Candygirl

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Alle erstellten Inhalte von Candygirl

  1. Der Knoten ist geplatzt. Ich arbeite wieder an dem Manuskript. Und wie ich es vorausgesagt hatte, versinke ich stundenlang darin, wenn ich einmal angefangen habe. Am Freitag habe ich auch endlich ein weiteres Vorstellungsgespräch. Jetzt gehe ich noch zum Yoga und später vielleicht endlich mal wieder zum Poledance. Es geht mir auf jeden Fall ganz gut heute. Das Schreiben ist auf jeden Fall eine Tätigkeit, die mir ein Gefühl der Sinnhaftigkeit gibt. Morgen dann vielleicht in der Uni-Bib, dann ist der Kühlschrank nicht in meiner Nähe ;) Gibt es eigentlich die Möglichkeit, den Thread hier in pdf-Form downzuloaden? Das würde mir helfen.
  2. Während der Prüfungszeit, also einem zeitlich abgesteckten Rahmen, ist es doch eigentlich in Ordnung, sich erstmal aufs Lernen zu konzentrieren. Vielleicht kannst du aber hier zumindest einen kurzen Spaziergang einbauen? Vielleicht hast du auch einen Kommilitonen, der dich begleitet? Beides gehört irgendwie zum Leben. Aber: Wenn du keine Lust hast, was zu machen, dann ist das doch völlig in Ordnung. Vielleicht sind es nur deine Gedanken, die dir sagen, dass es dir schlecht geht, wenn du mal keine Lust auf Aktivitäten hast? Vielleicht kannst du auch solche ruhigen Phasen in deinem Leben für dich nutzen. z.B. deine Gedanken beobachten, welche Geschichten sie dir erzählen... Was mir hierbei hilft, ist, Bewusstsein in alles zu bringen, was ich tue. Beim Kochen die Zutaten und Utensilien wirklich unter den Fingerkuppen spüren, riechen, mit der Tätigkeit zu verschmelzen, sie selbst zu sein. Nur im Jetzt zu bleiben. Ich habe eigentlich auch den Eindruck, dass du eigentlich glücklich bist, nur dein Verstand sagt dir, dass doch dies oder jenes anders sein müsste. Hm, auch für mich selbst gerade erstaunliche Erkenntnisse ;)
  3. Vielleicht vermag dich dieses Zitat aus dem Film "French Kiss" zu trösten: Luc: Why are you chasing after him after what he's done to you? Kate: Because I love him! And I'm afraid that if he doesn't come back that I'll... it'll hurt so much that I'll just shrivel up and I'll never be able to love anyone ever again. Luc: You say that now, but... after a time, you would forget. First, you would forget his chin, and then his nose, and after a while, you would struggle to remember the exact color of his eyes, and one day you wake up and, pfft, he's gone: his voice, his smell, his face. He will have left you. And then you can begin again. Du hast mich an meine eigene Oneitis erinnert. Diese Episode meines Lebens verknüpfe ich schon längere Zeit mit Oscar Wildes "Das Bildnis des Dorian Gray". Hingerissen von dem Talent der Theaterdarstellerin Sibyl Vane umgarnt er sie und gewinnt schnell ihr Herz. Überwältigt von der Magie des Realen verliert sie ihre Inbrunst für die Bühne und Dorian lässt sie fallen. Sie bringt sich um. Ihr Tod lässt ihn kalt, so wie auch sein Gesicht kein Zeichen der Alterung erfährt und ewig schön und jung bleibt. Das Gemälde mit seinem Porträt jedoch, welches ein Künstler zuvor von ihm malte, zeigt wie ein Spiegel die düsteren und grausamen Veränderungen von Dorians Seele. Unfähig, einen anderen Menschen wirklich zu lieben, verrunzelt und verkümmert Dorians Inneres immer mehr. Das Gemälde hält es ihm vor Augen. Schließlich tötet er sich selbst. "Du hättest sie lieben sollen, Dorian," dachte ich oft, als ich in der akuten Phase nach der Trennung von meiner Oneitis nachts im Bus hinter der Plastikscheibe saß, auf dem Weg nach Hause von meiner Kellner-Schicht, während ich unbemerkt in der Dunkelheit die einzigen Tränen weinte und mich von ihm befreite. Was auch immer deine Oneitis-Geschichte ist, du kannst dir sicher sein, dass es eines Tages einen Sinn für dich ergibt. Dann, wenn der Schmerzensnebel verzogen ist und du dich in deinem eigenen Licht wieder selbst erkennst.
  4. ordem e progresso, ich gebe dir völlig recht. Das war ein Fehler. Wenngleich ich es auch nicht bereue. Was nicht heißen soll, dass ich daraus nicht lernen würde. Beim nächsten Mal werde ich vorab trainieren, mich nicht mehr emotional zu präsentieren, sondern auch bei dem Thema "Stottern" - was ich auf jeden Fall immer ansprechen will - professionell zu bleiben. Es gibt auch einen weiteren Grund, weswegen ich abgelehnt wurde. Dieser Grund bestätigt mir jedoch die Wichtigkeit meiner Forschungstätigkeit. Gestern war ich kurz so gekränkt von der Absage, dass ich beinahe meine Bücher weggeräumt und damit mein Wissen ein für alle Mal begraben hätte. Heute jedoch weiß ich, was ich tun kann. Chancen schaffen. Aktiv werden, denn dann beginnt die Magie. Die Zeiten sind nicht leicht. Im Allgemeinen. Ich bin nur ein Teil einer unruhigen, sich verändernden Energie. Meine Therapeutin sagte am Beginn meines Studiums zu mir: "Eines Tages wirst du deinen Teil dazu beitragen. Du hast Gewalt in der kleinsten Einheit erfahren und erkennst sie nun auch in der Welt." Es wird sich schon fügen.
  5. Danke für das Lied, botte. Es soll mich heute begleiten. Ich habe vor einer Stunde die Absage bekommen für den Job, für den ich mich vor drei Wochen vorgestellt hatte. Getaumelt, gestürzt, dahingeschrammt auf kieseligem Grund. So zumindest will es mir mein Verstand weismachen. Doch etwas tief in mir sagt mir: Glaube weiter fest an die Magie, den Zauber, das unergründliche Wunder, welche diese, meine, unsere Welt im Innersten zusammenhält. Ja, ich zweifle. Da ist eine dunkle Macht, die Zweifel in mir hegt und nährt. Negative, düstere Schattengebilde, die sich meines innewohnenden Schmerzes bedienen und sich meiner Gedanken bemächtigen, mich zuweilen so sehr verzweifeln lassen, dass ich meine gesamte Lebensfreude verliere. Doch ich weiß, dass die Liebe und die Glückseligkeit, das Gute in mir stärker ist. Dass ich weiter fest daran glaube, dass das Universum meinen Lebensverlauf lenkt und es nur fröhlich darüber lächelt, welch ungeheure Wichtigkeit die Welt da draußen den Lücken und den Wirrungen meines Lebenslaufs beimisst. Ich erinnere mich an die Verzweiflung vor genau einem Jahr, als ich eine Wohnung nicht bekam, von der ich glaubte, nur jene könne für mich bestimmt sein und mich glücklich machen. Einen Monat später bekam ich eine viel Schönere in einem lebendigeren Stadtteil und mit viel besserer Verkehrsanbindung. Oder letzten Winter, als ich in meinen einsamsten Stunden das immer liebende Universum um die sofortige Erfüllung meiner Sehnsucht nach Nähe erpresste, andernfalls drohte ich, mit der Weigerung meine Bestimmung zu erfüllen. Nur kurze Zeit später trat jener Mann in mein Leben, nach dem ich mich so lange verzehrte. Und auch jetzt weiß ich, dass etwas Besseres auf dem Weg zu mir ist. Etwas Besseres als ein großer, grauer Bunker, mit düsteren Anzugmenschen, die fest in Form und Farbe ihre Gedanken eingemeißelt haben, in dessen Abdruck ich mich selbst hineinlegen müsste - ohne dass meine eigenen Gedanken frei fließen dürften. Es gilt für mich jetzt, jener dunklen Macht zu widerstehen, ihren Einflüsterungen keinen Glauben zu schenken und unbeirrt meinen Weg zu gehen, so wie sich auch Harry Potter im Kampf gegen den dunklen Lord mit dem Satz "Du bist der, der schwach ist. Du wirst nie wissen, was Liebe ist. Oder Freundschaft. Und deswegen kannst du mir nur leid tun" befreit. Beistand hatte er von Dumbledore: "Harry, es kommt nicht darauf an, worin ihr euch ähnelt, sondern worin ihr euch unterscheidet." Ich werde nicht die Finsternis meiner Mutter als meine Eigene anerkennen. Selbst jene Dinge, die sie auf mich übertragen hat und die sich jetzt in mir offenbaren und mir Angst machen, besitzen nicht die Übermacht. Denn in mir ist auch Güte, Liebe, Vergebung und Mitgefühl. Niemals könnte ich ein Wesen bewusst oder unbewusst verletzen, ohne Reue zu empfinden und es in seinem Schmerz am Boden liegend sich selbst überlassen. So wie düstere Wolken aufziehen und den Himmel verdunkeln, die Zweiglein und Blätter der Bäume in der kalten Luft erzittern, aus Angst die Sonne zu verlieren, so wird jener Schauer dennoch vorübergehen und einem warmen, sonnigen Sommertag weichen, uns alle beinahe vergessen machen, welch Kälte wir erdulden mussten. Zuweilen sprach ich heute in Rätseln zu euch, denn es ist nicht die Zeit, jenen verborgenen Teil, den ich seit einigen Jahren mit mir trage, zu offenbaren. Vielleicht wird diese Zeit niemals kommen. Vielleicht. Aber es geht weiter. Voller Glauben. Zuversicht. Liebe. Vertrauen. Es geht weiter. Immer.
  6. Ich hatte in der letzten Zeit wieder Höhen und Tiefen. Leider hatte ich wieder einen Zigaretten-Rückfall, aber das ist nur eine zeitlich begrenzte Angelegenheit. Zu sehr spüre ich mittlerweile, wie es mich zerstört. Vor zwei Wochen war ich beim Yoga. Es hat mir sehr gut getan und ich werde das nun regelmäßig machen. Am Dienstag erfahre ich, ob ich die Stelle kriegen werde. für die ich mich vor zwei Wochen vorgestellt hatte. Ansonsten war bisher keine einzige meiner Bewerbungen erfolgreich. Frustrierend. Arbeit ist so unendlich wichtig. Und da ich im Moment im Außen keine Arbeit habe, muss ich mir selbst Arbeit verschaffen. Ich werde heute das Dokument mit meinem Manuskript öffnen und weitermachen, wo ich vor einem Jahr aufhörte. Das Anfangen ist so unendlich schwer, aber ich kenne mich: Wenn ich erst einmal drin bin, werde ich stundenlang darin versinken. Und mich erfüllt fühlen. Es sind noch einige Dinge passiert, welche zu Erkenntnissen führten, aber ich bin ehrlich gesagt zu kraftlos, um das mitzuteilen. Ich hatte die ganze Woche über eine Blasenentzündung, weswegen ich auf den Sport verzichten musste. Ohne Sport habe ich irgendwie auch für alles andere keine Energie. Wie es mir mit dem Manuskript ergeht, teile ich euch aber bald mit. Ich muss mir zuerst einen Überblick über die Baustellen verschaffen. Genießt die leuchtend grüne Blätterwelt da draußen, so wie auch ich sie beim Schreiben mit Ausblick in den Hof ebenfalls stets vor Augen und im Herzen habe.
