verheiratet -- was sie aber, durch und durch Dame, nicht gehindert hatte, mich zu shittesten -- was mich nicht gehindert hatte, den Shittest mit fliegenden Fahnen zu bestehen. Wie ihre Augen aufleuchteten, wie das ganze Gehabe sich in einem Moment wandelte! "Oh, Dankedankedanke", sprudelte Clawdia, ich bemerkte jedoch würdevoll, nun mit dem Organisator des Abends reden zu müssen, da ich ein Publikum für meine eigene Arbeit suche. Das tat ich, er bat mich, ihm Information darüber zu schicken. Anschließend sah ich mich eingehend nach dem unverheirateten Teil der Damenwelt um. Ich unterhielt mich insgesamt mit vier Mädchen. Eine davon (sie besorgte die Bar) wurde nach wenigen Minuten von einem Menschenknäuel absorbiert; mit einer anderen quatschte ich sehr fröhlich und unternahm, im Sinne einer Eskalation, den Versuch, ihre Hand zu streicheln, was sie ohne Ärger ablehnte: "Mag nicht von dir angefasst werden!" Daraufhin ließ ich dies; kurz bevor ihr Freund angetrabt kam! Aus "Rache" unterhielt ich mich danach recht umschwungreich mit dem Freund, solange, bis ich neben mir die Franziska Jacobi (die während der Lesung rechts von mir gesessen hatte) bemerkte -- ich entschloss mich, mit voller Breitseite anzugreifen: "Du bist ein bezauberndes Mädchen! Schönes Haar und strahlende Augen. Wir wollen uns unterhalten." Die Franziska lächelte geschmeichelt und wir unterhielten uns, wobei ich auf intensiven Augenkontakt achtete und keinen Hehl daraus machte, wie interessiert ich an ihr war. Die Franziska schien sich durchaus zu freuen, derart zu gefallen, allerdings verschwand sie rascher im Partygewühl ("Gewühl" ist vielleicht übertrieben, es war ja eine kleine, "familiäre" Veranstaltung) als mir recht war. Was mir bemerkenswert schien: Später erspähte ich die Franziska neben der DJane, schlenderte hinüber und sagte etwas in der Art von: "Du bist mir ausgebüchst, endlich hab ich dich wieder!" -- was ich anscheinend so selbstsicher und ohne einen Anflug von Bedürftigkeit äußerte, dass sich ein deutlich erkennbarer Anflug von Respekt auf Franziskas Gesicht stahl. Wir redeten weiter -- und die Franziska schien sich wohlzufühlen und quatschte entspannt, ohne Befangenheit; legte zum Schluss allerdings mit vielen Gesten dar, dass sie kein erotisches Interesse an mir habe, wenn sie auch das Gespräch prima gefunden habe. Zum Schluss -- der Veranstalter wollte allmählich (zu berlinuntypisch früher Zeit gegen 1 Uhr) nachhause -- führte ich ein ziemlich amüsantes Gespräch mit einer Philosophie studierenden Russin, das sich dadurch auszeichnete, dass sie Shittests gewissermaßen mit der Stalinorgel verschoss. "Ich find dich cool, wollen wir uns unterhalten?" -- hatte ich begonnen; sie darauf: "Cool? Was genau meinst du mit cool? In welcher Weise und wie und weshalb?!" ; ich, ohne zu zögern: "Damit meine ich, dass du eine der Personen in meinem Roman sein könntest!" (Das stimmte nicht wirklich, da im Buch zwar eine Russin vorkommt, diese sieht jedoch anders aus und hat einen anderen Charakter als das Mädchen auf der Party -- nichtsdestotrotz war es, meines Erachtens nach, eine ziemlich schlagfertige Erwiderung, die ich fast ohne Verzögerung vorbrachte.) So ähnlich ging das Gespräch weiter; die Dame -- nennen wir sie Lisaweta -- hinterfragte alles, was ich sagte, testete mich pausenlos auf Herz und Nieren und ich hielt munter und vergnügt gegen. Ich entschloss mich, den Ansturm auf das Etappenziel "Handynummer" zu wagen. Dies glückte nicht: Die Lisaweta vollführte ausgreifende Gesten mit den Armen in der Luft -- "wie sag ich das jetzt? wie sag ich das nur jetzt?!" -- und rang sich endlich zu einer weitschweifigen Erklärung durch, derzufolge sie schon unzählige Menschen in ihrem Leben habe, die sie zusammen mit dem Philosophiestudium vollständig auslasteten. In diesem Augenblick kippte ich auf meinem Stuhl um, da dieser irgendwie mechanisch instabil stand. "Du glaubst jetzt aber nicht, dass ich deinetwegen umgekippt bin!" rief ich und drohte ihr scherzhaft mit dem Finger. Inzwischen war die Party bereits im Abklingen begriffen und ich ging belustigt nachhause. Zwischenbilanz: Ansprechen: Klappt. Gespräch eröffnen und weiterführen: Klappt. (Dies war schon immer kein Problem für mich.) Eskalieren und erotisches Interesse entzünden: Bislang eher nicht; allerdings gelegentlich "Indicators of Interest" (Ärmelzupfen). Telefonnummer/weitere Dates/etc.: To do. Es kommt nun darauf an, genauer zu erforschen, wie sich erotisches Interesse hervorrufen und steigern lässt. Ferner läuft die "Jagd nach der Telefonnummer" weiter. Mir macht es jedenfalls soweit Spaß, es ist eine lustige Art und Weise, neue Leute und Plätze kennenzulernen, die sich darüberhinaus exzellent mit meinen literarischen Zielen kombinieren lässt. PS. Ich schickte dem Lesebühnen-Veranstalter später eine Email mit Infos zu meinem Buch und dem Text, den ich vorzulesen gedachte. Er reagierte ablehnend, geradezu geschockt: "Das ist ja Science Fiction! Du warst doch bei unserer Veranstaltung. Thematisch passt das da überhaupt nicht rein." Nein, mein Buch ist nicht "Science Fiction", jedenfalls sehe ich es eher als eine Art Märchen an. Nur weil in einem Text Worte wie "Plasma", "Stratosphäre", "thermonukleares Feuer" o.ä. vorkommen, ist das Ganze nicht zwingend Science Fiction. Was wahrscheinlich stimmt, ist, dass meine Arbeit zu dieser speziellen Lesebühne nicht passt (wenn auch nicht aus den Gründen, an die der Veranstalter wahrscheinlich dachte). Die Suche nach einem Publikum für meine Arbeit geht also ebenso weiter wie die nach einem Mädchen... ;)
  5. ;) Mein Ziel mag teilweise gewesen sein, ein wenig Kreativität sprühen zu lassen, vor allem aber wollte ich versuchen, aufzuschlüsseln, wie ich auf andere Menschen (d.h. in diesem Zusammenhang: Frauen) wirke. Daher habe ich die Episode wie folgt aufgebaut: Kursive Schrift: Der Tag aus meiner Sicht -- vom Gras mit "Sokrates" und seiner Assistentin in deren Studio (und dem Versuch, die Assistentin anzubaggern) über die ausführliche Nachmittagsspazierfahrt mit S und U durch die Stadt (und mehreren weiteren Ansprechexperimenten währenddessen) bis zum Bert-Brecht-Vortrag am Abend. Normale Schrift: Besagte Ansprechexperimente aus Sicht der Frauen, geschildert in fiktiven Gesprächen, Tagebucheinträgen u.ä., in denen sie hinterher ihre Eindrücke zum Ausdruck gebracht haben könnten. Natürlich kommt hier sehr viel Extrapolation meinerseits ins Spiel (denn ich bin noch nicht so besonders gut darin, meine Wirkung auf andere Menschen abzuschätzen), gerade deshalb sah ich es als interessante Übung an. Ich bin mir jedoch relativ sicher, dass "seltsam aber süß, schick gekleidet aber merkwürdig, höflich und kaum bedrohlich" die Gedanken und Gefühle der Frauen relativ gut wiedergeben. Die kursiven Abschnitte sind zeitliche aufeinanderfolgend, die normalschriftigen dagegen bunt gemischt; so entsteht wohl ein etwas verwirrender Eindruck (Sorry! ;) ), der allerdings die veränderte Zeitwahrnehmung durch das Gras recht gut simuliert. Nachher Bericht über den darauffolgenden Tag wieder in linearer Erzählweise! :)
  6. Hallo! Auch Cosmo Schweighäuser sucht sympathische Mitstreiter in Berlin -- zum Treffen, Quatschen, Spaßhaben, Frauen ansprechen, etc.! Bin 37, Schriftsteller, Physiker (Vorstellungspost) und verfolge in gewisser Weise das Ziel "lebenslustiger Privatgelehrter". Mein wichtigster Lebensinhalt in ganz klar das Buch, das ich schreibe. Dieses Jahr soll der erste Band fertiggestellt werden. Ich möchte Pick Up weniger nutzen, um ganze Divisionen von Frauen ins Bett zu bekommen, sondern eher als Weg, eine coole, "unstressige" Freundin zu finden, mit der ich viel Spaß haben, Sachen unternehmen und einfach eine schöne Zeit haben kann. (Damit meine ich natürlich auch Zärtlichkeit und Sex!) Siehe auch: "Cosmos Ansprech-Experimente". Nun -- erst einmal genug der Vorstellungs-Prosa. Ich fände es toll, wenn ich nette Gleichgesinnte in Berlin kennenlernen könnte. Immerhin bin ich erst am 2. Januar hergezogen und kenne hier noch nicht so viele Menschen -- freue mich über jeden neuen Kontakt! Bei Interesse PM an mich.