  7. Heute habe ich zur Abwechslung etwas erfrischend Anderes zu berichten, als die zuletzt meiner Arbeitslosigkeit entsprungenen leicht depressiv verstimmten, düsteren Geschichten, in denen sich negativer Gedanke und negatives Gefühl in mir selbst verzehrten wie ein Ouroboros. Heute also das Kontrastprogramm zur Leggings, vor dem Laptop sitzen und aus Frust schon vor dem Mittagessen das Kalorienziel erreichen. Ich bin sehr früh aufgestanden, habe meine Haare in Ordnung gebracht, die gestern gebügelte Bluse angezogen, den Blazer darüber und mich zum ZOB aufgemacht. Der Bus brachte mich in eine andere Stadt, wo mich ein Vorstellungsgespräch erwartete. Dort angekommen, trank ich im Mc Cafe an der Kreuzung neben der U-Bahn-Station noch einen Kaffee mit Sojamilch, weil ich etwas zu früh dran war, aber auch, weil ich nervös und wegen der Müdigkeit aufgedreht war. Die Gegend kam mir grau und leer vor. Ich lief an unbelebt wirkenden Fabrikgebäuden entlang, in einem Hinterhof befanden sich zerbrochene Holzpaletten und als ich die Brücke überquerte hörte ich neben dem Vogelkreischen dieses seltsam nahende, lauter werdende Geräusch von Autos, die schließlich an mir vorbeizischten und den Lärm wieder mit sich nahmen. Als ich die Brücke hinter mir gelassen hatte, befanden sich links von mir stachelige Brombeersträucher und halbkahler, halb mit zarten Blättern behangener, anderer Wildwuchs. Auf der rechten Seite war ein kleiner Schrebergarten und sofort stachen mir die weißen Plastikstühle ins Auge, die sich grell vom unbelebten Restgrau abhoben. Ich hatte mein Ziel erreicht. Ein umzäunter, grauer Betonriese, der sich groß und mächtig vor mir und über mich aus dem Boden erhob. Aber ich fühlte mich nicht klein. Nachdem ich mich über Lautsprecher angemeldet hatte, erhielt ich Zugang. Ich scherzte mit den Sicherheitsleuten, um mir selbst die Angst zu nehmen. Eine Zeit lang wartete ich im Besucherraum, bis ich von einer Dame abgeholt wurde, die mir beinahe nur bis zum Bauchnabel ging. Sie war sehr nett und blieb im Zimmer, während ich anhand einer Frage einen kurzen Vortrag für das Gespräch ausarbeitete. Ich wurde schließlich abgeholt und sah im Vorbeilaufen eine andere Bewerberin, die vor mir das Gespräch hatte. Sie hatte einen perfekten Hosenanzug an, war sehr hübsch geschminkt, ihre Haare glänzten und ihre ganze Erscheinung wirkte sehr sympathisch. Aber ich fühlte mich nicht klein. In dem Raum, in dem das Gespräch stattfinden sollte, befand sich eine lange Tafel, an der bereits vier Frauen im Kostüm und vier wichtige Männer in Anzügen saßen. Vor ihnen lagen viele Zettel und ich erkannte mein Bild auf einem von ihnen. Die wichtigste Person stellte sich und die Anderen der Reihe nach vor sowie die jeweiligen Positionen. Aber ich fühlte mich nicht klein. Das Gespräch begann. Ich war in meinem Element. Mein Wissen, mein Können, meine Expertise sprudelte nur so aus mir heraus. Fachbegriffe, fremdsprachliche Zitate, Jahreszahlen und geschichtliche Daten verließen meinen Kopf und meine Lippen stimmlich schön aufbereitet als hätte ich mein Leben lang nichts anderes gemacht. Ich spürte, dass ich die volle Aufmerksamkeit hatte. Alles lief gut. Bis zu dieser einen Frage. "Was war ihr persönlich größter Erfolg in den letzten zwei Jahren?" In meinem Kopf ratterte es. Einen beruflichen Erfolg hatte ich ohnehin nicht vorzuweisen und was war in meinem Privatleben gut gelaufen? Dass ich es nach all den Jahren geschafft hatte, einen Mann in mein Leben zu lassen, war zwar ein großer Erfolg auf den ich stolz bin, diese Information erschien mir jedoch als zu intim. Und dann war da plötzlich diese eine Sache in meinem Kopf. "Es gibt da etwas. Einen sehr großen, persönlichen Erfolg." Ich spürte das Leben in mir aufsteigen, wallend, pulsierend, pochend. Aus meinen Beinen durch meinen Bauch hindurch - es erschütterte mich regelrecht - in meinen Kopf. Beinahe hätte sich diese enorme, zitternde und in mir bebende Anspannung in Form von Tränen gelöst, doch gerade noch rechtzeitig erlangte ich die Fassung zurück. "Wissen Sie, das ist sehr emotional für mich," fuhr ich fort. "Ich bin.....Stotterin." Die Augen meiner Zuhörer wurden größer und sahen mich noch aufmerksamer an als zuvor. Es war eine völlig überraschende Information, denn bis dahin hatte ich nur einen winzig kleinen Hänger gehabt. Unmerklich. Man hätte mich niemals für eine Stotterin gehalten. "Ja, ich bin Stotterin. Bei wissenschaftlichen Vorträgen stottere ich nicht. Deswegen hat es im Studium niemand gemerkt. Während des Studiums lebte ich sehr zurückgezogen, hatte keine privaten Kontakte, keine Freunde. Nur meine Bücher und die Bibliothek. Dort war ich glücklich. Aber ich lebte für mich allein, denn ich hatte diese Minderwertigkeit in mir, dass ich nicht richtig funktioniere. Treffen in Restaurants zum Beispiel waren für mich die Hölle. Denn ich stottere nur bei emotional be- be- be- be- bei diesem Wort stotterte ich zum ersten Mal richtig - behafteten Dingen. Nach dem Studium zog ich nach Hamburg und bei einem Praktikum merkte ich zum ersten Mal, dass ich meine Vermeidungsstrategien nicht einen ganzen Tag lang aufrecht erhalten kann. Ich wusste, dass ich mir Hilfe suchen musste. Und so schloss ich mich einer Selbsthilfegruppe an. Das waren meine ersten richtigen Freunde. Seither gehe ich offen mit meinem Stottern um und habe mir ein stabiles soziales Netz aufgebaut. Ich habe viele Freunde. Und ich bin glücklich. Ja, ich bin glücklich. Das war mein größter Erfolg in den letzten zwei Jahren." Niemand kommentierte meine Offenbarung, jedoch spürte ich, dass man mir mit einem liebenden Herzen gefolgt war. Das Gespräch ging weiter und einer der Männer sprach von einer anderen ausgeschriebenen Stelle, die noch besser zu mir passen würde und ob ich mich darauf ebenfalls beworben hätte. Ich verneinte, da ich die Frist um zwei Tage verpasst hatte. "Das lässt sich ändern." Nun komme ich für beide Stellen in Frage. Als ich später durch die Stadt lief, fühlte ich mich seltsam. Ich hatte meinen Brustkorb vor völlig fremden Menschen geöffnet und überlebt. Auf der Busfahrt zurück genoss ich die weiten Ebenen des Nordens, den hellblau gemalten Himmel mit den weißlich zerfließenden, sich immer verändernden Wolkengebilden, die gelben Rapsfelder, die braunen Äcker, die sehnsüchtig auf ihre Befruchtung warten und die grünen Wiesen, die voller Freude strahlen, dass sich ihre Gräser wieder vor der Sonne verneigen dürfen. Stundenlang könnte ich der Welt einfach nur zusehen, wie sie schön ist. Als wir Hamburg näher kamen, fing der Regen an. Wie ich ihn liebe, den Hamburger Regen. Er reinigt mich und in ihm zerfließe ich. Ich liebe diese Stadt. Ja, ich liebe sie. Und ich habe eine Entscheidung gefällt. Sehr wahrscheinlich wird ein Pendeln nicht möglich sein, sollte ich diesen Job bekommen. Und so habe ich mich entschieden, darauf zu verzichten. Ich werde in Hamburg bleiben. Und ich werde auch nicht mehr so viel jammern, versprochen. Denn diese Stadt ist das größte Geschenk für mich, dieser wunderschöne Hafen, der Wind, der all die Sorgen mit sich trägt, der Regen, der mich reinwäscht, die Freiheit, die Verrücktheit, das Schicke, das Dreckige, das Alles-was-man-sucht-wird-einen-hier-finden-Gefühl. Das ist meine Liebeserklärung an diese Stadt! Für was seid ihr dankbar? Ihr liebenden Herzen, ich bin von Dankbarkeit erfüllt. Danke! Candygirl
  8. Candygirl

    Was wird aus derTed?

    ...dann erkennst du vielleicht, dass du eigentlich ganz wundervoll bist und das Leben schön ist und dass das eine Bullshit-Story war, die du dir all die Jahre selbst erzählt hast. Würds drauf ankommen lassen. Alles an die Wand klatschen kann man später immer noch.
  9. Ich glaube: Hier geht es um Bedürfnisse und anerzogene Moralvorstellungen, die unterbewusst die Macht über deine Sexualität haben. Du kannst Blümchensex genießen, brauchst aber auch das harte Ficken, Dominieren und "einfach Nehmen". Das sind beides vollkommen gesunde Bedürfnisse. Du darfst im Bett mit einer Frau schmusen und kuscheln und ihr nah sein. Genauso wie du sie dominieren und nehmen und besitzen darfst. Dein Kopf sagt dir aber, dass du Beides in ein und derselben Person vereint nicht bekommen kannst. Deswegen spaltest du Frauen: In die unschuldige Madonna, die schön ist und die du vorzeigen kannst, und in die verdorbene Hure, die moralisch so verwerflich ist, dass du deine noch verwerflicheren Triebe an ihr ausleben kannst. Letztendlich verurteilst du dich selbst. Es gilt, zu akzeptieren, dass du all diese Bedürfnisse hast. Das Kuschelige und das Dominante. So wie in dir diese Bedürfnisse vereint sind, so findest du sie auch beide in einer Frau. Ich kann nur von mir sprechen, aber die Männer, die mir sexuell am meisten gegeben haben, haben beide Seiten in mir befriedigt. Sie haben mich durchgenommen und mich dominiert, mich wie ihren Besitz gefickt. Zwischendurch und hinterher haben sie mich jedoch sanft gestreichelt und geküsst, gehalten und beschützt, womit sie meine zarte, unschuldige und zerbrechliche Seite ehrten. Ich bin Hure und Madonna zugleich und ich habe einen Mann gefunden, der beide Seiten erkannt hat und liebt. Erkenne und liebe auch du beide Seiten in dir, dann kannst du auch Hure und Madonna, in einer Frau vereint, befriedigen und lieben.
  10. Was du schreibst, ist ein Paradebeispiel, wie Gedanken einen unglücklich machen können. Du denkst, es müsste und sollte so oder so sein. Aber das ist es nicht. Von klein auf haben wir gelernt, dass Dinge und Geld uns sagen, wer wir in dieser Welt sind. Dann werden wir groß, aber der äußere Reichtum bleibt unserem Leben fern, während wir ihn bei Anderen sehen. Wir werden unglücklich. Weil wir keinen Reichtum haben, mit dem wir uns unseren Status im Leben erkaufen könnten. In meinem Viertel gibt es ein Cafe, an dem ich öfter vorbeilaufe. Es ist eines dieser In-Cafes, in dem man Soja-Latte trinkt oder Weißweinschorle und sich zum Klönschnack trifft. Jedes Mal, wenn ich daran vorbeilaufe, sehe ich mindestens eine fein gekleidete Person mit gemachten Haaren, die am Fenster sitzt und die Augen hochkonzentriert auf ein Mac Book richtet, während die Finger emsig über die Tastatur gleiten. Mit auf dem Tisch steht zumeist ein kleines Fläschchen Selters nebst Wasserglas oder ein schlankes Weißweinglas auf einer kleinen, ungefalteten Serviette. Mit meinem abgeklapperten Laptop, bei dem ich auf die Tastatur hacken muss, weil die Leertaste sowie viele einzelne Buchstaben nicht mehr richtig funktionieren sowie meinen meistens zotteligen, weil naturgelockten Haaren, die ich aus Bequemlichkeit zum Dutt binde, wage ich es nicht, mich zum Schreiben eben in jenes Cafe zu begeben. Dennoch sagt mir etwas in meinem Herzen, dass die Worte, die aus mir aufs Papier fließen, nicht weniger kostbar sind als die Worte der Mac Book-Autoren, die sich vielleicht bereits einen Namen in der Bücherwelt gemacht haben und jemand sind. In der Welt da draußen. DU allein machst nämlich deine Welt, in der du lebst und nicht die Menschen dort draußen. Ein Buch, das Andere zu Tränen rührt, wird vielleicht im Schlafanzug mit ungekämmten Haaren geschrieben und tiefste Zufriedenheit, ein erfüllendes Glücksgefühl und endlose Freude wirst du vielleicht erfahren, wenn du deinem Kind morgens einen Kuss auf die Stirn gibst und es vor Glück anfängt zu glucksen und nicht, wenn du mit einer in Labels gekleideten, sexy geschminkten Frau im Lamborghini vor dem 5-Sterne Hotel vorfährst, wobei du innerlich genau weißt, dass niemand zu dir nett wäre, wenn du nicht dafür bezahlen würdest. Ich will damit nicht sagen, dass du nicht nach mehr streben solltest. Bernstyler gibt dir aber den entscheidenden Hinweis: In dir muss die Voraussetzung wachsen, dich am äußeren Reichtum zu erfreuen, ihn ganz anzunehmen. Das geht nur, wenn du dich im Inneren reich fühlst. Vielleicht findest du bereits etwas, das dich reich macht und für das du unendlich dankbar sein kannst. Hab eine gute Entdeckungsreise in deine eigenen, inneren Schätze ;)
  11. Seit meinem letzten Post hatte ich eine sehr wichtige, wenn auch schmerzhafte neue Erkenntnis. Bestimmt aber auch behütend führte mich das Leben im Jetzt in eine Situation, welche ich sehr gut aus meiner Vergangenheit kenne, damit ich sie nun genauer betrachten und mich schließlich daraus befreien kann. Es ist die Isolation. Im Moment bin ich aufgrund meiner Arbeitslosigkeit gezwungenermaßen sehr viel allein in meiner Wohnung und habe tagsüber sehr wenig Kontakt zu Menschen. Es ist einfach schrecklich und kaum auszuhalten. Als ich diesen unendlich negativen Gefühlen und Gedanken (sie sind zuweilen so zerstörerisch, dass ich es nicht wage, sie euch mitzuteilen) gefolgt bin, haben sie mich wieder in die Vergangenheit geführt. Ich habe in meinem letzten Posting berichtet, wie einsam ich in meinem Heimatort war. Die Einsamkeit begann jedoch schon lange bevor ich auf ein Internat kam. Mein ganzes Leben lang sabotierte meine Mutter meine Freundschaften und meine sozialen Kontakte. Ich hatte irgendwann niemanden mehr. So saß ich stundenlang alleine in meinem Zimmer. Hinauszugehen wagte ich nicht und wollte ich nicht, weil ich nur angegriffen worden wäre. In meinem Zimmer war ich sicher. (Zumeist) Isolation ist eine Form der Folter, welche lange nachwirkt und den Betroffenen verändert. Vor zwei Tagen bat mich eine Freundin, ihr von meiner Vergangenheit zu erzählen. Ich konnte es nur in Bildern ausdrücken. Ich sagte: Ich bin in einem dunklen Raum, alles um mich herum ist schwarz und ich kann nichts erkennen. Ich will nach etwas greifen, taste in die Dunkelheit hinein, doch da ist nichts. Nichts, an dem ich mich festhalten könnte, nichts, was mir zeigen würde, dass ich selbst nicht auch Nichts bin. Leere Form, lose Materie, welche durch den Raum gleitet. Ich weiß nicht, ob ich tot oder am Leben bin. Ob ich noch atme. Ich bin einfach nur da, oder auch nicht. So fühlt es sich an, wenn man jahrelang ignoriert wird. Wenn man nicht da ist. Nur ein Geist, der durch den Raum schwebt. Es ist die Hölle. Ich danke dem Leben, dass es mich abermals damit konfrontiert. Jetzt kann ich mich aus dieser Situation befreien. Ich habe liebende Menschen in meinem Leben, lebe in einer Großstadt, in der ich schnell von Punkt A nach Punkt B kann und ich werde bald wieder aus eigener Kraft einen Job finden. Nicht zuletzt gibt es professionelle