  7. "...schaut sich den Netzplan an der Decke des Waggons an, etliche Minuten, als sei's eine sumerische Keiltafel, die es zu entziffern gelte. Dreht sich dann langsam um und kommt zur Sitzbank zurückgeschusselt, pflanzt sich neben mich und beaugäpfelt mich intensivst..." "Gruselig! Du hättest sofort Reizgas zücken sollen, ich hab dir doch gesagt, wo man das kaufen kann..." "Nee. Nix gruselig, nix Reizgas. Äugt mich an, als sei ich vom Olymp herabgestiegen oder so, und ich schaue zurück: Glubscher wie Glühkohlen. Bekifft wie ein sibirischer Schamane." "Hilfe! In solchen Fällen musst du ganz laut um Hilfe schreien, um die anderen Leute aufmerksam zu machen, Hatice, das hab ich dir doch hundertmal gesagt. Solche Drogensüchtigen sind doch gefährlich." "Ach nein, das war kein Drogensüchtiger, also nicht so, wie man sich das vorstellt. Der war so... so... äh...!" "Ja?" "Ach, schrecklich feine Klamotten, aber nicht wie'n Geschäftsmann, sondern mehr wie so ein verrückter Professor oder so. Und hat völlig friedfertig geguckt und mich angestrahlt und gesagt, äh, ich sei wunderschön und er würde mich gern kennenlernen und ob wir uns unterhalten könnten." "Du meine Güte." "Na, wenn's irgendso ein Ekel gesagt hätte, hätt' ich vielleicht um Hilfe gerufen. Aber der war so -- naja! Süß. Doch." "Habt ihr euch denn dann unterhalten?" "Ja. Hat mich gefragt, um was es in dem Buch geht, das ich lese -- zweimal hintereinander, hatte meine erste Antwort wohl vergessen, wie schon gesagt, mit dem Hirn in Graswolke neunhundertneunundneunzig. Sagte, er wolle zu irgendeiner Bert-Brecht-Veranstaltung, hat mir dann diese blöde Dauerstandardfrage gestellt, wie alt ich sei. Und ich: Er soll's mir erst sagen; und er: Nö, wir spielen doch nicht Pingpong. Hab's aber nicht beantwortet, und er: Na, jedenfalls sind Sie jung, wunderschön und sehr anziehend." "Du bist doch seit einem Jahr mit Hassan..." "Na, ich hab ihm meinen Verlobungsring unter die Nase gehalten, er hat den wie ein seltsames kosmisches Phänomen gemustert, wusste wohl nicht, was das sein sollte. Nach etlichen Minuten endlich: Sind sie verheiratet? Und ich: Nein, verlobt!" "Du hättest den Kerl fortjagen sollen. Nimmt Drogen und belästigt Frauen in der U-Bahn." "Nein, macht er nicht, ich sagte ja: Schrecklich sympathisch und fast niedlich (irgendwie schon!). Wir fuhren bis zum Kurfürstendamm, dann stiegen wir aus, ich nach links, er nach rechts, viel Gelächel und Gewink, und schwupp!, schwebt er wie auf goldenen Wolken auf und davon." "Tritt ein!" Einer freundlichen Aufforderung dieser Art widersetze ich mich kaum je: Eine winzige Kunstausstellung irgendwo in Kreuzberg, der Künstler und seine Assistentin -- die bemerkenswerterweise eine gewisse entfernte Ähnlichkeit mit meiner Romanfigur Annika aufwies -- führten mich bereitwillig von Foto zu Foto: Frauen, Masken, Schattenwürfe. Bald unterhielten der Künstler und ich uns eifrig: "Bedingungsloses Grundeinkommen? Völliger Blödsinn. Es gibt doch schon eines: Hartz-IV, das ist wie so ein Stipendium. Man braucht nur 'n Tick Schauspieltalent. Und die ganzen Leute, die händeringend einen Büro- oder Fabrikjob suchen, die wären auch mit BGE unglücklich. Denen ist nur wohl, wenn man ihnen acht Stunden am Tag sagt, was sie zu tun haben. Weißt du, das indische Kastensystem hatte doch seine Vorteile." Der späte Nachfolger das platonischen Sokrates setzte sich an den Tresen, der in einer Ecke aufgebaut war. "Kaffee?" fragte ich hoffnungsvoll, man kopfschüttelte nachdrücklich und breitete Papier, Tabak, harzige Kräuter auf den Brettern aus. "Dascha. Weißt du schon. Ich bin cool. Sagt man." "Klarr du bist cool, abärr wer hat gesagt?" "Komm ich rein untärr Arkaden, grad auf Weg hierhärr zu Arbeit, da schwebt mirr Reinkarrnation von große Häld des Vaterland Konstantin Ziolkowski entgägen. Also Akademik oder so. Und sagt -- da, mir in Gesicht, grad so angätrabt, strahlt von Ohr bis Ohr, bindät mir auf Nase: Sie sähn aus so cool, wollen Kaffä trinkän mit mir?" "Deutsche Mann macht selten sowas, war Russki?" "Njet, kam vor wie wedär noch, mehr so Außärirdische von die Jupitär." "Hu!" "Aber war süß, weißt du Dascha, das Gesicht; so eine Gesicht, die man nicht kann böse sein. Du weißt?" "Da, da, kann vorställn." "Hätt ich mit Kaffä vielleicht sogar gemacht, aber Arbeit. Hilf du mir Fässchen mit Kaviar aufbauen, da, Dascha?" Zwei Schnaufer: hummmm-hffffff -- wiederholen; ich erwartete einen milden Effekt, in meinem Kopf erhob sich Gesumm wie in einem Sommernachmittagswald voller Hummeln. Die Welt wurde scherenschnitthaft, die Farben plastisch und weich, die Zeit verneigte sich höflich und bedauerte, heute nicht im Dienst zu sein. Die Augen der Assistentin (Sokrates: "Sie ist wie eine Schwester für mich!") waren stahlblau wie ein Septembermorgenhimmel; Annikas haben dagegen eher ein kräftiges, arktisches Blau, aber eine gewisse Ähnlichkeit bestand durchaus. Ich setzte mich auf ihre rechte Seite, da auf der anderen bereits der Sokrates barhockerte, und quasselte munter drauflos. Liebes Tagebuch, Du weißt ja, seit Karlheinzaugust mich mit dieser unverschämten Studentin betrogen hat, ist mir klar, dass man den Männern nicht trauen kann. Zum Glück habe ich dich, mein Kätzchen Emilie, mein Klavier und meine Duftbadkugeln, euch kann ich immer vertrauen -- aber was auf zwei Beinen steht und dazwischen du-weißt-was hat, das lügt und heuchelt und hintergeht dich auf Schritt und Tritt. Manchmal würde ich am liebsten den Rest meines Lebens hier in meiner Altbauwohnung, zwischen meinen Blumen verbringen, mit Emilie auf dem Schoß und Chopin spielen... aber nun, es gibt auch draußen noch zuweilen ganz hübsche Dinge, man muss sie nur finden, z. B. auf dem Trödelmarkt, den ich so gerne Freitag nachmittag besuche. Und dort ist es mir passiert -- nichts Schlimmes... d.h. eigentlich hätte es etwas ganz furchtbar Schlimmes sein müssen, denn es handelte sich ja um einen Mann, und die haben nie gute Absichten. Aber -- ach, es ist schrecklich schwierig zu beschreiben. Ich schaue mir also die schönen alten John-Lennon-LPs an, da -- ja, es hört sich eigentlich furchtbar an, aber was weiß ich! Es war nicht furchtbar: Es quatscht mich jemand von der Seite an! Wenn ich es so schreibe, frage ich mich, warum ich nicht schreiend davon gelaufen bin; mir war aber nicht danach. Der hatte soetwas -- ja: Unschuldiges! Wie ein Fabelwesen, hereingeschneit aus den fünften Dimension, das unsere Welt nicht ganz versteht, aber sich zu Frauen hingezogen fühlt und Kontakt sucht. Sagte, ich sei schön und blond und bezaubernd und was nicht alles, wollte mich zum Kaffee einladen... das hab ich dann doch nicht gemacht, ich musste ja noch zur KiTa, den Streuselkuchen vorbeibringen... ach, vielleicht hätte ich mit ihm Kaffeetrinken gehen sollen? Aber ich muss immer noch an Karlheinzaugust denken, dieser Mistkerl, der mich betrogen hat (aber der war ja auch irgendwie ein ganz Lieber und schlimm süß!). Und dann der Streuselkuchen! "Hm! Nein!" Gegen mein Näherrücken schien die Beinahe-Annika nichts gehabt zu haben, Händchenhalten wollte sie dann doch nicht. "Ich hab'n Freund. Aber du machst das von der Idee her richtig: Mit Frauen reden, und dann näher ran." Der Sokrates erläuterte das Ganze mithilfe irgendwelcher Baseballregeln, wie es wohl in den USA üblich ist, ich fand alles äußerst seltsam und lustig und geradezu zeichentrickfilmhaft. Ich vermochte den sokratischen Ausführungen nur teilweise zu folgen, erkundigte mich daher, wo in der näheren Umgebung das Kennenlernen attraktiver Damen wahrscheinlich möglich sei. Sokrates gestikulierte mit dialektischem Enthusiasmus: "So, um den Block rum, und dann dort lang und da hinunter! Ist so 'ne Touristenmeile, viele Touristinnen. Oder setz dich auf diese und jene Treppe. Achte auf die, die Stricksachen anhaben, die haben oft eine Schwäche für Literatur." Seine Handgesten vereinten sich in meinem Kopf zu einer Wegbeschreibung, die im Quadrat an den Ausgangspunkt zurückführen musste. Ich grabbelte daher nach seiner neuen Tüte, er schützte den glimmenden Kegel hastig: "Nee, nee. Dann schläfst du hier ein, und dein Rucksack wird geklaut." "Mein Rucksack?! Bloß nicht! Enthält immerhin Arno-Schmidt-Bücher." "Du bist bereits wahnbombenbekifft", erklärte die Beinahe-Annika. "Das merkt man von außen? Dachte immer, das das nicht auffällt." "Wenn man selbst Kiffer ist, merkt man's irgendwie." "Nun gut! Das ist durchaus verantwortungsvoll von euch." (Ich nehme an, sie wollten einfach nicht mit einem bleiern schlafenden Mann in dem Studio festsitzen.) Dann werde ich nun, sagte ich, auf Aventiure gehen und trabte winkend in eine der Richtungen davon, die Sokrates mir gestikulierend zu bezeichnen versucht hatte. (Auf die Gefahr hin, aus dem Forum verbannt zu werden, möchte ich darauf hinweisen, dass "Aventiure" stilvolle klingt als "Game"!) "Gnnihihihi, Marleen, rat' mal, was uns grade vor der Kirche passiert ist!" "Was denn?" "Also, die Anja und ich schlenkern da in aller Ruhe entlang, da tönt es von links: Verzeiht...!" "Wirklich? Wie altmodisch." "Ja, ein unendlich komischer Kerl. Angezogen wie der Dr. Who aus der TV-Serie (oder mindestens so ähnlich). Sagt, er sei fremd in der Gegend und ob wir ihm den Kiez zeigen mögen, als Fremdenführerinnen." "Hättet ihr machen sollen." "War irgendwie 'n Süßer, aber ziemlich alt, Ende dreißig bestimmt!" "Aber. Verzeiht! Das sagt doch heute niemand mehr, also ich hätt''s originell gefunden." "Ja, originell schon. Hatte übrigens Augäpfel rot wie der Sonnenuntergang und gegrinst, als ob er die Schmetterlinge lachen hört. Ziemlich klar, wo die Originalität her kam. Wir sind von dannen geschusselt, aber lustig war's schon." War ich noch in Kreuzberg oder schon in Apolda? Wie still es hier war, wie im Wald. Menschenstimmen wisperten sanft und überdeutlich über den Gehweg, wie Schlangen aus murmelndem Wind. Häuser, Bäume aus buntem Karton ausgeschnitten. Wo ich wohl war? Spielte es reine Rolle? Ich driftete durch die Stadt, stets dem wärmsten Licht entgegen. Das Gras dieses Sokrates musste eine außerirdische Spezialzüchtung sein. Später U-Bahn, Essbahn, welches auch immer. Kunterbuntes Liniengeschlängel, Spaghetti oder Cthulhuarme auf dem Netzplan, elektrisches Surren kreuz und quer durch das Ballungsgebiet. Mendelssohn-Bartholdy-Park. War ich da nicht schon vor dreißig Milliarden Jahren gewesen? Vor zwei Minuten? Ich fuhr mit einer Linie nach Westen, mit einer anderen oder derselben wieder zurück. Irgendwann Kurfürstendamm. Hier war ich, vor vielen Jahren -- in den Neunzigern -- auf einem Klassenausflug gewesen. Ein Schulkamerad hatte mir den alten Streich gespielt: Jemandem die Hand geben, um ihn von seinem Sitzplatz hochzureißen. Eine Treppe führte wieder ins Bahnsystem hinunter. Ich dachte diffus an den Bert-Brecht-Vortrag, und dass ich etwas essen wollte, am besten am Prenzlauer Berg. "Anita, hast du das Geld? Döner essen gehen." "Nee! Mein Geldbeutel ist doch seit Anfang der Woche wieder leer wie die Wüste Gobi. Hätt' allerdings gerade fast Geld ergattert, aber eben nur fast." "Von fast bekommen wir keinen Döner, da bleibt uns nur das Fasten. Wie wolltest du es denn ergattern?" "Ach. Kommt mir so ein Kerl entgegengeschwebt, sagt, ich sei schrecklich süß und ob ich mit ihm was trinken gehen wollte." "Was das so ein perverser Ekelrekel?" "Nee, gar nicht, fein und schick und charmiert vom einen Ohr zum anderen; und ich denke: Das muss man jetzt mal versuchen. Wenn er mich so sexy findet, dann kann ich ihm auch zwo Euro aus der Tasche leiern. Und er so: Nö, nix da, ich lad' dich zum Kaffee ein, aber Geldgießkanne spiele ich nicht; und dabei ist er geblieben." "Löblich, löblich. Immerhin gibt's anscheinend immer noch Männer, die sich nich' um 'n Finger wickeln lassen." "Ja, der war irgendwie schon süß. Ich hab ihn so angeschultert, dann husch!" "Und was machen wir jetzt?" "Zu dir gehen und PS-4 zocken." "Yay!" Ich verschlang eine Waffel mit Rukola, Käse, Schinken, knackenden Meersalzkristallen. Der Waffelteig quoll angenehm rau und mürbe auf meiner Zunge hin und her, so ausgezeichnet er schmeckte, musste man ihm doch ein ums andere Mal sagen, wie er sich zu benehmen hatte. Später: Bert Brecht und sein Einfluss auf das japanische Kino. Ganz langsam wurde ich nüchterner; warm-weiches Gebrumm blieb vorerst im Kopf. Der japanische Professor war schüchtern, sprach ganz gut Deutsch, wenn auch mit enormem Akzent, las seinen Vortrag Zeile für Zeile von einem Block ab. Ich sah mich außerstande, zu folgen. Nur die Filmeinspielungen genoss ich: Eine von "Mann ist Mann" inspirierte Verwechslungskomödie -- ein Zwillingsbruder Polizist, einer Yakuzaboss, sie tauschen die Rollen. Soundtrack beruhend auf japanischer Rockmusik. Warum musste dieser dusslige Professor dauernd den Film unterbrechen, um irgendetwas Akademisches zu sagen? Ich betrachtete den Professor und die Dame, die den Vortrag moderierte (etwa so alt wie ich, mit Brille, ganz niedlich -- Möglichkeit, sie anzuquatschen?). Die beiden Personen saßen, Robotern oder Göttern ähnlich, zusammen inmitten weißer und schattiger Polygone an kleinen Tischen. Die letzten Minuten des Vortrags fand ich sehr angenehm. Nach Mitternacht verlor sich die Wirkung des wuchtigen "sokratisches" Grases allmählich. (Fortsetzung folgt!)