Hilfe, Anlaufstellen. Damals hatte ich keine Hilfe. Es gab niemanden, an den ich mich hätte wenden können. Wenn ich Hilfe suchte, wurde ich weggeschickt und mir wurde nicht geglaubt. Die vier Wände meines kleinen Zimmers waren meine einzige Zuflucht, außerhalb deren sich die Hölle befand. Doch auch innerhalb rückte mir der Schatten der Einsamkeit, der Isolation, des Nichts zu Leibe, umklammerte mich, drang in mich ein, benebelte mich und zog mich langsam mit sich ins Verderben. Ich war ganz allein. Meine Gefühle dazu sind noch betäubt. Ich war zwar gedanklich wieder an diesem Ort, habe einen Teil des Schmerzes gefühlt, jedoch nicht alles. Ich habe meinen Brustkorb schnell wieder zugemacht. Es ist übermächtig. Es würde mich zerreißen, das alles aushalten zu müssen. Meine Eltern sind gerade in Hamburg zu Besuch und sie verhalten sich immer noch so wie damals. Jetzt bin ich erwachsen, habe sehr viel Wissen und durchschaue sie. Dennoch tut mir ihr Verhalten immer noch sehr weh und zuweilen spüre ich wieder die gleiche seltsame Verwirrung wie als Kind. Sogar jetzt sind manche Dinge herzzerreißend. Wie schlimm das für mich als Kind gewesen sein musste. Ich vermag es nicht zu sagen und nicht zu spüren, weil meine Seele auf Hochtouren abspaltete, verdrängte und vergaß. Seit längerer Zeit beobachte ich, dass meine kognitiven Fähigkeiten eingeschränkt sind. Ich vergesse sehr schnell und kann mir sehr schlecht Dinge merken. Im Privaten führt das zu manch komischen bis peinlichen Situationen, im Beruflichen ist es eine extreme Schwäche. Ich habe die sehr starke Vermutung, dass es mit meiner Vergangenheit zusammenhängt. Meine Eltern machen mich sehr traurig. Ich bin traurig. Und ich habe schon vor längerer Zeit beschlossen, sie aus meinem Leben zu bannen, so wie meine Geschwister. Ich möchte nicht, dass meine Mutter eines Tages, wenn ich im Hochzeitskleid vor dem Spiegel stehe, einen giftigen Spruch über meine Figur macht und ich mich den ganzen Tag, obwohl es mein Tag ist, unwohl fühle. Ich will nicht, wenn ich irgendwann einmal schwanger sein sollte, dass meine Mutter ihr Gift bis in meinen Bauch zu meinem ungeborenen Baby trägt. Sie haben mein Leben nachhaltig zerstört. Es hat nicht gereicht, das alles zu überleben. Es kostet mich all meine Kraft mein zerfetztes Selbst, meine zerbombte Stadt, meine kranke Seele zu heilen, Stück für Stück und Stein um Stein aufzubauen, zu gesunden. Ganz zu werden. Aus diesen abertausend kleinen Stücken, in die ich zersprungen bin, als ich immer und immer wieder geprügelt zu Boden fiel. Es schmerzt mich unendlich. So unendlich. Ich hatte letzte Nacht einen Traum. Ich ging mit meiner Familie eine Straße entlang. Wir hatten ein Ziel, doch ich fiel zurück und blieb stehen, fasste mir an die Brust, an die Stelle an der mein Herz schlägt, hielt mit der anderen meinen Bauch. Ein Schmerz in mir erlahmte mich. Mein Vater kam zurück und fragte: "Wieso gehst du nicht weiter? Was ist los mit dir?" Ich flüsterte: "Ich kann nicht. Es tut zu weh. Selbst nach all den Jahren tut es noch weh. Ich kann es nicht vergessen, was ihr getan habt." Ich sagte ihm das, obwohl ich wusste, dass er es nicht verstehen würde. So lange Zeit wünschte ich mir, dass sie eines Tages verstehen würden, welches Leid sie angerichtet haben. Das wird nie passieren. Es wird hierfür keine Gerechtigkeit geben. Sie werden damit davonkommen und ich werde mein Leben lang von den Erinnerungen heimgesucht werden. Ich bin seit ein paar Tagen sehr müde. Es arbeitet in mir. Das alles. Aber für den Rest des Abends will ich etwas Schönes erleben. Ich werde mich jetzt noch duschen, das Kokosöl aus meinen Haaren waschen, welches mir so gut tut, mich am warmen Wasser wärmen und danach zum Fußball schauen fahren. Der HSV spielt heute und natürlich muss ich meinen Freund und unser Team unterstützen :) Seid ebenfalls gut zu euch heute. Fühlt euch geliebt Candygirl
  12. Ein weiterer Tag ist vergangen und das Highlight heute war, in Leggings zu Penny zu gehen. Mein Kopf ist so müde und das Einzige, auf das ich wirklich Lust habe, ist Essen. Da ich jedoch den festen Willen habe, die zugenommenen Kilos wieder loszuwerden, erlaube ich es mir nicht, mich mit Essen zu trösten. Außerdem weiß ich genau, wie schlecht ich mich danach fühlen würde. Ich würde essen bis wirklich nichts mehr in mich hineinpasst und trotz der Bauchschmerzen würde ich mich immer noch leer und unerfüllt fühlen. Geraucht habe ich nicht mehr. Man entwöhnt sich schnell und obwohl ich das Verlangen verspüre, meine innere Anspannung zu lösen, ekelt es mich vor Zigaretten. Ich habe überlegt mit Yoga anzufangen. Vielleicht kann ich damit mein Inneres entspannen und zum Fließen bringen. So viel allein zu sein in meiner Wohnung tut mir nicht gut. Ich sehne mich nach Kontakten, nach Arbeit, nach etwas zu tun. Mein Kopf wird jeden Tag müder. Nächste Woche habe ich ein Vorstellungsgespräch, leider nicht in Hamburg. Es ist eine der Stellen, die ich innerlich bereits aufgegeben hatte. Mal schauen, was dabei herauskommt. Meine derzeitige Situation belastet mich, aber das ist völlig normal. Es geht mir nicht gut, aber ich bin nicht depressiv. Ich spüre jetzt sehr deutlich, dass es für meine geistige Gesundheit wichtig ist, etwas zu tun zu haben und Menschen um mich zu haben. Ich weiß, dass in allem, was einem widerfährt, ein Sinn liegt. Als ich vor einem Jahr zwei Monate lang arbeitslos war und mir die Hand gebrochen hatte, da öffnete sich das Tor zu meiner Erinnerung und ich schrieb das Buch. Doch im Moment verschließt sich mir der Sinn meiner jetzigen Arbeitslosigkeit. Ich kann mich nicht aufraffen, weiter an dem Buch zu arbeiten und Bewerbungen fallen mir unendlich schwer. Ich treibe. Irgendwo im Nirgendwo. In einer völlig anderen Welt. Alles liegt im Nebel. Ich könnte abstürzen, alles verlieren, was ich mir mühsam aufgebaut habe. Wie lange schaffe ich es noch, meine Traurigkeit vor meinem Freund zu verbergen? Wie lange kann ich meine Wohnung und mein teures Fitnessstudio bezahlen? Wie lange noch halten meine Freunde meine seltsamen Launen aus? Ich verliere mich in meinem Kopf und diese Stimme, die so grausam ist, wird lauter. Sie quält mich. Verfolgt mich, wo auch immer ich bin. Ich habe überlegt, wie ich euch mitnehmen könnte in meine Erinnerungen. Wie ich sie mir am Besten von der Seele schreibe. Wie ich anfangen soll. Ich fühle mich im Moment wie damals als ich 18 war. Ich war bereits seit 2 Jahren auf dem Internat und hatte in meinem Heimatort keine Kontakte mehr. Wenn ich an den Wochenenden oder in den Ferien zuhause war, saß ich Abend für Abend in meinem Zimmer und versuchte in der Stille und Einsamkeit nicht verrückt zu werden. Man sprach nicht mit mir und so verbrachte ich Stunde um Stunde in Isolation. Manchmal malte ich Bilder oder schrieb Texte. Aber es kam immer der Moment, in dem der kreative Fluss ein Ende hatte und dann saß ich im Sessel neben dem Schreibtisch, mit angezogenen Beinen und versuchte, die aufsteigende Leere und die Schmerzen in meiner Brust zu ertragen. Doch schließlich ging ich in jeder dieser Nächte etwas mehr verloren. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich es bereits aufgegeben, Halt bei meiner Mutter zu suchen. Denn jedes Mal, wenn ich nach ihrer Hand griff, griff ich ins Leere und sie ließ mich hinabstürzen ins Nichts. Da war niemand. Es war leer. Tot. Einmal ritzte ich mir eine Wunde auf den Unterarm, tauchte meine Fingerkuppe in das herausfließende Blut und bemalte damit mein Gesicht vor dem Badezimmerspiegel. Ich wusste nicht, ob ich am Leben oder tot war. Mit dem getrockneten Blut im Gesicht legte ich mich auf den Fußboden und starrte an die Decke. Wie soll ich beginnen, euch zu erzählen? Wie gerade eben, habe ich euch immer wieder nur einzelne Erinnerungsfetzen gegeben, euch in einzelne Szenen mitgenommen, deren Davor und Danach für euch verschleiert ist. Das große Ganze. Die ganze Geschichte. Dafür werde ich mir ein Herz nehmen und beginnen. Es fällt mir so schwer, denn ich habe Dinge getan, für die ich mich schäme, die ich mir nicht verzeihen kann. Ich war ein Teil dieser grausamen Welt und bin mit ihr verschmolzen. Sie hat mich zur Komplizin gemacht. Ich habe Schuld auf mich geladen. Wie soll man jemals mit diesen Erinnerungen leben? Jemals normal leben? Jemals glücklich werden? Ist das überhaupt möglich? Die Erinnerung an das, was man getan hat? Wer man war? Ja, mein ganzes Leben bin ich vor mir selbst weggelaufen, denn dafür gab es einen guten Grund. Die größte Angst habe ich vor mir selbst. Erinnerungen. Welchen Sinn hatte das alles? Als 16-jährige schrieb ich einmal in mein Tagebuch: Welchen Sinn hat das alles? Ich erkenne keinen Sinn darin. Außer, dass es mir Leid zufügt. Ich habe Tränen in den Augen. Zwei sind bereits über meine Wangen gelaufen, in die Tiefe gestürzt und in der schwarzen Decke, die mich umhüllt und wärmt, verschwunden. Ich werde jetzt noch Laufen gehen. Ich will mich draußen lebendig fühlen, wenn der Hamburger Wind und die Kälte mich antreiben mich zu bewegen, damit mein Herz mein warmes Blut durch meinen Körper jagt. Der Sport wird mich auch dieses Mal retten. Wenn ich mich bewege, muss ich nicht denken, mich nicht erinnern, dann gilt es, nur zu sein. Bitte entschuldigt meine düstere Stimmung heute. Es werden auch wieder andere Zeiten kommen. Versprochen. Fühlt euch geliebt.
  13. Heute ist ein düsterer Tag in Hamburg. Es hat beinahe die ganze Zeit geregnet. Ich mag den Regen. Immer schon hat es meiner Seele Erleichterung verschafft, wenn ich am Fenster saß und ihm zusah, wie er auf die Straßen fiel, dort kleine wallende Spiegel auf die Oberfläche zauberte, die Erde mit kleinen, glitzernden Tropfen benetzte, sie einhüllte in diesen wässrigen Glanz und schließlich direkt vor meinem Gesicht in kleinen, zierlichen Bahnen die Fensterscheiben hinabfloss. So nah, als würde der Regen meine Wangen entlang fließen. Er schenkte mir Tränen, da ich selber keine hatte. Wisst ihr, immer wenn ich sehe, dass jemand hier geantwortet hat, überkommt mich diese seltsame, innere Panik. Für einen Moment halte ich dann die Luft an. Immerzu erwarte ich, dass man auf mich einprügelt, besonders dann, wenn ich mich öffne. Deswegen ziehe ich mich so oft hier wieder zurück. Ein paar Tage, ein paar Wochen, oder ein paar Monate. Manches Mal hatte ich sogar den Impuls, ganz weg zu laufen. Aber ich bin geblieben. Ihr prügelt nicht auf mich ein. Alle eure Worte sind konstruktiv, unterstützend, liebend, heilend. Es hilft mir sehr, diese Art des liebevollen Umgangs zu trainieren und regelmäßig zu wiederholen. Es wird die alten Erinnerungen überschreiben und eines Tages, werde ich öfter liebevoll behandelt worden sein als grausam. Als ich 14 war nahm mich eine Schulfreundin einmal mit zu einer Party ihres besten Freundes. Wir saßen zu sechst auf dem Balkon und rauchten. Ich fühlte mich schrecklich unwohl, denn ich wusste nicht, was ich erzählen sollte. So fing ich schließlich an, über mich selbst Witze zu machen, wie dumm und unfähig ich sei. Alle lachten über mich und ich fühlte mich auf eine seltsame Art wohler. Später fragte mich eines der anderen Mädchen, ob ich mich denn immer so verarschen ließe. Ich wusste nicht, wovon sie sprach. Hier ein Auszug eines Textes, den ich vor vielen Jahren schrieb: Ich bin nichts. Ich war, und jetzt bin ich nichts. Aufgelöst, abgelöst, verschwunden und weggelaufen. Das bin ich. Lichtlos und ganz allein scheint der Tag, und so süß scheint mir die Nacht zu sein, so lieblich, wie sie mich mit sich zieht in ihre Nebel, in ihre finsteren Schwaden. Wohl scheint es mir, dort glücklich zu sein, in Einsamkeit, denn ich ertrage die Gesellschaft nicht. Je mehr ihr um mich seid, und je mehr ihr redet und lacht, desto stiller wird es in mir, und desto mehr breitet sich diese Leere in mir aus. Merkt ihr denn nicht, dass es mich fast zerreißt? All die Jahre. All die Jahre bin ich dort gewesen, an diesem unwirklichen Ort und es verfolgt mich bis heute. Ich laufe nicht mehr davor weg. Die Vergangenheit wird einen ohnehin immer wieder einholen. Wie weit darf ich euch mitnehmen in meine Erinnerungen? Ich habe heute viel an meine Geschwister gedacht. Mein Bruder hat ja den Kontakt zu mir abgebrochen, nachdem ich ihm eine Zeit lang als Projektionsfläche gedient hatte. Er ist sehr kaputt. Zu meiner geliebten Schwester wiederum habe ich den Kontakt abgebrochen. Immerzu, wenn wir uns trafen, fühlte ich mich ausgelaugt und fürchterlich. Irgendwann wurde mir bewusst, dass sie sich die gleichen Strategien angeeignet hatte wie meine Mutter. Sie nahm mir Energie und lud ihre negativen Anteile an mir ab. Natürlich saugte ich alles auf wie ein Schwamm. Sie fehlt mir, aber ich muss sie gehen lassen. Jeder hat seine eigenen Wege, um mit so einer Erfahrung fertig zu werden. Manche werden zu Opfern, andere zu Tätern. Ich will diesen Kreis ein für alle mal durchbrechen, deswegen will ich mich nicht länger als Opfer zur Verfügung stellen, an dem man seine eigenen Schmerzen abreagiert. Ich kann nicht länger ihre Schmerzen für sie tragen. Ich muss mich um mich selbst kümmern. So sehr ich mich auch manchmal darüber beklage, dass mir das alles passiert ist, noch viel mehr frage ich mich, weshalb man mir Hilfe zukommen ließ in Form einer liebevollen Therapeutin, meine Geschwister jedoch hinabstürzen ließ in dieses innere Gefängnis. Ich habe sie immer geliebt. Und ich weiß, dass auch sie mich lieben. Doch jetzt gilt es, mich selbst zu schützen. Damit meine Seele in Ruhe heilen kann. Sie wird ruhen. Und wer weiß, vielleicht finden die beiden sich eines Tages mit blutendem Herzen zu meiner Tür. Dann, wenn auch ihr Tor sich öffnet, ja dann werde ich für sie da sein. Vielleicht wird das aber niemals geschehen. Vielleicht wird ihr Tor für immer verschlossen bleiben. Dann werden sie eines Tages mit ihrer zerbrochenen Seele in Einsamkeit sterben oder sollten ihnen Kinder geschenkt werden, dann werden sie weitere zerbrochene Seelen auf dieser Erde hinterlassen. Ich würde euch bald in meine Erinnerungen mitnehmen, wenn ihr es mir erlaubt. Eine schöne Nacht ist hier in Hamburg bereits angebrochen. Es ist ruhig draußen, der Regen hat sich gelegt und viele Fenster des Hauses gegenüber leuchten mit ihren Lichtern nach draußen. Weißes, gelbes, rotes Licht. So wie auch auf meinem Tisch sanft Kerzen flackern und mir ein Licht sind. Euch allen eine schöne Nacht.
  14. Re VaaN, danke... Ich danke dir, deine Worte geben mir Mut... Das Schreiben hier macht mich glücklich. Ich denke nicht darüber nach, es fließt einfach durch mich hindurch und hinterlässt nichts als goldene Freude. Ich verfolge damit keinen Zweck, muss damit nicht meine Miete bezahlen oder Erwartungen erfüllen. Es ist das bloße Sein. Mein eigener, kleiner Tanz durch die Welt, mein eigenes, kleines Gemälde, mein ganz eigener Takt, in dem mein Herz schlägt. Manche hier verspüren einen Gleichklang in ihren Herzen, wenn sie meine Texte lesen und gehen ein Stück mit mir. Das ist wundervoll. Zu dem Buch, das ich geschrieben habe: Nun ja, da habe ich gemerkt, dass es einen großen Unterschied macht, zwischen "ein paar Gedanken niederschreiben" und "ein ganzes Buch schreiben". Es ist nur ein Manuskript. Es ist Brachland. Fruchtbar, ja. Aber es wurde nicht beackert. Mit viel Arbeit könnte daraus vielleicht ein blühendes Feld werden. Vielleicht gelber Raps. Oder ein Kornfeld, von Mohnblumen umsäumt. Oder hoch in den Himmel wachsender Mais, in dessen Reihen Kinder verstecken spielen oder Paare sich lieben. Vielleicht auch Gras, welches der Bauer mäht, wenn es seinen höchsten Punkt erreicht, dann zum Trocknen in der Sonne liegt, schließlich als Heu eingefahren und in großen Garben im Schober für den Winter einlagert wird. Dieser Umstand war mir jedoch nicht bewusst, nachdem ich es geschrieben hatte. Ich wollte es Menschen lesen lassen, es in die Öffentlichkeit schleudern, damit der Inhalt sich nur möglichst weit von mir entfernte. Damit ich nicht mehr hineinschauen musste. In das Buch. In meine Erinnerungen. In mich selbst. Die Erinnerungen schloss ich ein in dieses Buch. Und den Zugang zu mir Selbst schloss ich ab. Aber das war nicht der Weg. Das Buch fand nicht den Weg an die Öffentlichkeit, stattdessen kam es in mein Bewusstsein zurück. Und da ist es nun. Und liegt brach. Ich bin umhergetrieben von der Frage, wo mein Leben hingeht. Wo mein Platz in dieser Welt ist. Die Berufswelt, die ich bisher kennengelernt habe, ist mir so fremd. Was für andere Menschen so bedeutend scheint, das verstehe ich noch nicht einmal. Ich habe getan, was ich konnte, um mich einzufügen, aber bin bisher gescheitert. Vielleicht habe ich mich deswegen so nach diesen Stellen gesehnt. Sie hätten mir einen Namen gegeben, sie hätten mir gesagt, wer ich bin. Obwohl ich mich hier so vehement gegen Etiketten in Form von Diagnosen wehre, wollte ich in diesem Fall genau das: Mir ein berufliches Etikett verpassen. Eine Schablone, in die ich mich einfügen kann, so dass ich nicht mehr herausfalle und in der Welt verloren gehe. Ich hätte sagen können: "Ich bin x, ich arbeite für y an dieser wahnsinnig wichtigen Sache z" und während dieses Satzes, hätte ich so tun können, als sei ich unglaublich bescheiden und als wolle ich gar nicht so viel Macht, doch nur ich sei schließlich in der Lage, um an einer so wichtigen Sache zu arbeiten. So aber bleibe ich ein Niemand. Das ist jetzt in Ordnung. Es bereitet mir keine Schmerzen mehr. Denn selbst wenn ich im Außen jemand gewesen wäre, in mir drin wäre immer noch dieses unsägliche Minderwertigkeitsgefühl, eine zerstörte, zerfallene Stadt, ein fehlendes Selbst, fast vollständig vernichtet in einem namenlosen, stillen Krieg, voller ungeweinter Tränen. Zudem hat mich meine eigene Geschichte gelehrt, dass Geld, Macht und Einfluss - um deine Worte aufzugreifen Re VaaN - die Liebe vernichten können. Mein Vater arbeitete in einer einflussreichen Position bei einem mächtigen Konzern. Er war jemand. In der Welt da draußen. In meiner kleinen Welt gab es ihn nicht. Er verließ seine drei kleinen Kinder, um in fernen Ländern jemand zu sein. Er überließ mich und meine Geschwister der Grausamkeit seiner Frau. Für meine Mutter hingegen war ihr Besitz, die Ländereien und das Geld, das Wichtigste. Ich verstand nie, wie ein Haus bedeutender sein konnte als ein glückliches Heim. So prunkvoll das Haus auch war, für mich war es die Hölle. Eine kleine Wohnung, in der die Liebe und nicht das Geld das Maß aller Dinge gewesen wäre, hätte sehr viel Leid erspart. Ich habe viele Männer in meinem Leben gedatet, mit vielen geschlafen: BWLer, Ingenieure, Ärzte, Naturwissenschaftler, Anwälte. Angesehene Akademiker, erfolgreich und gut verdienend. Verliebt habe ich mich jedoch in einen ganz anderen Typ Mann. Er ist Handwerker. Er repariert Dinge. Und obwohl er so grob und ungestüm wirkt, bettet er mein zartes Herz in seine kräftigen Hände und gibt acht darauf. Er führt mich nicht in teure Restaurants aus, ein Leben mit ihm wird mir keine kostbaren Kleider bescheren, keine Juwelen um den Hals legen, kein Jet Set Leben ermöglichen. Und doch macht er mich reicher, als es irgendetwas sonst vermag. Der Schönste aller Orte ist in seinen Armen. Und er wird da sein, falls eines Tages vielleicht einmal Kinder kommen sollten. Meine Ex-Oneitis hat mich wieder kontaktiert. Er erzählte mir ungefragt von seinen vielen Reisen an die exotischsten Orte der Welt. Ich blieb höflich, jedoch distanziert. Vielleicht hatte er sich an meine Worte erinnert, die ich ihm vor langer Zeit einmal sagte: "Dieses ganze Rumgevögel ist völlig bedeutungslos, wenn man jemanden hat, der einen liebt und den man lieben kann." Reisen an die entlegensten Orte und die schönsten Frauen im Bett werden einen nicht erfüllen, denn irgendwann ist das Alles völlig bedeutungslos, wenn man die Liebe nicht in sein Leben lässt. Wer bin nun ich, inmitten all dieser Männer, inmitten all dieser beruflichen Möglichkeiten? Re VaaN, ich glaube ich bin Alles von dem und Nichts zugleich. Ich glaube, es gibt keine feste Form für mich. Ich weiß nur, dass mich das Schreiben glücklich macht. Während ich bei Bewerbungen vor einem weißen Bildschirm sitze und jedes Wort aus meinem Kopf ziehen muss, so als hielte es sich mit aller Kraft in meinen Gehirnwindungen fest und wollte nicht hinaus, so wie ich als 16-jährige festgekrallt am Treppengeländer, während meine Mutter mich ins Internat prügeln wollte, so anders ist es, wenn ich Geschichten erzähle. Überall wo ich hingehe, treffe ich auf sie, die Geschichten. Wenn ich durch die Straßen, durch die Welt laufe, dann pflücke ich Worte, Sätze, ja ganze Geschichten, an jeder Ecke. Als wäre ich in einem blühenden Garten, voller reifer Früchte tragender Bäume, dicht an dicht, prall gefüllten Gemüsebeeten, unzähligen verschiedenen Blumen, deren schillernde Farben mitten ins Herz strömen und für immer Glückseligkeit darin hinterlassen. Vielleicht lasse ich es einfach darauf ankommen... Ich war letztens auf Sankt Pauli in einem gemütlichen Cafe, dort kann ich mit hochgeknoteten Haaren, Pulli und Turnschuhen tagsüber unter der Woche zum Schreiben hingehen, ohne dass ich die Selbstzweifel und das schlechte Gewissen der Arbeitslosigkeit mit mir tragen müsste. Sankt Pauli ist bestimmt assi und zum Teil ruchlos mit seinen eigenen Gesetzen, auf der anderen Seite gibt es kaum einen Ort, an dem man freier sein kann. Es ist künstlerisch und jeder Einzelne dort ist sein eigenes, lebendiges Werk. "Geh einen neuen Weg" <- Danke dafür! Mein Herz wird mich leiten... Mir geht es übrigens viel besser. Das Leben ohne Zigaretten ist so viel schöner, das kontrollierte Essen fällt mir leichter und dann habe ich noch meinen geliebten Sport, der mich immer wieder rettet. Selbst die Musik, die ich höre, ist nun fröhlicher. Ich kümmere mich um mich selbst. So, jetzt noch eine Bewerbung schreiben und dann ab ins Gym. Danke, dass ihr mir hier Raum gebt, meine Welt zu verändern. Candygirl
  15. Nun habe ich einige Tage vergehen und meinen neuen Text wachsen lassen... Neue Gedanken, neue Gefühle, neue Erkenntnisse. Es hat sich schon wieder Vieles verändert. In mir drin. Das Äußere ist immer noch dasselbe. Seit Freitag rauche ich nicht mehr und ich fühle mich bereits deutlich besser. Gleichzeitig spielt mein Körper verrückt. Neben dem Pilz hat mich auch ein Virus besucht, welcher in den letzten Tagen für viel Schlaf und Ruhe in meinem Leben gesorgt hat. Mein Zyklus ist ebenfalls durcheinander und ich habe gerade zum zweiten Mal meine Periode innerhalb von zwei Wochen. Der Körper schreit: "Wach auf. Beachte mich. Sieh in mich hinein. Hör mir zu. Kümmere dich um mich." (Ohne mit Zigaretten und Essen das Unangenehme wegzudrücken.) Nun ja, das habe ich jetzt auch endlich getan. Und es ist unangenehm, was ich gefunden und gespürt habe. Aber da muss ich jetzt durch. Ich kann nicht mit dem Essen und dem Rauchen weitermachen, weil es mich nicht nur unglücklich macht, sondern mich zerstört. Was also ist da in mir, was ich all die Jahre mit aller Kraft versuchte von meinem Bewusstsein fernzuhalten? Ein Gefühl der Minderwertigkeit. Es sitzt tief. Und es ist überall. Ich bin davon erfüllt. Es ist, als wäre ich auf der Reise in mein Inneres durch eine zerbombte, niedergebrannte Stadt gelaufen, mit zerfallenen Häusern, welche auf sandigem Untergrund gebaut wurden, halb zerfetzt, halb in den unbeständigen, losen Boden eingesunken. Das ist mein Selbst. Zerfetzt und zerbombt. Niedergebrannt. Der Boden ist mein Selbstwertgefühl. Unbeständig. Instabil. Wackelig. Wie soll es auch anders sein? Wie soll da eine Basis für ein gesundes Selbstwertgefühl sein auf der man eine prächtige Stadt, ein strahlendes Selbst erbauen könnte? Seit meiner frühen Kindheit wurde mir nicht nur eingeprügelt, dass ich unzulänglich, dumm, fett und hässlich sei, sondern auch, dass ich ein von Grund auf schlechter Mensch sei, den man nicht mögen könne, so sehr man es auch versuchte. Manchmal waren es nur versteckte Botschaften, die diesen giftigen Inhalt transportierten, andere Male waren es offene Angriffe. Meine Reaktionen - waren es Wut, Weinen oder Schweigen - wurden mir wiederum negativ ausgelegt und so begann ein zerstörerischer Kreislauf, der mich zuerst destabilisierte und mich schließlich beinahe vernichtete. Deswegen fällt mir meine derzeitige Situation so schwer. Menschen mit einem gesunden Selbstwertgefühl würden vielleicht ein paar Tage trauern und sich danach mit aller Kraft nach einer neuen, besseren Stelle umsehen. Bei mir hingegen hat der Jobverlust wie eine Sprengung meine innersten Wunden und Traumata freigelegt. Und so laufe ich gerade durch die Welt, mit dieser riesigen, klaffenden Wunde, mit gespreiztem Brustkorb. Das ist keine Basis für eine gute Bewerbung. Und somit liegt hier meine Baustelle. Ich muss von ganz vorne beginnen. Zuerst Bewusstsein in mein Inneres bringen. Die Wunden anschauen, negative Gedanken auf ihren Ursprung überprüfen. Mir bewusst machen, dass das nicht ich bin. Meine eigenen Gaben inmitten all des Schutts finden. Dann ein Fundament bauen. Häuser errichten. Parks anlegen. Wenn ich Eines aus meinem letzten Job mitgenommen habe, dann das: Ich habe es verdient, respektvoll behandelt zu werden. Ich habe es verdient, anerkannt zu werden. Ich habe es verdient, glücklich zu sein. Ich habe es verdient, dass sich meine Wünsche erfüllen. Ich habe es verdient, alles zu haben, was ich mir wünsche. Die Suche nach einem Therapeuten habe ich erstmal auf Eis gelegt. Bei den Terminen, die ich hatte, spürte ich, dass wohl mehr Schaden als Heilung angerichtet werden würde. Ansonsten ist mir die Suche zu anstrengend. Wenn etwas nicht leicht von der Hand geht, dann ist es nicht der richtige Weg. Bis ganz zum Ende dieses Textes habe ich etwas aufgeschoben, was ich nun aber erzählen möchte. Als ich noch sehr klein war, war mein Vorbild Mutter Teresa. Wie sie, wollte ich eines Tages die Welt verbessern, sie verändern. All die Jahre des Leids hat mich ein Gedanke am Leben gehalten: Dass ich eine Aufgabe hier habe und deswegen durch all diese Schmerzen gehen müsse. Ich fühlte mich auserwählt. Dachte, etwas Besonderes zu sein. Es ist nun an der Zeit diesen Gedanken loszulassen, denn wenn eine Sinnsuche sich nicht erfüllt, erscheint das Leben sinnlos. Ich war vor ein paar Monaten in jeweils einem Auswahlverfahren für zwei Stellen, mit denen ich wahrscheinlich sehr erfolgreich und einflussreich geworden wäre. Beide Stellen bekam ich aus Eigenverschulden nicht. Im Moment habe ich in etwas kleinerem Ausmaße wieder Bewerbungen für ähnliche Stellen, aber ich spüre, dass ich dieses Mal noch nicht einmal die erste Hürde im Auswahlverfahren nehmen werde. Also werde ich jetzt loslassen. Vielleicht ist es einfach nicht mein Weg, auf Konferenzen Reden zu halten, Entscheider zu beraten, im Kostüm und mit hochgesteckten Haaren herumzulaufen. Vielleicht soll ich weiterhin in Turnschuhen und mit Pferdeschwanz über das Format eines Flyers oder eines Banners nachdenken und die Aufgabe wird sein, damit glücklich zu sein. Und ja, damit wäre ich glücklich. Solange ich wieder Teil dieser normalen Welt sein