  8. Danke!! 😃 Ja, folgende Dinge fallen mir inzwischen auf: Frauen fühlen sich von mir nicht bedroht, sie reagieren freundlich und finden mich charmant. Ich strahle wahrscheinlich eine Art sanften, akademischen Charme aus mit hohem Komfortfaktor; der "Erotikfaktor" ließe sich vermutlich noch steigern. Heute (Montag) sprach in insgesamt acht Frauen an und (wieder einmal ) versehentlich einen Mann, den ich aufgrund seiner Frisur, seines Gesichtsschnitts und seines Kleidungsstils für eine Dame hielt. Eine Telefonnummer gelang es mir dabei noch nicht zu ergattern, ich machte jedoch eine Reihe nützlicher Beobachtungen. Die Reaktionen bewegten sich -- wie immer -- innerhalb eines Intervalls, das von "Hmmmpf!"+raschem Weitergehen bis hin zu freudiger Überraschung und einem kleinen Gespräch reichte. Die charmantesten, niedlichsten Reaktionen bekam ich dabei von zwei Britinnen -- es scheint mir, dass man in dieser Kultur Komplimenten und Flirts recht offen gegenübersteht; bei der ersten von beiden hätte ich vermutlich eine Chance gehabt, die Kontaktdaten zu bekommen, ich war jedoch etwas konfus und vergaß, danach zu fragen. Das memorabelste Erlebnis hatte ich während einer U-Bahnfahrt. Es wird ja manchmal gesagt, man möge niemandem in den öffentlichen Verkehrsmitteln ansprechen, da dies ein unangenehmer Ort sei; ich entschloss mich jedoch, es einfach dennoch zu tun, und zwar obwohl ich gewissermaßen auf dem Präsentierteller saß -- es war einer jener U-Bahnwagen, in denen die Fahrgäste sich auf parallel zur Fahrtrichtung verlaufenden Bänken gegenübersitzen --, mir gegenüber sieben Leute, die alle zusehen konnte, wie ich die niedliche Rothaarige mit Ringelstrümpfen zu meiner Rechten ansprach. Sie war gewissermaßen der "Grundschullehrerinnentyp", d.h. der Typ von Frau, zu dem man fast instinktiv "Frau Sowieso, ist das so richtig?"; "Frau Sowieso, der Markus haut mich!", "Frau Sowieso, der hat seine Hausaufgaben nicht gemacht!" o.ä. sagen möchte. Ich fand sie bezaubernd. Sie spielte auf ihrem Smartphone irgendein Kartenspiel -- ich dachte: "Ich sollte sie nicht stören... aber Moment, sie verbröselt nur die Zeit mit irgendeinem Spielchen, möglicherweise will sie ja angesprochen werden! Wenn nur der Zug nicht so laut surren würde... und diese Leute da drüben können alle zuschauen. Grmpf!" Und mit diesem "Grmpf!" stürzte ich mich bildlich gesprochen ins Gefecht, sagte ihr, dass ich sie charmant fände und fragte, ob sie mit mir einen Kaffee trinken gehen wolle. Sie drehte sich mit belustigtem Gesichtsausdruck zu mir um, die Mimik schien zu besagen: "Ich hab gemerkt, dass du mich ständig angeschaut hast, aber dass du mich tatsächlich anquatschst, finde ich irgendwie... respektabel!" Sie erklärte, dass sie bereits mit jemandem verabredet sei -- in diesem Moment erreichten wir auch schon den Zielbahnhof. Wir schmunzelten uns nochmal zu, sie winkte und wir trennten uns. Seitdem sind die letzten Reste von Ansprechfurcht von mir gewichen; die "Schocktherapie", es vor zahllosen U-Bahn-Fahrgästen zu tun, war höchst effizient. Heute ist der Bericht etwas kürzer; ich bin recht müde, da ich bis geradeeben noch eine Präsentation für mein "Bezahlhobby" überarbeiten musste. Auf jeden Fall scheint mir, dass ich rasch substantielle Fortschritte in Sachen "Frauen ansprechen" mache -- ich könnte vielleicht noch etwas energischer werden. Werde euch auf dem Laufenden halten!
  9. "Ihr mögt Bücher, ich mag Bücher -- wollen wir zusammen einen Kaffee trinken gehen?" "Ähüm... nein. Wir -- äh -- müssen auf den Zug!" Dies kommentierte die Dame mit einer etwas diffus wirkenden Geste, die wohl an ein vorbeieilendes Schienenfahrzeug gemahnen sollte. Der Ort war ein Antiquariat, das netterweise am Sonntag geöffnet hatte; ich hatte den Gedanken interessant gefunden, nicht eine, sondern zwei Frauen "im Schuber" anzusprechen. Sie wirkte wirklich sehr nervös und huschte in den Nebenraum, wo ich sie eine knappe Minute lang mit ihrer Freundin kichern hörte, wobei ich darüber nachdachte, ob ich die Vermutung, dass sie über mich kicherten, beunruhigend oder amüsant finden sollte und entschloss mich für Letzteres. Cold Approach passte als Begriff an diesem Sonntag wirklich, denn ich hatte meine Kleidung nach dem Aussehen des Himmels, nicht nach dem tatsächlichen Thermometerstand gewählt, und daher bibberte und schlotterte ich aufs Grässlichste und spürte die Erkältung sich im Hals zusammenballen. Nichtsdestotrotz fuhr ich gegen Abend zu einer kleinen literarischen Veranstaltung, bei der es um Rauschzustände gehen sollte. "Ich muss anfangen, ihnen in die Augen zu schauen und zu lächeln!" sagte ich mir auf dem Weg dorthin. Dies hatte ich im Antiquariat vernachlässigt, meine Augen waren wohl irgendwo gewesen, aber nicht auf dem Gesicht des Mädels (und auch nicht auf ihren köstlichen Wölbungen sahnesanfter Pfirsichkeit). Was jedoch immer besser funktionierte, war das Steuern meiner eigenen Stimmung. Ich hatte in wenigen Tagen gelernt, mich rasch von "missmutig" auf "aufgeräumt"... umzuschalten -- oder wie immer man es nennen will. Die "Rauschlesung" an sich war eher enttäuschend. Klapprige Texte von zwei Autoren zur Aufgabenstellung Was fällt dir zum Thema "koksende Prominente" ein? Dennoch war das Ganze keinesfalls völlig ergebnislos, denn es gelang mir, oben erwähntes "Lächelvorhaben" praktisch zu testen: Ich unterhielt mich mal wieder mit einer Literaturstudentin, diese schien ziemlich misstrauisch zu sein -- da lächelte ich, blickte ihr in die Augen, lächelte noch etwas mehr. Sie lächelte zurück, und ein Gesprächlein begann zu tröpfeln, etwas verhalten, aber immerhin... Nach der Veranstaltung hatte ich ursprünglich vorgehabt, mich noch etwas mit der Dame zu unterhalten; doch mein Aufenthalt dort wurde auf drollige Weise abgekürzt: Die einzig wirklich interessante Stelle in diesen Büchern war die Beschreibung eines Festessens, das besagte Koksnasen in ihrer Villa in Italien verputzen. Gegrillter Schwertfisch, gefüllte Sardinen, Oktopus -- in meinem Mund begann es zu wässern, und mein Nervensystem verkündete unüberhörbar, dass man mal wieder speisen müsse. Wenn ich Hunger habe, dann ist es meist ein enormer Hunger, der keine Ruhe gibt, bis ich nicht umfangreich diniert habe. Zusätzlich kratzte meine Erkältung immer boshafter im Rachen. Da ich nicht glaubte, dass die Textpassagen nach der Pause wesentlich interessanter werden würden, und man darüberhinaus davon ausgehen konnte, dass es noch einige hübsche Literaturstudentinnen mehr in der Stadt geben müsse, verließ ich die Veranstaltung unauffällig und essbahnte nachhause zum Essen. ~~~~~~ Zusammenfassung Woche 1 1 Frau angesprochen mit sehr hübschem Sofort-Date. (Ashley) 1 Frau angesprochen mit interessanter, längerer Unterhaltung. (Shulamith) Von 2 Frauen angesprochen worden, da sie mich bezüglich des Verdachtes, ich würde ihre Unterhaltung mithören, zur Rede stellen wollten. (Dies mag auch so eine Art von mir nicht erkannter Shittest gewesen sein.) 5 Frauen spontane Komplimente gemacht, Reaktionen in breitem Intervall zwischen verschüchtert/verwirrt und geschmeichelt. 1 Frau gefragt, ob sie mit mir etwas trinken geht, dabei Einladung in Form eines Shittest nicht als solche erkannt. 2 Frauen simultan Selbiges gefragt, dabei Gemisch aus Schüchternheit/Verwirrung/Gekicher geerntet. 1 ungeschickt verpuffter Ansprechversuch. 1 Mann versehentlich angesprochen. 1 Frau in kürzeres Gespräch verwickelt, dabei Misstrauen durch Anlächeln in vorsichtige Sympathie verwandelt. Habe jemanden vergessen? Alle richtig zusammengezählt? 😂 13 von mir eingeleitete Interaktionen, 15 insgesamt. Wie fühle ich mich danach? Etwas ausgepumpt, geschlaucht, erkältet. Es war überraschend anstrengend! Doch auch interessant, teils lustig, teils sehr schön. Ferner scheine ich in Berlin zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder richtige Freundschaften zu schließen. Das ist etwas Wunderbares. Zudem gewinne ich die Fähigkeit, meine eigene Gemütslage in gewissen Grenzen bewusst zu steuern. Wie es weitergehen könnte: Cold Approach weiterhin üben, üben, üben! Das Erwecken von Sympathie und Zutrauen durch Anlächeln und Augenkontakt üben. Perspektivisch: Das Aufbauen einer gewissen erotischen Spannung erlernen. Perspektivisch II: Kontaktdaten einer Dame bekommen. Unabhängig von all diesem: Weiterhin Kontakte zu interessanten Menschen in Berlin aufbauen! Insbesondere zu solchen, die in irgendeiner Beziehung zur Literatur stehen. Mein Buch in der Berliner Autorenszene bekannt zu machen, genießt aus meiner Sicht höchste Priorität.