darf. Wie ich es vermisse, mich Montag Morgen auf meine Kolleginnen zu freuen und mich nach Feierabend darüber zu beklagen, wie kaputt ich bin. Ich habe es endlich geschafft, jemanden in mein Leben zu lassen und Nähe als erfüllend zu erleben. Jetzt will ich auch einen Job, wie auch immer dieser sein soll. Um zum Beginn dieses Abschnitts zurückzukehren: Ich schrieb, dass ich die Welt verändern wollte, aber wie soll ich die Welt verändern, wenn ich noch nicht einmal vermag mich selbst zu verändern? Ich selbst bin die Aufgabe und nicht diese Welt. Ich muss mich selbst verändern. Das Unerlöste in mir mit Liebe erlösen und dann ein Fundament bauen, eine Stadt errichten, Parks anlegen. Einen inneren Quell der Ruhe und der Glückseligkeit erschaffen, der immer da ist, selbst wenn um mich herum ein Tornado weht. Ganz konkret sieht das so aus: Ich esse zu festen Zeiten, kontrolliert und bewusst. Wenn ich Frustration verspüre, weil ich bei einem Anschreiben nicht weiter weiß, dann halte ich diese Frustration einfach aus und artikuliere dann meine Gefühle, sei es Wut, Traurigkeit, Schmerz, Minderwertigkeitsgefühle. Das Schema ist: Die Aufmerksamkeit richtet sich nach innen, die Gefühle dürfen nach draußen. Essen in mich hineinstopfen und rauchen habe ich nun lange genug als Lösungsstrategien getestet. Hat nicht funktioniert. Es ist nun an der Zeit für neue Wege. Ich hatte gerade ein gesundes Mittagessen, schreibe seit heute Vormittag diesen Text, um zu reflektieren, werde jetzt noch kurz auf dem Balkon Sonne tanken und dann Bewerbungen schreiben. Jede Lebensphase lehrt uns etwas und wenn wir es verstanden und angenommen haben, dann hilft uns das Leben auch wieder heraus. Und so wartet auch ein Job auf mich. Vor ein paar Wochen ist mir ein Spruch von Gandhi untergekommen: "Sei selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt." Und so werde ich jetzt gut zu mir sein. Jeden Tag. Liebend, so wie ich es mir für die Welt wünsche. Verzeihend, für das, was ich falsch gemacht habe. So, und jetzt ab in die Sonne. Mit der Sonne kann alles heilen. Alles gut werden. Sich alles verändern.
  16. Ich danke euch von Herzen, dass ihr mich wieder aufnehmt und ich weiter hier an meinem kleinen Lebensprojekt arbeiten darf. Es bewegt sich sehr viel. Letzte Woche hatte ich einen Termin bei einem männlichen Therapeuten. Ich erzählte meine Geschichte und formulierte meinen Wunsch nach Auflösung meiner Traumata. Er wäre bereit gewesen mich zu behandeln, jedoch hatte ich einige Stunden nach dem Termin ein ungutes Gefühl. Irgendwie hatte er müde und lustlos gewirkt, während ich von mir selbst das Gefühl hatte, trotz meiner derzeitigen Situation vor Lebendigkeit zu sprudeln. Weiter sagte mir mein Gefühl, dass ein Mann als Therapeut mir nicht gut tun würde. Er hätte auch zugleich die passende Diagnose für mich gehabt: Eine emotionale Instabilität mit leichter Depression. Das ist das Problem an den kassenzugelassenen Therapeuten, am ganzen System, an der Gesellschaft. Sie betrachten etwas punktuell und erklären sich die Dinge mit Etiketten, anstatt das große Ganze sich anzusehen. So wie man in meiner Kindheit und Jugend nicht meine tiefe Traurigkeit, meine grenzenlose Verzweiflung und meine Traumatisierung im Angesicht dieser schier ausweglosen Situation anerkannte. Stattdessen gab man mir das Etikett depressiv. Gestern war ich bei einer weiblichen Therapeutin. Ich erzählte ihr ebenfalls von meinem Plan mithilfe des Buches in meine Vergangenheit zu reisen und die Traumata aufzulösen. Sie fragte nach meinen Problemen im Hier und Jetzt. Da ich außer 4kg Gewichtszunahme, düsteren Gedanken und Rauchen nichts vorzuweisen hatte, sagte sie mir, dass sie meine Reise in die Vergangenheit nicht begleiten könne. So etwas hätte sie noch nie erlebt und daran glaube sie auch nicht. Wie verabschiedeten uns mit den besten Wünschen füreinander. Der Termin war jedoch aus anderen Gründen sehr fruchtbringend. So spürte ich während des Gesprächs sehr deutlich meine innere Stimme und dass ich ihr unbedingt folgen müsse. So wie meine Therapeutin einst zu mir sagte: "Sala, glaube an dich selbst, so bist du nicht mehr vom Wissen oder Unwissen anderer Menschen abhängig." Zudem fand ich etwas im Wartezimmer. Ein Mann neben mir blätterte in einem kleinen Büchlein und ich spürte, dass ich dieses Buch ebenfalls in meinen Händen halten wollte. Als er aufgerufen wurde und es auf den Tisch legte, griff ich es. Auf der dritten Seite fand ich den Auszug eines Briefes von Rilke, meinem Lieblingsdichter. Man muss den Dingen die eigene, stille ungestörte Entwicklung lassen, die tief von innen kommt und durch nichts gedrängt oder beschleunigt werden kann, alles ist austragen – und dann gebären... Reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt und getrost in den Stürmen des Frühlings steht, ohne Angst, dass dahinter kein Sommer kommen könnte. Er kommt doch! Aber er kommt nur zu den Geduldigen, die da sind, als ob die Ewigkeit vor ihnen läge, so sorglos, still und weit... Man muss Geduld haben Mit dem Ungelösten im Herzen, und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben, wie verschlossene Stuben, und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind. Es handelt sich darum, alles zu leben. Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich, ohne es zu merken, eines fremden Tages in die Antworten hinein. Diese Zeilen haben mir Antworten gegeben. Ich kann nicht auf einen fernen Tag warten, an dem ich geheilt bin, um endlich anzufangen zu leben. Aber ich kann jeden Tag im Jetzt alles annehmen, was in mir ist und was gelebt werden will und so in die Heilung hineinleben. Eines Tages werde ich dann, ohne es zu merken, im tiefsten Inneren ganz und heil sein. Der Geist, der Engel der Heilung kam auch ohne Therapeut zu mir... Die kurze Vorgeschichte dazu (das ist sehr intim, jedoch irgendwie wichtig für den Verlauf): Ich habe mir eine vaginale Pilzinfektion zugezogen und war deswegen letzte Woche beim Frauenarzt. Mein Freund stellte mir am Abend darauf sehr viele Fragen. Ich spürte Panik in mir aufsteigen, antwortete einsilbig und ausweichend. Schließlich fragte ich ihn: Wieso stellst du mir all diese Fragen? "Weil ich mich für dich interessiere", war seine überraschte Antwort. In diesem Moment wurde mir der Grund für meine Panik und mein defensives Verhalten bewusst. In meiner Vergangenheit wurden mir nur Fragen gestellt, wenn man mich eines Vergehens überführen oder Fehler finden wollte, aufgrund deren man mich hätte bestrafen können. Jedes Wort zu viel wurde gegen mich verwendet. Als mir das bewusste wurde, spürte ich wie sich eine Spannung in meinem Körper löste und mein Herz strahlte. Kurz vorm Einschlafen sagte ich zu ihm: "Hältst du denn eine Woche ohne Sex aus?" Er sagte: "Am liebsten würde ich mir den Strick nehmen." Ich erschrak und flüsterte: "Sag so etwas nicht." Seine Worte führten mich in eine sehr schmerzhafte Situation meiner Vergangenheit. Als ich 18 war, hatte ich durch die Therapie bereits gelernt, mich der Gewalt meiner Mutter zu entziehen. Je mehr ich ihr auswich und sie dadurch ihre eigenen Schatten nicht mehr an mich abgeben konnte, ich also nicht mehr die Verantwortung für ihre düstere Seele übernahm, desto schlechter ging es ihr. Es machte mich traurig sie so zu sehen und ich wollte ihr helfen. Eines Abends versprach ich, ihr zu helfen und sie weinte in meinen Armen. Ich überredete sie, mit mir zur Therapie zu gehen und dort prügelte sie eine ganze Stunde lang verbal auf mich ein. Meine Therapeutin konnte sie nicht in ihrem Redeschwall bremsen. Ich hielt mich am Stuhl fest und sagte mir immerzu: Sei stark, sie wird aufwachen. Sie versprach mir, Therapie zu machen. Meine Therapeutin erzählte mir Jahre später, dass meine Mutter die wenigen Stunden damit verbrachte, zu erzählen wie schrecklich ich sei und wie ich ihr Leben zerstören würde. Als sie andeutete, dass meine Mutter sich ihren eigenen Problemen stellen müsse, sagte sie diesen Satz: "SIE ist doch krank und nicht ICH." Sie wurde wütend und brach die Therapie ab. Ich wusste damals nichts davon und fragte meine Mutter, die gerade vor dem Fernseher saß, einige Wochen nach der ersten, gemeinsamen Sitzung wie es ihr in der Therapie ergehen würde. "Ich habe die Therapie abgebrochen, denn das bringt gar nichts." Sie beachtete mich gar nicht und wendete ihren Blick nicht vom Fernsehprogramm. Verzweiflung stieg in mir auf, denn ich sah meine Hoffnung schwinden, dass sie heilen und ich endlich eine normale, liebende Mutter haben würde. "Aber du brauchst das doch, es geht dir doch nicht gut." In diesem Augenblick sah sie mich mit wahnsinnigen Augen an und sagte: "Was denkst du denn wie es mir geht? Am liebsten würde ich mir den Strick nehmen." Ihre Worte trafen mich mitten ins Herz. Weinend fragte ich: "Warum tust du mir das an?" Doch sie war fort und ignorierte mich, wieder auf das Fernsehprogramm konzentriert. Als mein Freund jenen Satz sagte, führte er mich zurück in diese Erinnerung. Doch dieses Mal war ich nicht allein. Da war ein Engel, in strahlendem weiß-goldenem Licht, mit großen Flügeln, die bis zum Boden reichten. Damit umspannte er mich und sagte tröstend: "Sie ist wahnsinnig. Du kannst ihr nicht helfen, du trägst keine Schuld, aber du bist jetzt in Sicherheit." In seinen Armen konnte ich weinen und fühlen. Das ist die Heilung. Das ist mein Engel der Heilung. Was auch immer im Moment an Erinnerung nach oben strömt, immer ist er da und trägt mich, behütet mich, umfasst mich mit seinen Flügeln, in denen ich weinen und fühlen darf. Seelen gehen ihren eigenen Weg, in ihrem eigenen Tempo. Und so wird sich auch vor mir der Weg der Heilung offenbaren. Ich werde alles annehmen, was auch immer kommt und auf mich selbst vertrauen. Das Leben wird mich zurückführen in die Vergangenheit, damit ich meine Muster erkennen und loslassen kann. Im Hier und Jetzt kann ich anders handeln. Damals bin ich oft in den Wald gelaufen, habe mich auf den Boden gesetzt und mich mit Zigaretten betäubt. Auch jetzt noch lebe ich dieses Muster des Rauchens, um stressige Situationen abzubauen. Das ist neben dem Essen meine Copingstrategie. Es gilt, andere Wege zu finden und zu lernen, mit Stress umgehen. Vor ein paar Tagen habe ich mich an den Film "Das letzte Einhorn" erinnert. König Haggard sagte, die Einhörner im Meer betrachtend: "Da sind sie. Sie gehören mir, mir allein. Der rote Stier hat sie für mich gefangen, Eines nach dem Anderen und ich befahl ihm, jedes Einzelne ins Meer zu treiben und jetzt leben sie dort. (...) Ich liebe es, ihnen zuzuschauen. Sie erfüllen mich mit Freude. Als ich sie das erste Mal verspürte, glaubte ich, ich müsse sterben. Ich sagte zu dem roten Stier: Ich muss sie haben. Alle, die es gibt. Denn nichts macht mich glücklich außer ihr Strahlen und ihre Anmut. Und der rote Stier hat sie alle gefangen. Jedes Mal, wenn ich die Einhörner sehe, meine Einhörner, ist es wie an jenem Morgen im Wald. Und ich bin wirklich jung trotz meines Alters. Er bezieht seine Lebensenergie daraus, das Schöne und das Lebendige gefangen zu halten, zu kontrollieren, zu besitzen. Als er die Einhörner verliert, stirbt er, sein Schloss bricht zusammen. Er ist innerlich tot und ohne Freude und das Einzige, was ihn leben lässt, sind die Einhörner. Er kann nicht lieben, nicht fühlen. Er ist besessen von seinem eigenen Wahnsinn. Besessen davon, das Gute und das Schöne zu jagen und gefangen zu halten. Ich bin nicht zum Opfer auserwählt worden, weil ich besonders labil oder depressiv war. Genau das Gegenteil war der Fall. Ich konnte mich bereits als Kind an allem erfreuen. Da war eine tiefe Freude in mir, welche mich mit der Welt verband. Die Lebensenergie floss durch mich wie ein natürlicher Fluss. Das bloße Sein erfüllte mich, verbunden mit allem. Diese innere Freude und diese Energie fehlten meiner Mutter. Wie König Haggard, trieb sie alles Gute in mir in ihr Meer und hielt es dort gefangen, um ihre Lebensenergie daraus zu beziehen. Narzisstisch Perverse, so wie die Viktimologin Marie-France Hirigoyen in ihrem Buch " Die Masken der Niedertracht" diesen Typus beschreibt, sind fixiert auf diese Art des Umgangs. Dieses Buch hat mir übrigens die Augen geöffnet. Es gibt viel Literatur zur narzisstischen Persönlichkeitsstörung, jedoch nur wenig, welche sich mit den Opfern beschäftigt. Ihr Buch ist eines davon und es hat mir sehr geholfen. Vielleicht nehme ich euch noch in weitere Erinnerungen mit. Es gibt da etwas, das mich sehr belastet. Aber noch bin ich nicht bereit dazu. Man merkt, dass ich gerade viel Zeit habe. Meine Texte sind unendlich lang... Danke fürs Durchhalten, fürs Dabeisein, fürs Lesen, für das bloße Sein. Auf dass wir alle mit Freude erfüllt sind und lieben können.
  17. Nach so langer Zeit, in der ich untergetaucht bin, auf der Flucht vor mir selbst, möchte ich gerne weiter berichten, wie es mir ergangen ist, so ihr es mir erlaubt. Als ich meinen letzten Post im Dezember verfasst hatte, war ich sehr verzweifelt. Jetzt weiß ich, weshalb. Ich habe mich in den letzen Monaten treiben lassen wie ich es angekündigt hatte und das Leben hat mir Antworten gegeben. Ich weiß jetzt, was ich zu tun habe. Aber von vorne. Ich will euch berichten, wie ich zu meinen neuen Erkenntnissen gekommen bin. Von September bis Dezember habe ich viel gekifft, um mich damit gezielt zu betäuben. Ich habe gespürt, dass ich keine Stunde mit mir alleine sein konnte, weil da in mir ein beklemmendes Gefühl war, etwas Düsteres, was ich nicht imstande war auszuhalten. Doch das High-Gefühl durch das Kiffen war trügerisch. Es entfernte mich noch mehr von meinem Herzen und schnitt mich von mir selbst ab. Es war wie in meiner Jugendzeit, in der ich nach schweren, emotionalen Misshandlungen in meiner Familie im Bett lag und abwärts des Halses nichts mehr spürte. In einem meiner Tagebücher findet sich dieser Satz: Brich mir meine Beine oder meine Finger oder all meine Rippen. Brich sie mir alle und ich spüre es doch nicht. Ich bin nicht mehr hier bei dir, ich bin nicht mehr hier in diesem Körper. Seit Januar kiffe ich nicht mehr und schnell wurde ich wieder klarer im Kopf und spürte meinen Körper wieder. Es hat sich viel verändert, im Außen so wie auch im Inneren. Ich habe meinen Job verloren und seitdem geht es mir sehr schlecht. Ich rauche wieder und habe innerhalb kürzester Zeit alles wieder zugenommen, was ich zuvor abgenommen hatte. Außerdem hatte ich einen sehr lukrativen Job in Aussicht, welchen ich aus Eigenverschulden nicht bekam. Ich bin im Moment viel zu Hause, rauche, esse und starre an die Wand. Bewerbungen schicke ich mit dem Gefühl, ohnehin abgelehnt zu werden. Der damit verbundene Schmerz, mich selbst immer wieder zu blockieren und meine Erfolge kaputt zu machen, hat mir neue Erkenntnisse gebracht. Da ist dieser Schmerz in mir, um den ich mich immer wieder kreise, der mich immer wieder in sich hineinzieht, wie ein schwarzes Loch, welches alles Leben verschlingt. Etwas in mir sagt immerzu: "Egal, was du machst, du wirst immer verlieren. Du bist es nicht wert. Du wirst nicht geliebt." Aber das ist nicht meine Stimme... Ich bin ihr gefolgt und habe das Buch gelesen, welches ich vor einem Jahr schrieb und welches die letzen Monate in einer verschlossenen Kiste lag, neben der Kiste mit meinen alten Tagebüchern im hintersten Eck meines Schranks. Es ist nicht meine Stimme. Es ist die Stimme meiner psychotischen Mutter und meines gewalttätigen Vaters. Meine eigene Stimme haben sie zum Schweigen gebracht, aber sie ist noch da. Immer wieder flüstert sie leise, aber voller Angst: Du bist wundervoll, du hast ein wunderschönes Herz. Du bist Licht. Du schaffst alles, was du willst. Jedenfalls weiß ich nun, was ich zu tun habe. Ich habe in meinem letzten Post gefragt: Hört es denn nie auf? Ja, ich habe dieses Buch geschrieben, meine Vergangenheit erinnert und mein Handeln reflektiert. Ich habe viele Bücher über emotionalen Missbrauch gelesen und mit meiner Therapeutin darüber gesprochen. Auf intellektueller Ebene habe ich das alles verstanden. Wie es wirkt, was es mit einem macht und wie nachhaltig diese Traumata das Leben beeinflussen. Aber ich bin immer in meinem Kopf geblieben. So wie als Jugendliche, als ich nur in meinem Kopf überleben konnte, als Erwachsene durch das Kiffen oder anderweitige Ablenkungen, und durch das Verdrängen. Selbst als ich das Buch geschrieben habe und meine Tagebücher dabei las, habe ich mir immer wieder gesagt: "Das ist nicht dir passiert, du bist nur eine Wissenschaftlerin, welche die Geschichte einer fremden Person erforscht." Ich konnte das alles nicht fühlen, weil mich der Schmerz vernichten würde. Es ist, als sei ich emotional querschnittsgelähmt. Zur Heilung fehlt also noch der letzte Schritt. Der Schwerste. Ich muss noch einmal in den Keller meiner Vergangenheit hinabsteigen und abermals die Schmerzkammern öffnen. Aber dieses Mal nicht, um sie nur anzuschauen. Sondern um sie zu fühlen. Das werde ich nicht alleine schaffen. Dieser Weg ist zu schwer. Ich brauche Hilfe. Ich bin gerade auf der Suche nach einer liebevollen Therapeutin, die mich begleitet. Mit Hilfe des Buches möchte ich mit ihr gemeinsam in die Schmerzkammern gehen. Dieses Mal soll sie die Laterne halten, damit ich mich dort auf den Boden legen und weinen kann. Schließlich soll sie mich auch wieder hinausführen, damit ich in der Dunkelheit nicht verloren gehe. Meine ehemalige Therapeutin lebt am anderen Ende Deutschlands und kann mir dabei nicht helfen. Sie hat mir aber gesagt, dass ich dringend eine Therapie brauche, denn traumatische Erfahrungen wie meine könne man nicht in kurzer Zeit abbauen. Im Moment geht es mir zwar sehr schlecht und ich zweifle viel, aber irgendwo in mir ist dieses Vertrauen in das große Ganze. Ich spüre, dass das Universum mir gerade durch den Jobverlust Raum verschafft hat, um meine Kindheitstrauma endgültig zu verarbeiten. Nichts geschieht, um mir zu schaden. Ich weiß, dass wenn ich diesen Weg gegangen bin, dann werden sich auch meine Symptomatiken - das Rauchen und das Essen - von ganz alleine auflösen. Wenn ich jetzt Heilung finde, dann werden diese negativen Stimmen aus meinem Kopf für immer verschwinden und mich nie wieder quälen. Dann werde ich endlich frei sein. Ich weiß, wer ich in Wahrheit bin. Und ich weiß, was meine Eltern aus mir gemacht haben. Sie haben mir unendlich große Schmerzen zugefügt, aber ich bin daran nicht zerbrochen. "Niemand wird dich jemals lieben. Du machst es einem schwer, dich zu lieben. Dich kann man nicht lieben. Schau dich doch an, du magst dich ja selbst nicht. Wenn die Leute wüssten wie du wirklich bist, würde niemand mehr etwas mit dir zu tun haben wollen. Du wirst es niemals schaffen, weil du dumm und faul bist. Schönheit bringt dir gar nichts, weil du im Inneren hässlich bist. Mit deinen Tränen willst du uns nur manipulieren, sie sind nicht echt. Wir wollen dich nicht mehr, weil du unser Leben zerstörst. Du bist krank und brauchst dringend Hilfe." Das ist nur eine kleine Auswahl. Meistens haben sie gar nicht mit mir gesprochen. Ich war es ihnen einfach nicht wert. Meine Seele wurde geschunden und gemartert von den Menschen, die ich am meisten gebraucht hätte. Den Menschen, die meine Welt waren. Es ist an der Zeit. Ich habe ein wunderschönes Gedicht gefunden, das ich gerne mit euch teile: I found myself lost in the depth of darkness and despair. Blinded by confusion That was dwelling everwhere. No matter how many times I tried I couldn`t find my way. But when I opened up my eyes A whole new life awaited. Through hope and heart and promises, Integrity and dignity, my life is now my masterpiece. I control my destiny. I am a Phoenix now From ash I rise above As I climb, step by step The path to true self love. Das Drama und das Leid, welches mich in meinem Leben immer wieder ereilt, entspringt den internalisierten negativen Botschaften meiner Eltern, die mir in meinem jahrelangen Martyrium eingepflanzt wurden. Es ist an der Zeit diese Fesseln zu sprengen und endlich die Frau zu sein, die ich eigentlich schon immer war. Warmherzig, fröhlich, glücklich, liebend und sonnig. Es liegt viel Arbeit vor mir und es wird mich viel Kraft kosten, erneut in die Schmerzkammern zu gehen. Aber das Leben hat mir bereits meinen sehnlichsten Wunsch erfüllt und mir jemanden an die Seite gestellt. Es gibt jetzt einen Mann in meinem Leben. Ich habe vor einigen Monaten geschrieben, dass ich spüre, dass er auf dem Weg ist. Und so ist es geschehen. So viele Nächte im Winter bin ich mit seinem Gesicht im Herzen eingeschlafen und habe ihn mir herbeigewünscht. Ob ihr es glauben werdet oder nicht, aber genau der Mann aus diesen Träumen ist in mein Leben gekommen. So glücklich er mich auch macht, erst durch ihn hat sich das Tor wieder geöffnet. Durch die Nähe zu ihm wurden viele schmerzhafte Erinnerungen getriggert und oft waren die Flashbacks so real, dass ich die Angst und den Schmerz so intensiv spürte als wäre ich dort. Das ist gut, denn es zeigt mir, dass es nicht mehr abgespalten, sondern zu einem Teil von mir geworden ist. Er weiß um meine Vergangenheit. Nicht alles, aber sehr viel. In einer tränenreichen Nacht habe ich erzählt und er hat zugehört. Fassungslos und voller Entsetzen. Ich habe ihm gesagt, dass ich diese Altlasten mit mir trage, aber aktiv daran arbeiten will. Er weiß, wie schmerzhaft das alles für mich ist und ich habe ihm auch gesagt, dass ich es verstehe, wenn er nicht mit einer so vorbelasteten Frau zusammen sein möchte. Er ist geblieben. Gestern Nacht, als ich gerade eingeschlafen war, legte er seine Arme und mich und zog mich ganz nah an sich. In meinen Schlaf hinein hörte ich die Worte: "Ich liebe dich so sehr" und spürte einen warmen Kuss auf meiner Stirn. Ich bin es wert, geliebt zu werden, denn ich bin ein ganz wundervoller, liebevoller Mensch. Was mir angetan wurde, hat sich wie Gift bis in die tiefsten Tiefen meines Seins hineingegraben und hält dort jede noch so kleine Zelle fest umklammert. Doch es hat nichts an meinem Wesen verändert. Es hat nichts an der Liebe verändert, aus der ich bestehe und die aus mir zu jedem anderen Wesen dieser Erde fließt. Das sind meine Neuigkeiten und ich bitte um Entschuldigung für meinen verzweifelten Rückzug vor ein paar Monaten. Wenn ihr mich auf meinem weiteren Weg zur Heilung begleiten möchtet, freue ich mich sehr. Eure Candy
  18. Candygirl

    Forentreffen 2016

    Habe auch Interesse! Herzdame, auf dich freu ich mich jetzt schon :)
  19. Früher wäre mir das Herz aufgegangen bei solch einer Liebeserklärung. Habe oft von so etwas in der Art getagträumt und mir ausgemalt, wie wir für immer glücklich zusammen sind. Mittlerweile ist das anders. Bodiswappa, du liebst eine Erinnerung. Die Erinnerung an dich selbst. Selbst wenn alles so einträfe, wie du es dir wünschst und sie zu dir zurück käme... Es wäre nicht mehr dasselbe. Weil ihr mittlerweile völlig andere Menschen seid. Du hast die Welt gesehen, mit vielen anderen Frauen geschlafen, sie hat womöglich ebenfalls prägende Dinge erlebt. Oder schlimmer: Sie hat nichts erlebt. Deine Erinnerung an sie, an euch, ist eine Illusion. Nicht mehr als die Samen einer Pusteblume, die der Wind über die Felder trägt. Ich denke auch oft an die Zeit mit meiner Oneitis zurück. Wie ich summend im Zug sitze und verträumt mit meinen Haaren spiele, wie ich fröhlich im Sommerkleid durch die Straßen zu seiner Wohnung laufe, an das Lächeln, das er in mein Gesicht zauberte, wenn er die Tür öffnete, wie ich meinen Körper spürte, wenn ich nackt in seinem Bett lag und er mich überall berührte. Weißt du was? Ich erinnere mich nur an mich. An die Momente, in denen ich glücklich war. Nur jene Momente vermisse ich. Ich vermisse nicht, wie er mir eine Beziehung vorspielte und mich mit anderen Frauen betrog, mich nach der anfänglichen Podestphase herabwürdigte, wie ich mich in Grübeln und Schokolade stürzte, um mich zu trösten. Wie er mich eiskalt abservierte. Eine Oneitis ist die Sehnsucht nach dir selbst. Nach dir in deiner besten Version. Mit ihr warst du eine Zeit lang glücklich,denn sie hat etwas in dir hervorgeholt. Etwas, das du auch ohne sie in dir trägst. Es gibt ein Leben nach der Oneitis und wenn man sie endgültig losgelassen hat, dann ist man einen großen Schritt näher zu sich selbst gekommen.