  10. Heute, am Samstag, habe ich keine Frauen angesprochen, dafür etwas unternommen, was mindestens ebenso schön und wichtig ist: Einen langen Waldspaziergang mit einem Freund und seinen Hunden. Pickupler weisen öfters darauf hin, dass ein angenehmes soziales Umfeld, ein Freundeskreis, eine wichtige Grundvoraussetzung für amourösen Erfolg ist. Frauen haben meist wenig Interesse an Eigenbrötlern. In der provinziellen Einöde, in der ich bis vor kurzem lebte, hatte ich soetwas nicht; ich lebte ziemlich zurückgezogen nur für mich selbst. Nur mit einigen Hippies war ich dort ein wenig befreundet. Jetzt, in Berlin, staune ich, wie leicht ich Freunde finde, wie sich ein soziales Umfeld rund um mich aufbaut. Dieser Umzug war eine der besten Ideen, die ich je hatte. Es kommt mir so vor, als ob ich zu einem neuen Menschen werde -- genauer: als ob ich Aspekte meiner selbst entdecke, bzw. wiederfinde, die vorher verschüttet waren.
  11. Schön, dass es euch gefällt und euch interessiert! Danke für das Lob! 😃 Und danke für den Hinweis, dass das mit Ärmelzupfen/Schwulenbar ein Shittest bzw. eine Einladung war! Da wäre ich ehrlich gesagt von alleine nicht drauf gekommen. Hier kann ich etwas lernen. Das nächste Mal werde ich auf sowas achten -- man muss eben manchmal bei der Kommunikation mit Frauen (oder Menschen überhaupt) zwischen den Zeilen lesen... Heute bin ich es etwas ruhiger angegangen. Nachdem ich mit meinem Chef ein Büro besichtigt hatte -- wir suchen eines für unsere Firma als "Arbeitszentrale" und zur Repräsentation -- machte ich eine Bibliothekstour; eine ganz kleine "Familienbibliothek" in Kreuzberg hatte überraschenderweise Tieck-Gesamtausgaben im Magazin, von denen ich einen Band auslieh; danach fuhr ich zur Amerika-Gedenkbibliothek. Dort nahm ich etwas aus dem Frühwerk von Arno Schmidt mit -- er hat gefühlt hundertmal geschrieben, dass er Poesie für eine bestenfalls zweitklassige Form von Literatur halte, dennoch hat er in seiner Jugend selbst Gedichte geschrieben, die jedoch (soweit ich sie bis jetzt gelesen habe) seinem Prosafrühwerk nicht das Wasser reichen (der Grund für seine Ablehnung der Dichtung mag also darin liegen, dass er selbst keine Ader dafür hatte) -- sowie den ersten Band von Döblins "1918". Solcherart literarisch gerüstet, machte ich mich an einige kleinere Gesprächsversuche mit Frauen. Umfangreiche Konversationen ergaben sich dabei nicht, aber es war ganz gut zur Auflockerung und Übung zwischendurch. Von der Gedenkbibliothek fuhr ich hinauf Richtung Prenzlauer Berg, um mein Lieblingscafé zu besuchen, den Tieck zu lesen und eventuell weitere Frauenansprechversuche zu starten. An der U-Bahn-Station passierte mir etwas recht Bizarres, was aber in seiner Art in Berlin wohl nicht so selten ist. Ein ziemlich abgewetzt aussehender Mann kam angetrabt und fragte mich, ob meines Erachtens nach "alle Deutschen Verbrecher seien", ich würde doch gewiss die deutsche Geschichte kennen. Ich riet ihm, im Lexikon "Mandschukuo" nachzuschlagen und machte mich von dannen, während es hinter mir krakehlte: "Der glaubt nicht, dass alle Deutschen Verbrecher sind! Sowas Unmögliches!" Vielleicht hoffte er, die Menge würde mich lynchen, doch dies unterließ sie glücklicherweise. Am Prenzlauer Berg angekommen, war ich mir nicht mehr ganz sicher, in welcher Richtung besagtes Café nun läge, ich fragte ein sehr hübsches Mädchen danach -- wie ich schon in meinem ersten Post erwähnte, ist Kontaktaufnahme bezüglich einfacher Alltagsfragen für mich überhaupt kein Problem -- und nach einer kleinen Konfusion, die uns vermuten ließ, das Café befinde sich in dem Häuserblock direkt vor uns, wo nur eine leere Ladenfläche prangte (ich fürchtete sekundenlang, es habe zugemacht!) -- lotste sie mich in die richtige Richtung. Dort las ich ein wenig Tieck; von den Damen im Lokal waren die meisten allerdings mit ihrem Freund da, die sonstigen sprachen mich optisch nicht so besonders an. Da ich mich jedoch noch recht energiegeladen fühlte, beschloss ich, den Tag mit einem kleinen Spaziergang zurück zum Alexanderplatz zu beenden. Unterwegs würde ich vielleicht noch das eine oder andere Mädchen ansprechen oder immerhin komplimentieren können... In der Umgebung des Kollwitz-Platzes geschah dann etwas außerordentlich Komödiantisches! Eine zierliche Asiatin kam mir auf dem Trottoir entgegen. Ich: "Entschuldigen Sie! Mir ist grad ein wenig langweilig -- und Sie sehen cool aus -- würden Sie mit mir etwas trinken gehen?" "Nnnnn-nnein!" erwiderte die Dame... in weichem, sonorem Bariton. ...seine zunehmende Schönheit und der Liebreiz seines Wesens waren ein Wunder und Entzücken für alle, die ihm begegneten. In der Tat äußerten viele Leute von reifer Erfahrung ihr Erstaunen, dass solch ein Geschöpf wirklich in diesen späten und entarteten Tagen geboren sein sollte. -- Murasaki Shikibu: Die Geschichte vom Prinzen Genji Die "späten und entarteten Tage" der Murasaki fielen ca. in das Jahr 1000 unserer Zeitrechnung. An den zarten Gesichtszügen und dem geringen Bartwuchs der Ostasiaten hat sich seitdem jedoch wenig gewandelt, was sich auch in der Popkultur widerspiegelt: Man decke jeweils die Körper von männlichen und weiblichen Animefiguren zu -- anhand der Gesichter lässt sich oft nicht wirklich unterscheiden, ob Mann oder Weib dargestellt werden soll. Nachdem ich gestern eine Einladung in eine Schwulenbar nicht als solche identifiziert hatte, war es nun eventuell ich selbst, der für homosexueller als Platon und Oscar Wilde zusammen gehalten wurde... Immer noch belustigt über dieses Versehen meinerseits ging ich bis zum Alex, wo ich mich entschloss, die Woche abzurunden, indem ich sie dort enden ließ, wo sie begann. Nach einem Date zum Kaffee oder längeren Gespräch war mir nicht mehr (ich war müde), daher nahm ich mir einfach vor, einer hübschen Dame ein Kompliment zu machen. Es wurden zwei; die erste reagierte extrem nervös, lächelte gequält und gab sich die größte Mühe, schräg an mir vorbei zu blicken. Bei der zweiten -- die ich auf dem U-Bahnhof antraf -- machte ich eine höchst interessante, angenehme Beobachtung, die gewissermaßen das Gegenstück zu der Begegnung mit der Französin an der Bushaltestelle vom Vortag darstellte. Das Mädchen, dessen Haar ich lobte, bedankte sich verlegen, sah schüchtern zu Boden, aber ich lächelte, lächelte, lächelte sie an -- bis sie zurücklächelte. Am Donnerstag hatte ich mich von der Nervosität des Mädchens einfangen lassen, nun war es mir gelungen, die Befangenheit der Dame durch Freundlichkeit zu überwinden.