  20. Ich habe lange darüber nachgedacht und mich entschieden, diesen Thread zu beenden. Was ich im Moment erlebe, ist zu düster, um es hier weiter zu teilen. Cutie hat Recht. Es sind meine bewussten Entscheidungen, das alles zu erleben. Ich will das alles. In mir ist ein starkes, beinahe übermächtiges Verlangen nach Schmerz, nach Unterwerfung, Demütigung. In eben demselben Maße wie ich mich nach Liebe und Nähe verzehre. Ich muss jetzt in diese Welt und herausfinden, was das in mir ist. Ich war nicht immer so unterwürfig. Dieses Verlangen ist erst in den letzten zwei Jahren gewachsen. Zuvor war ich eine Kämpferin, stark und stolz. Nichts und niemand konnte mich unterwerfen. Vielleicht mit körperlicher Überlegenheit. Aber innerlich ließ ich mich nicht brechen. Jetzt breche ich mich selbst innerlich. Ich breche mich auf. Es erlöst mich, mich voller Vertrauen in die Hände eines anderen Menschen zu begeben. Diese Männer sind keine Sadisten. Sie sind - wie ich - im Kern gute Menschen. Sie sind fähig zu lieben. Jedes Mal, wenn ich sie voller Angst und Schmerz bitte, mir nicht weiter wehzutun, verändert sich der Ausdruck in ihren Augen. Sie scheinen dann zurückzukehren aus der Welt der Dunkelheit in die Welt der Liebe. Den Kuss, den sie mir daraufhin geben, ist ein Kuss der Wahrhaftigkeit, der Liebe. Es gibt aber einen noch triftigeren Grund, mich hier zurückzuziehen. Dieser Thread war mein Ventil. Ich konnte meine Schmerzen ausdrücken. Auf meine Weise. Aber mehr als ein Bild von mir zu malen, das mich tröstet, habe ich nicht getan. Ihr habt gedacht, ich hätte mich hier geöffnet, so wie auch ich das dachte. Aber das habe ich nicht. Die Forumsöffentlichkeit hat dafür gesorgt, dass mir niemand zu nahe kommt. Jeder, der mich privat angeschrieben hat und die Nähe zu mir suchte, wurde auf die ein oder andere Art zurückgewiesen. Und immer, wenn es mir zu viel wurde, bin ich einfach wochenlang untergetaucht und verschwunden. Ich habe es einmal in GoGoGos Thread geschrieben: Meine innere Einstellung ist: „Sei für mich da, wenn ich dich brauche, aber komm mir nicht zu nah und halte es stillschweigend aus, wenn ich mich zurückziehe.“ Selbst meinem FB ist das aufgefallen. Er bot am Donnerstag Vormittag an, mich mit dem Auto zur U-Bahn zu bringen. Mit einer völlig absurden Ausrede lehnte ich ab. Er sprach mich am Freitag darauf an und ich sagte: „Das ist mir zu nah. Zu schnell… Ich habe ein Problem mit zu viel Nähe. Niemand darf mir zu nah kommen.“ Gestern Abend nach dem Wettkampf waren wir bei einer meiner Sport-Freundinnen zum Feiern. Ich lauschte den Gesprächen und fühlte mich so unendlich weit entfernt. Sie sprachen über Babys, Heiraten, alte Schulfreunde, das Studium… in meinem Kopf waren die Erinnerungen an die Schläge in mein Gesicht, das Bild der blauen Flecke auf meinen Brüsten, das Gefühl des Erstickens durch die Hand um meinen Hals, das Blut in meiner Vagina, den tiefen Schmerz der kraftvollen Stoße. So habe ich mich mein Leben lang gefühlt. Früher lauschte ich den Gesprächen meiner Schulfreundinnen und in meinem Kopf waren schreckliche Bilder. Immer war ich fremd und trug etwas in meinem Herzen, das ich verbergen musste. Es ist dieses Gefühl, wenn man an einem kühlen Herbsttag in der Dunkelheit durch die Straßen läuft, vor einem Cafe stehen bleibt, die Geborgenheit des warmen Lichts, das nach draußen strahlt, beinahe greifbar ist, die Menschen sieht, wie sie sich unterhalten und lachen, beisammen sind, die Liebe scheint so greifbar, doch man kann einfach nicht hineingehen. Und so geht man weiter, das Laub raschelt unter den schnellen Schritten, man eilt, obwohl es keinen Grund zur Eile gibt, weil da niemand wartet. Nirgendwo. Ich habe es gestern nicht mehr ausgehalten. Ich verabschiedete mich schnell und ging. Mit meiner Kapuze auf dem Kopf, den Schal tief ins Gesicht gezogen lief ich durch den immer währenden Hamburger Regen zur U-Bahn. Als ich zuhause war, war ich durchgefroren und nass bis auf die Knochen. Aber ich war zuhause. Mein Bett war warm. Alleine fühle ich mich geborgen. So habe ich das schon immer gehandhabt. Immer schon war da diese Stimme in mir, die flehte: „Bring mich hier weg. Bitte, bring mich hier weg.“ Und so lief ich. Weg aus meinem Elternhaus. Von Schule zu Schule. Ins Ausland. Weg aus meiner Studienstadt. Weg von Freunden. Weg von Männern. Niemand schafft es wirklich in mein Leben, obwohl viel gerne ein Teil davon wären. Ich lasse niemanden hinein. Weil ich einfach nicht anders kann. Ich kann einfach nicht anders. In keiner Welt bin ich wirklich zuhause. Nicht in der normalen Welt, nicht in der Drogenwelt. Überall werde ich irgendwie aufgenommen und finde mich zurecht, bleibe jedoch fremd. Ich wollte Heilung, aber ich frage mich: Hört es denn nie auf? Ich habe so lange Therapie gemacht, ich habe Stein für Stein umgedreht, ich habe alle Kisten meiner Vergangenheit geöffnet und alles aufgeschrieben, ich habe mein gesamtes Handeln reflektiert. Und doch komme ich nicht heraus aus diesen negativen Gefühlen, dem inneren Verlangen nach Schmerz. Ich bin müde. Ich kann hier nicht weiterschreiben und ich werde mir auch erstmal anderweitig keine Hilfe suchen. Ich werde mich jetzt treiben lassen und zusehen, wo das Leben mich hinführt. Treibholz auf hoher See. Ihr habt mir geholfen, näher zu mir selbst zu finden. Ich spüre nun sehr deutlich, was ich will und was ich brauche. Den Mann, mit dem ich mich vor zwei Wochen traf und welcher mich so unbefriedigt zurückließ, habe ich ohne Drama genextet. Er gab mir nichts. Mein jetziger FB gibt mir genau das, was ich brauche. Er ehrt meine Hingabe und es ist ihm bewusst, dass er nur so weit gehen darf, wie ich es ihm erlaube. Wir geben uns gegenseitig, was wir benötigen, weil es genau die Erfahrungen sind, die uns weiterbringen. Ich muss diese Seite in mir nun leben. Sie ist so kraftvoll, dass ich sie nicht unterdrücken kann. Als die Männer sagten, dass sie noch weggehen wollten und mein Gesicht sich versteinerte, fühlte ich deutlich mein Bedürfnis nach Liebe sowie den Schmerz, dass mein FB sie mir nicht geben würde. Früher wäre ich nach Hause gefahren und hätte mich schlecht gefühlt, mich schließlich auf verschiedenste Weise betäubt. An jenem Abend habe ich mir genommen, was ich brauchte. Ich habe mich in sein Bett gelegt und mir selbst Wärme und Ruhe geschenkt. Das ist ein großer Schritt in Richtung Selbstliebe. Die Liebe zu anderen Menschen kann ich nicht zulassen. Es gibt nichts, was ich mehr fürchte. So sehr ich mich auch danach sehne, ich schaffe es nicht, jemanden in mein Leben zu lassen. Den Menschen, die ich hier verletzt habe, möchte ich sagen, dass es mir Leid tut. Es tut mir leid. Ihr alle habt mir so unendlich viel gegeben und ich weiß nicht, wie ich meine Dankbarkeit ausdrücken soll. Ihr habt mir gezeigt, dass ich nicht alleine bin. Und dass da Licht ist, welches auf mich wartet, wenn ich eines Tages dafür bereit sein sollte. Mein Weg wird mich vermutlich aus Hamburg wegbringen. Die Stimme in mir fleht ohnehin: „Bring mich weg von hier. Bitte, bring mich weg.“ Vor ein paar Wochen habe ich zufällig den Film „Shame“ mit Michael Fassbender gesehen, ohne zuvor zu wissen, wovon er handelt. Ich bin eine Mixtur der beiden Hauptcharaktere Brandon und Sissy. Sissy sagt zum Ende hin: Wir sind keine schlechten Menschen. Wir kommen nur von einem schlechten Ort. Eines Tages werde ich es schaffen. Ich werde eines Tages jemanden in mein Leben lassen. Aber vielleicht werde ich niemals aufhören aus dem Fenster zu sehen, in die Ferne, die Weite. Vielleicht wird das Gefühl der Fremde für immer in meinem Herzen bleiben. Vielleicht ist die Aufgabe, zu lernen, damit zu leben. Oneitis, Neediness, Pick Up: Gibt es das Besondere überhaupt? Das Besondere erschaffen wir selbst. Danke, dass ich meine Geschichte erzählen durfte. Danke, dass ihr bei mir wart. Danke für eure Liebe. Ich liebe mich.
  21. Ich sitze hier frisch geduscht, in meinen Sportklamotten, bereit für den heutigen Wettkampf und schon auf dem Sprung. Vor einer halben Stunde bin ich nach Hause gekommen. Nach einer beinahe noch wilderen Nacht als letzte Woche. Chopin, ja ich war wieder in dieser Welt, die für mich genauso geheim und verborgen ist. Zur Hälfte bin ich mitten drin und mit der anderen Hälfte klammere ich mich an dem hellen Leben fest, damit ich nicht in die Dunkelheit falle, sie sich mich nicht einverleibt. Was ist passiert? Ich habe berichtet, dass Gestern der Dreier angesetzt war. Zuvor besuchte ich meine Freundin aus der Gras-Clique. Ich wollte mich unbedingt vorab entspannen und Gras rauchen. Eine weitere Freundin von ihr war da, welche drehte. Ich wusste nicht, dass sie pur rauchte und da ich noch etwas gegen Kopfschmerzen und Schnupfen genommen hatte, war die Wirkung sehr stark. Zuerst lachten wir uns über den Shopping-Kanal schlapp, auf dem Nordmann-Tannen verkauft wurden. Danach lauschte ich gebannt der Geschichte, weshalb meine Freundin nur Bio-Eier vom Hof essen konnte. Die Geschichte wurde nur durch kurze Nachfragen der anderen Freundin unterbrochen, während meine Freundin ihren Tanz, ihr künstlerisches Theaterstück aufführte. Um dem Gesagten noch mehr Ausdruck zu verleihen, stand sie plötzlich mitten im Raum und sagte: Digga, ich liebe Bio-Eier vom Hof.“ Nach der Eier-Geschichte verlor ich mein Kurzzeitgedächtnis. Ich fragte mich dauernd, wie ich es in meinem Zustand schaffen sollte, durch die ganze Stadt mit Bus und Bahn zu fahren. Gegen 11 ging ich ins Bad, um mich zu erfrischen und runterzukommen. Dort las ich dann deinen Post, Re VanN… Ich hatte Tränen in den Augen. Ich las diese wundervollen Dinge über mich, während ich im Badezimmer neben der Heizung völlig stoned versuchte, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Ich werde morgen ausführlich antworten, aber gerade muss ich mir nur das Geschehene von der Seele schreiben. Im Bus rief mich mein FB an und wollte klären, wo ich war und ob sie mich abholen sollten. Zu dem Gespräch war ich nicht mehr wirklich fähig und ich sagte nur, dass ich um halb 1 da sein würde. Er versuchte abermals mich anzurufen, aber ich war in einer völlig anderen Welt. Da saß ich in diesem Bus, der mich durch die Dunkelheit fuhr, mit meinen dunkel geschminkten Augen, der glitzernden Rosenkette, die schwer um meinen Hals lag, den halterlosen Strümpfen und den goldfarben bestickten, schwarzen Dessous unter meinem unschuldigen Jeans-Outfit. Bis ich an der Tür läutete, war ich wieder halbwegs klar und fähig, ein normales Gespräch zu führen. Wir unterhielten uns zu dritt und tranken Wein. Ich war noch völlig in der liebevollen Stimmung, die meine Freundin mit ihren Worten in mir geschaffen hatte und so machte auch ich aus jedem meiner Worte ein Kunststück. Ich dehnte manche Wörter in die Länge, spielte mit dem Rhythmus, bewegte meinen Körper passend dazu und berührte im Gleichklang dazu meinen Hals und mein Dekollete. Ich öffnete mich. Verbal. Seelisch. Ich zeigte mich. Die beiden eskalierten. Mein FB sagte abermals: „Ich hatte gesagt, er ist ich hoch 10. Aber er ist ich hoch 15.“ Sorge schwang in seiner Stimme mit. Im Folgenden beobachtete er jede Handlung seines Freundes sowie meine Reaktionen darauf. Regelmäßig wies er ihn darauf hin, sanfter mit mir umzugehen. Er passte auf mich auf. Und dann platzte die Bombe: Sein Freund bekam Probleme mit der Erektion, noch ehe er in mich eingedrungen war. „Dieses scheiß Koks, ey.“ „Ihr habt gekokst?“ „Ja.“ Während ich völlig gechillt auf dem Sofa lag („Lasst uns einfach chillen, wir machen später weiter“), lief der Andere auf und ab, fasste sich an den roten Kopf und begann mit meinem FB zusammen, alle Kontakte abzutelefonieren, um Gras zu besorgen. Er verließ die Wohnung und kam mit einem Joint zurück, während ich gerade mit meinem FB Sex hatte. Wir rauchten zusammen. Die Situation wurde danach nicht besser. Es endete damit, dass beide nacheinander in meinem Mund kamen. Selbst die heftigsten Ficker sind nur Menschen. Mein FB kuschelte kurz mit mir, danach begutachteten sie das Koks und breiteten die Päckchen auf dem Tisch aus. „Komm Süße, zieh ne Line mit uns.“ Es war Koks im Wert von 3000 Euro. Was soll ich sagen? Ich hatte eine winzige Line, aber so winzig, dass ich kaum etwas verspürte. Noch weiter will ich nicht in den Kaninchenbau. Hier ist die Grenze. Als mein FB sagte, dass wir noch in nen Club fahren würden, versteinerte sich mein Gesicht. Ich nahm meine glitzernde Rosenkette, die sie mir zuvor abgenommen und auf den Tisch gelegt hatten und beobachtete die Reflexion des Lichts in den einzelnen Glitzersteinchen. Irgendwann stand ich auf, immer noch nackt und in eine Decke eingewickelt und legte mich ins Bett. Es ging mir körperlich sehr gut, aber ich spürte, dass ich dringend Geborgenheit und Wärme brauchte und wollte mir dieses selbst geben. Die beiden sahen nach mir und vergewisserten sich, dass es mir wirklich gut ging. Sie bestellten ein Taxi und wollten mich schlafen lassen. Bevor sie fuhren, kam der Andere ans Bett, setzte sich neben mich und sagte: „Ich habe dich beobachtet. Du hast vorher sehr gequält gelächelt, als wir gesagt haben, dass wir noch weggehen. Es geht dir jetzt nicht gut, nicht wahr?“ „Ich will so heftig durchgenommen werden, ich genieße es, erniedrigt zu werden, aber ich brauche danach Liebe und Geborgenheit. Ich kann mir das aber auch selbst geben.“ Er sprach noch sehr sanft mit mir und erzählte mir von seiner Exfrau und seinen Kindern, ehe das Taxi kam. Ich schlief unruhig bis um 8, bis mein FB nach Hause kam. Er kuschelte sich zu mir ins Bett und wir schliefen Löffelchen. Eine Stunde später wollte ich Sex und bat um Befehle. Wir waren gerade beim Deepthroat, als sein Freund klingelte. Er wollte nur kurz etwas holen und auf den Hinweis meines FBs: „Bleib hier, du weißt gar nicht, wie gut sie morgens schon bläst. Siehst du, da versteckt sie sich gleich unter der Decke.“ Er ging und mein FB drang in mich ein. Er nahm mich sehr heftig und hörte auf, als das Kondom voller Blut war. (Das habe ich bei heftigem Sex, muss dringend zum Frauenarzt deswegen) Er kuschelte noch mit mir und schließlich musste ich los. Ich gehe vor meinem FB auf die Knie und bitte um seine Befehle. Ich tue alles, was er von mir verlangt. Ich lege mich in seine Hände. Es gefällt ihm, wenn beim Deepthroat Tränen über meine Wangen laufen. So wie es auch mir gefällt. Weshalb sind wir so kaputt? Sind wir kaputt? Ich muss jetzt dringend los, aber das wollte ich noch erzählt haben. Dies war meine Nacht und jenes habe ich getan.
  22. Chopin, mit deinem Post ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen... Vergangene Woche hatte ich meinem "brutalen" FB abgesagt, weil ich zum ersten Mal mit dem neuen FB schlafen wollte und überzeugt war, mit ihm zärtlichen Sex zu haben. War dann aber nicht so. Auf jeden Fall hätte ich mich für die Zärtlichkeit entschieden... Kolibri-Maki, jedes einzelne Wort, welches in diesem Thread zu mir gesagt wird, hat seine Berechtigung. Und ja, du schreibst teilweise hart und du hast mich damit verunsichert. Aber auch du hilfst mir sehr weiter. Vielleicht bin ich so wie du glaubst, vielleicht aber auch nicht. Vielleicht habe ich manche "kranken" Anteile in mir und tue manche Dinge, die "normale" Menschen nicht tun. Aber Fakt ist, dass ich nach Heilung suche, dass ich meine Vergangenheit aufarbeiten und Frieden finden will. Ich bin jedem Einzelnen von Herzen dankbar, der mich auf meinem Weg begleitet. Es ist ein Weg des Lebens, der Liebe, der Heilung. Jeder stille Mitleser, Unterstützer, Motivierer, Kritiker oder Schreiber, der seine Weisheit und sein Wissen mit mir teilt, wirklich jeder trägt seinen Teil dazu bei, dass ich Schritt für Schritt meinen Weg gehen kann. Heute ist mein letzter Urlaubstag und letzte Nacht habe ich bei meinem "brutalen" FB verbracht. Eigentlich brutal. Denn zu mir ist er es seltsamerweise nicht in vollem Maße. Aber von vorne. Vor drei Wochen hatte ich das erste Mal Sex mit ihm. Er war von Anfang an sehr dominant und ich wusste, dass der Sex mit ihm heftig werden würde. „Fickst du immer so heftig?“ „Das ist noch gar nichts, komm mal zu mir, dann hab ich Heimvorteil“. „Was machst du denn noch?“ „Ich bin ein Mann der Tat. Ich rede nicht darüber.“ Trotz seiner Gewalt achtete er auf mich. Er ging immer einen Schritt zu weit und tat mir weh, verletzte mich jedoch in keinster Weise. Meine Neugierde war geweckt. Gestern fuhr ich mit gemischten Gefühlen zu ihm. Einerseits wollte ich wissen, wie weit er dieses Mal gehen würde, auf der anderen Seite hatte ich Angst. Als ich bei ihm war, unterhielten wir uns lange und alberten herum. Die Chemie hatte schon beim ersten Treffen gestimmt und er behandelte mich respektvoll und auf Augenhöhe. Wir saßen auf seiner großen, breiten Couch, auf dem Flachbildfernseher hatte er eine House Playlist ausgewählt und in der Ecke des Wohnzimmers stand eine beinahe manngroße Wasserlampe, welche die Farbe änderte und den hell und stilvoll eingerichteten Raum in dämmriges Pufflicht tauchte. In seinem Badezimmer, standen mehrere Flacons mit teurem Parfüm. Alles in seiner Wohnung schrie: Hier wird gefickt! Er wiederholte gestern einen Wunsch, den er bereits per Whatsapp geäußert hatte: Ein Dreier mit mir und seinem Freund. „Du bist so unterwürfig, das würde dir gefallen.“ Um mich an die Sache heranzuführen, zeigte er mir ein Video, in welchem sie eine Jura-Studentin in meinem Alter zu zweit durchnahmen. Er feierte richtig, als sie gleichzeitig auf den Hintern und ins Gesicht geschlagen wurde. Er erzählte mir, wie sie im Krankenschwester-Outfit zu ihm gekommen sei und er sie vorab erst einmal zwei Stunden allein gefickt hätte. Zum Beweis zeigte er mir Bilder. Sein Handy schien voll zu sein mit Trophäen dieser Art. Als er mir davon erzählte, dass sie sich eine Line von seinem Schwanz gezogen hätte, dachte ich nur: Jetzt ist das Dorf endgültig aus dir draußen und du in der großen Welt angekommen. Er eskalierte. Er war extrem dominant und ich konnte mich fallen lassen und mich völlig hingeben. So wie auch er sich mir hingab. Er sagte: „Ich bin nicht wichtig. Es geht hier nur um dich.“ Er befahl mir immer wieder, ihm in die Augen zu sehen. Den Schmerz, den er mir zufügte, genoss ich. Doch ich suche nicht nur den Schmerz… So wie auch er… Es passierte schon beim ersten Mal, dass er plötzlich inne hielt und sagte: „Warum schaust du mich so an? Du schaust so verängstigt. Gott, schau mich nicht so an! Das weckt meinen Beschützerinstinkt.“ Ich hatte wirklich in manchen Situationen Angst, muss ihn dann wohl mit verängstigten Augen angesehen haben und hielt mich selbst mit meinen Armen fest umfasst. Gleichzeitig neigte ich meinen Kopf etwas und zeigte ihm meinen nackten Hals… Noch mehr hätte ich mich nicht unterwerfen können. Er schaltete sofort um, küsste und streichelte mich zärtlich. Er sagte, noch keine Frau vor mir hätte sich jemals so verhalten. Von diesem Zeitpunkt an hatten wir Kuschelsex. Er kann beides. So wie auch ich. Wir hatten ein zweites Mal Sex, weil er mich zum Orgasmus bringen wollte, aber mein Kopf ist irgendwie blockiert. Ich bin schon lange nicht mehr bei einem Mann gekommen. Die Nacht mit ihm war wunderschön. Er hielt mich die ganze Zeit fest und zog mich immer wieder an sich heran. Immer, wenn ich aufwachte, berührte und streichelte ich seinen Körper. Zuvor habe ich zu viel Körperkontakt immer vermieden. Jetzt suche ich ihn. Am Freitag soll der Dreier stattfinden. Die beiden reizt wohl, dass ich so unschuldig bin. Meinem FB gegenüber gebe ich mich sehr verletzlich, feminin und unverdorben. Die Rolle der unschuldigen Jungfrau muss ich nicht einmal spielen. Irgendwie bin ich das einfach. Mal schauen, ob es wirklich zu dem Dreier kommt. Mein FB hat mich bereits vorgewarnt. Er sagte: „Mein Kumpel ist ich hoch 10. Bei ihm wirst du die ganze Zeit diese Geste machen müssen. Alles, was ich mache, habe ich von ihm. Er hat mich angelernt.“ Bitte verurteilt mich nicht, dass ich Gewalt-Sex mit solchen Männern habe. Denn ich sage euch, meine ganze Ausstrahlung, mein gesamtes Auftreten kann jemanden in seiner Gewalt stoppen, ohne dass ich meine Stimme erheben müsste. In Wahrheit ist es keine Geste der Unterwerfung, sondern ich offenbare meine Verletzlichkeit. Und es scheint, als hätte dieses Offenbaren so viel Macht, so viel Autorität, dass es Menschen tief im Inneren erreicht und zurückholt. Ich bin kein Opfer mehr. Heute Morgen, als ich nach Hause fuhr, zauberten die ersten Sonnenstrahlen fliederfarbene Zuckerwatte auf den Horizont. Ich hörte eine RnB Playlist, hörte dumpf Vogelgezwitscher durch meine Kopfhörer hindurch und fragte mich, weshalb jene Vögel den Winter über nicht im Süden verbrachten, freute mich jedoch über den Gesang. Die S-Bahn Station war mit bunten Graffiti vollgesprüht und schließlich schaute ich aus dem Fenster, als die Bahn mich quer durch Hamburg brachte. Vorbei an den Hochhäusern, durch die Industriegebiete, den Hauptbahnhof, die belebte Innenstadt, wo die Menschen zur Arbeit eilten, hinaus in die Wohngebiete. Ich habe einen weiten Weg hinter mir. Ich habe mich sehr verändert.