  12. Danke! :) Ja, Daygame dürfte eher mein Fall sein -- ich bin zwar nicht prinzipiell gegen Clubs/Diskotheken -- das kann zuweilen ganz lustig sein, aber ich halte mich letztlich lieber dort auf, wo ich nicht schreien muss, um mich zu verständigen. Die verhaltensbiologische Aufschlüsselung von menschlichen Reaktionen ist interessant. Heute fiel es vom Resultat eher eher mittelmäßig, aber verhaltensbiologisch -- oder vielleicht neurologisch? -- lehrreich aus, im Sinne des Inner Game. Ich war extra in die Stadt gefahren, um meine Ansprechkünste zu trainieren -- vielleicht ein Fehler, wie ich weiter oben schon erwähnte, wird ja empfohlen, es mit Aktivitäten zu verbinden, die man ohnehin unternimmt; allerdings hatte ich heute auch nichts in der Stadt zu tun, also fuhr ich einfach so. Wie es so kam -- da ich smartphone und tabletlos bin -- fand ich die Straße nicht, die ich eigentlich entlangspazieren wollte und verirrte mich ein wenig in dem Stadtviertel. An für sich nicht weiter schlimm, so ließ sich das Ganze mit ein wenig Stadterkundung kombinieren. Es war bereits früher Abend, wurde dunkel, ich befand mich in einer Seitenstraße mit zahlreichen Cafés, Bars, Kneipen; dort sprach ich ein Mädchen an: "Du siehst cool aus, mir ist langweilig -- möchtest du mit mir einen Kaffee trinken gehen?" Sie sah offen und fröhlich drein: "Ach nein, ich treff' mich gleich mit meiner Freundin. Wir gehen in die Bar XYZ. Das ist eine Schwulenbar, kannst dich doch auch reinsetzen." Dabei zupfte sie gutmütig an meinem Sakkoärmel, und ich sagte belustigt: "Naja! Wie du eventuell bereits erraten hast, bin ich heterosexuell." "Ach, aber es ist dennoch lustig!" Wir trennten uns ziemlich amüsiert. Ich beschloss, den vorhandenen Impuls zu nutzen, um knapp fünfzig Meter weiter ein zweites Experiment zu starten. Mit dem Tempo eines Düsenflugzeugs fegte ein recht hübsches Mädchen mir entgegen, ich begann: "Entschuldigen Sie, ich finde Sie attrak..." Der Rest des Kompliments verlor sich im Luftraum. "Nee!" piepste die Dame und sauste mit erhöhter Geschwindigkeit von dannen. Eine Nebelwoge von Unruhe befiel mich: Es war sicher falsch gewesen, die beiden so direkt hintereinander anzusprechen; ich hätte meinem sozialen Akkumulator Zeit lassen müssen, sich wieder aufzuladen -- und was, wenn nun alle Berliner schlagartig wussten, dass in böser gruseliger Mann in der Stadt herumstreifte um Frauen anzusprechen?? Erschien am Himmel nicht schon das rote Warnzeichen: "Achtung! Übelwichtigster Frauenjäger!" mit einem riesigen auf mich gerichteten Pfeil?! Das tat es natürlich nur in meinem Kopf. Ich beruhigte mich -- entspannt schauen! Lächeln! Alles nur Einbildung! Guter Dinge bleiben!... Derweil war ich in der Tat im Kreis gelaufen und fand mich vor der S-Bahn-Station wieder, von der ich gestartet war. An der Bushaltestelle stand ein äußerst hübsches Mädchen, ich sprach sie an (doch in meinem Gesicht zuckte wohl immer noch etwas Unruhe). "Entschuldigung -- ich kein Deutsch..." "English?" "Français." Oh, hm: "Je parle un petit peut!" Hierbei lag die Betonung unbedingt auf petit. "Vous etes un trés bélle femme!" fügte ich hinzu, sie schaute überrumpelt und blubberte "Merci!" hervor, wobei ihr Gesicht Unbehagen verriet, was dank Spiegelneuronen auf meines übersprang. "Äh -- au revoir!" Ich winkte ihr zu. Nach einigen Sekunden fiel mir ein, dass "un trés bélle femme" ziemlich komisch klingen musste. Man sollte mal wieder an einem Französischkurs teilnehmen. Doch wie dem auch sei, die Luft war, wie man so sagt, raus. Ich setzte mich in ein ruhiges Café -- trank eine Tasse mit mir selbst -- und sinnierte, dass es in der Tat möglich war, die eigenen Emotionen in gewissen Grenzen zu steuern. Inner Game. Ein Halberfolg, ein Misserfolg und ein Teilerfolg bezüglich sprachlicher Geistesgegenwart, der allerdings ein Misserfolg in Sachen erzeugter Emotionen war -- schnickschnack. Nach Anfängerglück kommt die Durststrecke, dann geht es weiter. Aber was wenn ich in Berlin nun weit und breit als frauenverfolgender Übelwicht... nix da! Still, boshafter neuronaler Schaltkreis! Lächeln, lächeln. Fröhliches denken. Meine Stimmung schlingerte und begann dann zu klettern. Als Kind bin ich mit dem Meisterdetektiv Balduin Pfiff aufgewachsen. Balduin strahlte in allen Illustrationen immer so eine selbstsichere, vergnügte Gemütsruhe aus; von seinem dicken, runden Gesicht strömte sie wie sommerlicher Mondschein. In dieser Hinsicht -- überlegte ich -- kann man von Balduin Pfiff etwas lernen, auch wenn man keine 199 Pfund ohne Socken, Lupe, Zigarre und Revolver wiegt. Das Wetter nahm mir die Entscheidung ab, das Ganze für heute endgültig abzubrechen: Das Regengebiet, das am Vormittag noch über Süddeutschland gelegen hatte, war nordwärts gekrochen und durchweichte Berlin mit stetigem, klammem Getröpfel, wodurch es mich mangels Schirm und Mantel in die Wärme der S-Bahn zurückscheuchte. Doch morgen geht es weiter und an allen darauffolgenden Tagen. Aus dem Auf und Ab von Erfolg und Misserfolg lernt man. Übrigens, "Spezialist für Feminismus" -- ist wahrscheinlich übertrieben; ich habe einige Bücher in dieser Richtung gelesen: de Beauvoir -- finde allerdings ihr Buch über das Alter etwas interessanter als "Das Andere Geschlecht", obwohl letzteres einige gute Passagen enthält; die obenerwähnte Shulamith Firestone ("The Dialectics of Sex") ist zwar ziemlich schräg, aber manche ihrer Einfälle haben etwas -- vor allem die technologischen Phantasien. Vor Zeiten versuchte eine Social Justice Warriorette mich dazu zu bewegen, Judith Butler zu lesen -- nach zwei Seiten hatte ich Migräne und sagte mir: Was so schlecht geschrieben ist, kann nicht wahr sein. Viel zu unbekannt ist dagegen Irmtraud Morgner ("Leben und Abenteuer der Trobadora Beatriz"), ich habe mal einen Vortrag über sie gehalten, in dem ich die Rolle des Themas "Physik/Technologie" in Morgners mit der in Arno Schmidts Werken verglich. Man muss nicht alle feministischen oder kommunistischen Ideen der Morgner unterschreiben, um ihre Arbeiten gut zu finden, das ist einfach ausgezeichnet gemachte Literatur, der ideologische Gehalt tritt da zurück. (Es sei bemerkt, dass ich auch Wilhelm von Meyerns "Dya-na-Sore" gerne lese, obwohl ich der Ideologie noch skeptischer gegenüberstehe als bei Irmtraud Morgner -- naja, es ist eigentlich eine Frechheit gegenüber Morgner, sie in einem Atemzug mit von Meyern zu nennen; "Dya-na-Sore" ist ein deutlicher Fall von "so bad it's horrible (but still somehow fascinating)".)
  13. Guter Punkt; man braucht nicht immer alles nach Schema F zu machen. :) Field Report Mittwoch: Übung macht den Meister; heute hatte ich zwar nicht viel Zeit, dennoch -- das Frauenansprechenüben nicht vergessen! Buchhandlungen im Sinne von Hugendubel, Thalia und ähnlichen Paperback-Fastfoodbratereien kann ich kaum viel abgewinnen, die interessanten Bücher findet man entweder auf Flohmärkten, in Antiquariaten oder den großen Bibliotheken. Ich entschloss mich jedoch, als ich am Schaufenster eines Bestseller-und-Cappucinoausschank-Ladens vorüberkam, zwar nicht den Inhaber mit meinem Geld, aber doch eine der Kundinnen mit einem Kompliment zu beglücken; das tat ich -- kein so besonders auffallendes Mädchen, eine recht Durchschnittliche mit braunem Haar und Brille, aber es ging ja nur um die Übung! Tägliche Wiederholung verhindert, dass sich von neuem Ansprechhemmungen auftürmen. Die Dame reagierte extrem nervös, bedankte sich mit gequältem Lächeln, aber gab sich alle Mühe, freundlich zu sein. Sie hatte sich Bilderbücher über die Raupe Nimmersatt angesehen, auf meine, dem Kompliment nachgeschaltete Frage hin, ob sie etwas für ein Geschwisterchen kaufen wolle, erwiderte sie hastig: "Nee -- ich guck mir einfach so Bilderbücher an, ich find die Illustrationen toll." "Ach, das ist beruhigend, dass ich nicht der einzige bin, der das macht." (Denn ich hatte vorher in einem Astronomiebuch für Kinder geblättert.) Sie ging recht hastig zum Ausgang -- das Ganze war ihr wohl nicht hundertprozentig geheuer, obwohl sie mich wohl auch nicht als bedrohlich einstufte -- und ich schlenderte langsam hinaus. Etwas später, im Dunstkreis der evangelischen Zionskirche. Es dämmerte bereits, die Glocken läuteten in dem imposanten Ziegelturm. Eine Zierliche, schwarzhaarig, mediterran, wirklich sehr hübsch -- Augen fest auf ein Smartphone gerichtet -- spazierte vorüber, ich sagte, als der Abstand zwischen uns gerade sein Minimum erreichte (leise, aber das Volumen meiner ziemlich tiefen Stimme nutzend): "Entschuldigung!" Sie sah mit einer Zehntelsekunde Verspätung hochüberrascht auf, aus wunderbaren schwarzen Augen; und ich: "Es ist komisch, das spontan zu sagen; aber Sie sind sehr hübsch! Solches Haar sieht man sehr selten!" Da lachte sie über das ganze Gesicht, winkte mir zu, als sie rasch weiterging -- denn sie hatte es offensichtlich eilig -- und schien sich ehrlich darüber zu freuen. Kleine Übungen nebenher. Bis Sonntag Abend aber stecke ich mir ein Ziel: Die Telefonnummer von einer Bezaubernden gewinnen! Wenn's noch nicht klappt, ist auch nicht schlimm, aber es ist ein nettes Etappenziel.
  14. Kontaktdaten hab ich noch nicht; ich bin noch am Anfang: Ansprechen, Gespräch starten, Neugierde wecken. Kontaktdaten von Damen pflücken sollte jetzt der nächste Schritt sein.
  15. "Wollen Sie sich zu uns setzen? Es kommt uns so vor..." -- nein, es war mitnichten eine Einladung -- "...dass Sie unser Gespräch belauschen! Sie schauen nämlich dauernd her!" Es war eines jener Cafés, die Dutzende von auf -cino endende Mixturen von Kaffee, Milchprodukten, Zucker und Geschmacksverstärkern anbieten, mein simpler Kaffee mit Milch und Zucker nahm sich vergleichsweise altmodisch aus. Irgendwie altmodisch schien mir auch der schulrektorinnenhaft strenge Blick, mit dem die beiden Damen am Nachbartisch mich bedachten, vor allem die etwas ältere, schwarzhaarige unter den beiden, deren Arme mit Tätowierungen bedeckt waren. "Dass ich Ihr Gespräch mithöre, ist rein physikalisch unmöglich!" erklärte ich, nun selbst recht schulmeisterlich. (Der Abstand von rund zwei Metern ließ jede Silbe, die die Damen von sich gaben, im Stimmengewirr versinken.) "Und herüber schaue ich, weil Sie hübsch sind; schwarzhaarig und -äugig, das ist genau mein Frauentyp." Einen "Frauentyp" in dem Sinn habe ich zwar nicht -- ob blond oder brünett, ich find sie alle nett -- doch die beiden schienen meine Erklärung leicht widerwillig zu akzeptieren. Das erste, was ich an diesem Dienstag bemerkt hatte, sobald ich die Nase aus meiner Wohnung in die frische Luft streckte -- denn meine Arbeit besteht momentan im Wesentlichen aus dem, was man in den 1970ern "Teleheimarbeit" nannte -- war, dass meine Ansprechhemmungen, auch ohne "No Excuses"-Ratgeber, von der Höhe des Alpenhauptkamms auf die eines Maulwurfhügels zusammengeschrumpft waren. Ein eigenartiges Gefühl: Dort, wo vor vierundzwanzig Stunden noch ein monströses "Oh du meine Güte" dräute, war nun -- milde Frühlingsluft. Meine Befürchtungen, mich lächerlich zu machen, schienen so weit zurück zu liegen wie der Trojanische Krieg. Allerdings war es nun nicht ich, der die Damen angesprochen hatte, sondern es war andersherum gewesen, wenn auch aus eher ungehaltener Motivation heraus. "Ja, tschüss, ihr beiden Grazien! Ich wünsche euch noch einen hübschen Abend!" trompetete ich, sobald sich Kaffee und Mandelkuchen in meinem Bauch befanden und winkte den beiden mit einer Geste zu, die möglicherweise einen Tick zu androgyn wirkte. Von der Schwarzhaarigen kam diesmal ein Lächeln, in dem eine überraschende Prise Freundlichkeit mitschwang. Ich aber marschierte schnurstracks zu dem zwei Blocks entfernten Undergroundtheater, wo in Kürze eine Autorenlesung stattfinden sollte, die sich von üblichen Poetry-Slams dahingehend unterschied, dass nicht die Autoren selbst, sondern ein professioneller Rezitator die Texte zum Besten geben sollte. Ein winziges Ausschnittchen meiner Arbeit hatte ich dorthin geschickt; man hatte mich informiert, dass es, angesichts der großen Zahl der Texte, auf die Nachrückplätze gesetzt worden sei und zum Einsatz kommen solle, falls zwei der anderen Autoren abwesend seien. Mit Poetry-Slams hatte ich in dem verschlafenen Winkel Deutschlands, aus dem ich nach Berlin gekommen war, trübe Erfahrungen gesammelt: Neben Edgelord-Balladen über Sex mit Satan, humorvoll gemeinten Glossen von Abiturientinnen über die erste Autofahrt zur Schule und herzerwärmenden Knittelversen über die Geschichte lokaler Kneipen waren die Warhammer 40k-Fanfictions eines leicht androgyn wirkenden Goths das einzig Brauchbare gewesen (und das meine ich ernst!); besagter Goth schrieb gerade seine Magisterarbeit über Arno Schmidt und war der einzige, der meinen Texten Interesse entgegen brachte. Dies war in der schläfrigsten Provinz gewesen, in Berlin konnte die Sache anders aussehen... doch wie dem auch immer sein mochte -- eine hohe Damendichte boten solche Veranstaltungen ohne jede Frage. Das stimmte: Sowohl bezüglich des hereinschneienden Publikums wie auch bezüglich der Aktfotos, mit denen die Bar über und über beklebt war. Ich unterhielt mich jedoch zunächst mit einem Gartenbaustudenten, der neben mir saß -- kurz vor Beginn kam auch noch mein Freund Felix angetrabt [wie immer alle Namen verändert], der einen Platz am Terrassenausgang fand; dann ging das Spektakel auch schon los: Acht Texte, je fünf Minuten -- meiner kam nicht zu Gehör, da aller Autoren anwesend waren... "...reinste Grütze! Dünner Haferflockenbrei. Zum Einschlafen!" Felix und ich lästerten in der Pause mit größter Begeisterung drauf los. Wir standen auf der Terrasse und rauchten und einigten uns darauf, dass man solche Texte, wie wir sie soeben gehört hatten, einem Erstsemester verzeihen könne -- mit dem Hinweis, dass er dringend mehr Bücher lesen solle, um seinen Ausdruck und Ideenreichtum zu stärken. Dann dreht ich meinen Kopf nach links. Pickupler nutzen meist eine Skala von 1 bis 10, um Attraktivität zu umschreiben; die Ashley vom Montag wäre auf einer solchen Skala zweifellos eine "10" gewesen, doch ich finde, dass Schönheit komplexer ist als ein Intervall der natürlichen Zahlen -- vielleicht wäre ein Bereich der Gauß'schen Ebene, der Einheitskreis durch 1, i, -1, -i, zur Beschreibung geeigneter. Das Mädchen zu meiner Linken passte nämlich nicht recht auf den reellen Zahlenstrahl: Kein Sonnenaufgangs-Erlebnis, wie der Anblick der Ashley es mir bereitet hatte, aber zugleich keinesfalls hässlich -- glattschwarzhaarig, hellhäutig, mit Brille, sehr studentinnenhaft und gewissermaßen interessant; daher begrüßte ich sie. Der Felix hat eine recht wasserfallartige Weise, mit Mädchen zu reden, man bekommt den Eindruck, er quatscht sie in Grund und Boden. Ich dagegen habe die Neigung, jeden Satz bedächtig wie einen Schachzug zu setzen (obwohl ich gar nicht Schach spiele); im Umgang mit Frauen mag dies ein Nachteil sein. Ich beschloss, zu beobachten, wie Felix sich mit Pia -- so stellte die Schwarzhaarige sich vor -- unterhielt. "Warum sollen wir eigentlich, statt zu applaudieren, die Hände schwenken?" wollte Felix wissen. Dies sei, so Pia, eine neuartige Methode, seine Anerkennung auszudrücken, die im Umfeld von Universitäten entstanden sei, weil irgendwelche Leute sich durch Klatschgeräusche getriggert fühlten. Ich hatte von dieser Erfindung der Social Justice Warriors schon einmal irgendwo gelesen; die zahlreichen Gendersternchen in der Mail, die ich auf meine Texteinreichung hin bekommen hatte, waren diesbezüglich irgendwie ominös gewesen. Felix schwadronierte in der Tat recht munter auf die Pia los; eine kurze Pause nutzte ich, um sie zu fragen, ob und was sie studiere: Literaturwissenschaften -- das klang keinesfalls übel. Kurz darauf endete die Pause und die Lesung ging weiter. Auf dem Weg zu meinem Platz bemerkte ich, dass Pia mit zwei Freundinnen an einem Tisch direkt hinter mir saß. Ich strahlte sie an, sie schaute freundlich zurück und sagte: "Gerade ist mir aufgefallen -- das Lächeln habe ich doch eben erst gesehen..." Daraufhin ließ ich das bizarr-lustigste Kompliment vom Stapel, das man sich überhaupt vorstellen kann: "Ich dachte auch: Da ist doch das Mädchen, dass wie eine hübsche Siebzigerjahrefeministin aussieht, beispielsweise die junge Shulamith Firestone!" Dies ließ die Pia ziemlich geplättet! Die Firestone war in ihrer Jugend wirklich ziemlich hübsch -- und der Pia in entferntem Sinne ähnlich -- später nahm sie eher das Aussehen einer strubbeligen Klischeefeministin an; ich jedoch verpasste der Pia kurzerhand den Spitznahmen Shulamith, was diese anscheinend akzeptierte, wobei sie sich allerdings nicht ganz sicher zu sein schien, ob sie sich nun geschmeichelt, befremdet, gefoppt oder alles zugleich fühlen sollte. (Es sei bemerkt, dass es in meinem Roman eine Figur namens Shulamith Marduk gibt, als Zusammenziehung von Firestone und dem Konsul Marduk aus "Berge, Meere und Giganten".) Da es mit der Fortsetzung der Lesung noch einige Minuten dauern würde, war es nun an mir, "Shulamith" in Grund und Boden zu quatschen. Ich übertrieb dabei ein wenig -- naja: vielleicht sogar etwas mehr als ein wenig -- sie wirkte jedoch nicht uninteressiert, wenn auch etwas überrumpelt -- lächelte zurück, stellte einige Fragen, die meine Lieblingsthemen Arno Schmidt und Thermodynamik berührten, worauf mein Redefluss auf Nachbrenner schaltete und nur durch das Wiedereinsetzen der Lesung ausgebremst werden konnte. "Sag mal, wie ist denn das jetzt mit der Entropie in Großstädten?" rief Shulamith noch, aber ich war schon wieder dabei, mich umzudrehen... "Erzähl ich dir nachher!" kündigte ich luftikos an. Dann ging es auch schon los mit Text Nummer fünf bis acht; wie die vorangehenden eher fader Brei -- aber zugegebenermaßen im Vergleich mit dem, was ich von Provinz-Poetry-Slams kannte, beinahe semi-professionell gemacht. Die Shulamith war neunzehn, d.h. fast ganz am unteren Ende des für mich in Frage kommenden Altersintervalls. Nach der Lesung -- ich kam nicht umhin, "endlich!" zu denken -- lies ich Shulamith für's Erste Shulamith sein und plauderte mit Felix, wozu ich den am Eingang erhaltenen Gutschein in ein Glas Wein umwandelte. Es wurde äußerst vergnüglich; wir machten Pläne, alle Literaturveranstaltungen Berlins abzuklappern, um nach interessanten Texten und einer möglichen Zielgruppe für mein Buch zu suchen; zum Schluss sagte er mit leichter Verwirrung: "Sag mal, hast du wirklich keine Humanwissenschaft studiert?" "Ach, studiert -- ich hab vorwiegend eigenhändig studiert. Morgens Thomas Pynchon, mittags theoretische Physik, abends Dostojewski. In Vorlesungen habe ich nie besonders viel mitgenommen. Irgendwann hatte ich das Physikdiplom. Ich bin ein typischer Ewigstudent, wenn auch inzwischen mit Bezahlhobby." Später gingen wir zur Bahnstation zurück, er zu U-, ich zur S-Bahn, jedoch nicht bevor ich der Shulamith, die sich mit ihren Freundinnen auf eine Couch gesetzt hatte, ein fröhliches "Tschüss, Shulamith, ich wünsch' dir eine gute Zeit!" zugejubelt hatte, was sie vergnügt -- sogar warmherzig -- erwiderte. Man soll -- behaupten einige -- nie Menschen in der S-Bahn ansprechen; jeder will da nur durch, durch das Zusammengepferchtsein in einer surrenden Blechhülle mit Tausend Fremden, und schottet sich nach Kräften ab, mit Smartphone-Ohrhörern und Whatsapp und was es nicht alles neuerdings gibt. Aber was wissen schon Regeln oder vielmehr die Leute, die sie aufstellen... "In den S-Bahn-Zügen sehen immer alle völlig verkrampft aus, als ob sie die Fahrt möglichst schnell hinter sich bringen wollen. Aber Sie wirken entspannt und glücklich!" Die Dame war das altersmäßige Gegenstück zu Pia/Shulamith: Am oberen Ende des in Frage kommenden Altersintervalls -- naja, sogar ein Stückchen darüber. (Mein eigenes Alter markiert nicht das obere Ende.) Wir unterhielten uns sehr lustig und nett, bis wir aussteigen mussten. Völlig gegensätzliche Erlebnisse zum Montag. Gestern: Romantisch, schmelzend, überwältigend. Heute: Lustig, bizarr, neuartig, seltsam, vergnüglich, eine Art Real-Dadaismus. Diese Damen-Kontaktexperimente versprechen, abwechslungsreich zu werden... und sehr unterhaltsam!
  16. Hallo! 37 Jahre alt und 188 cm von der Erdoberfläche ins All ragend; Schriftsteller und Diplomphysiker. Mein Erfahrungen mit Frauen -- bzw., genauer: meine sozialen Erfahrungen allgemein -- waren bisher sporadisch und kaum zufriedenstellend. Daher setzte ich mir im Jahr 2016 zwei Ziele: Meinen bisherigen Wohnort (eine eher müde mittelgroße Stadt in der Mitte Deutschlands) verlassen und in eine Großstadt umziehen; sowie dort eine Arbeitsstelle finden, die es erlaubt, dass ich jeden Tag mehrere Stunden an meinem Buch arbeite. Ich bin nämlich seit Anfang 2012 daran, einen Riesenroman zu schreiben und habe inzwischen viele hundert Seiten Material, die zu einem Buch zusammengefügt und verfeinert werden müssen. Beide Ziele habe ich realisiert; nun wohne ich in Berlin und habe ein "Bezahlhobby", das mir die zur Perfektionierung meines Buches nötige Freiheit lässt. Es ist an der Zeit, neue Ziele zu definieren: Im Jahr 2017 werde ich soziale Kontakte knüpfen, Freundschaften sowie eine Freundin finden! und meinen Roman (bzw. den ersten Band von diesem) abschließen. Meine Anmeldung im PU-Forum bezieht sich natürlich vorwiegend auf Ziel Nummer 3 (Freundin). Was ich an der generellen Idee von Pick Up sympathisch finde, ist die lockere, unverkrampfte Herangehensweise an das Ganze ohne "Oneitis" und Erfolgsdruck. Außerdem sprechen Pickupler von der Partnersuche als "Game", was ein wenig an Computerspiele erinnert. Mir scheint, meine Art und Weise, für jedes Jahr bestimmte Ziele zu definieren, hat auch etwas von einem Videospiel mit verschiedenen Levels. Das erste Level habe ich gelöst; dadurch gelange ich ins zweite. Mal schauen! Es wäre toll, wenn ich im Forum den einen oder anderen Ratschlag fände... oder geben könnte. Viele Grüße von Cosmo S. (PS. Weiß jemand, wo mein Nickname herkommt? ;) )